Hamburg. Bei dem gemeinsamen Projekt von Abendblatt und Umweltbehörde gehen die Teilnehmer in Sachen Ökologie neue Wege.
Auf den Tischen stehen mundgerechte Stücke Ananas und Melone bereit. „Bedienen Sie sich am regionalen, saisonalen Obst, wir wollen nichts wegwerfen!“, fordert Ann-Christin Rebbin von der Firma Zebau (Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt) mit einem Augenzwinkern auf, die Früchte zu essen. „Auch wir können noch etwas lernen“, fügt sie hinzu. Denn in den nächsten drei Monaten wird es für 21 Teilnehmer und ihre Familien nur um ein Thema gehen: den Klimaschutz.
Drei Klimaschutz-Begeisterte aus jedem Hamburger Bezirk machen beim Projekt „Klimaretter“ mit. Beim Kennenlern-Workshop bekamen die Teilnehmer erste Tipps zum CO2-sparenden Leben. Das Projekt der Behörde für Umwelt und Energie wird vom Abendblatt als Medienpartner begleitet. In drei Monaten sollen die Klimaretter lernen, wie sie zum Beispiel bei der Heizung, beim Arbeitsweg und beim Wocheneinkauf CO2 sparen können.
Sind die Kichererbsen im Glas besser, die in der Aludose oder die trockenen?
Bei einer kurzen Vorstellungsrunde wird klar: Die meisten Teilnehmer achten schon im Alltag auf das Klima, wollen aber sehen, wie es noch besser werden kann. „Wir haben seit 25 Jahren kein Auto mehr“, sagt Silvia Baumann (57) aus Bergedorf, die mit ihrem Mann Manfred teilnimmt. „Aber wir fragen uns, was mit unserem geliebten Kachelofen ist. Dürfen wir den noch benutzen?“
Auch die Entscheidungen beim Einkaufen sind schwer einzuschätzen: „Sind die Kichererbsen im Glas besser, die in der Aludose oder doch die trockenen Kichererbsen, die in Plastik verpackt sind?“, fragt sich Julia Fleeth (32) aus Wandsbek. Sie ernähre sich schon vegetarisch, aber auch da gebe es eben keine einfachen Wahrheiten. „Ich finde es schwierig, Lebensmittel mit guter CO2-Bilanz zu erkennen. Zum Beispiel Cashew-Milch, ist ja pflanzlich, aber die Nüsse müssen von weit her geflogen werden“, sagt sie.
Klimaschutz-Aktion von Abendblatt und Umweltbehörde
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Mit einem Fakt zum CO2-schädlichsten Lebensmittel hat die Nachhaltigskeitswissenschaflerin Lisa Hauswald alle beeindruckt. Nicht die Flugmango verursacht das meiste CO2 pro Masse, sondern Butter. Mit 23,4 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Butter hat sie den größten entsprechenden Fußabdruck.
CO2-Rechner zeigt Einsparpotenziale
Wie viel CO2 jeder genau verursacht, werden die Teilnehmer bei Hausbesuchen erfahren. Lisa Hauswald setzt sich mit den Klimarettern an den CO2-Rechner und veranschaulicht ihnen, in welchen Bereichen sie noch einsparen könnten. Der Rechner ist unter www.ham burg.co2-rechner.de kostenlos aufrufbar.
Angelika Leis (51) aus Eimsbüttel freut sich, dass solche Fragen bei einem Termin geklärt werden: „Einmal die Woche, wenn es regnet, fahre ich meinen Sohn mit dem Auto zur Schule. Mir hilft es zu wissen, wie viel CO2 entsteht, wenn ich eine bestimmte Strecke mit dem Auto fahre.“
Am schwersten würde es Hiltrud Blaske (76) aus Harburg fallen, auf Flugreisen zu verzichten. „Ich habe Familie in England, da wird es schwer, sie ohne Flugzeug zu besuchen. Außerdem fliege ich einmal im Jahr auf die kanarischen Inseln, um gegen meine Osteoporose Sonne zu tanken“, erzählt sie: „Meine Kinder und Enkel erwarten von mir, dass ich das Klima schütze. Ich habe sie umweltbewusst erzogen.“
Stoffwindeln für das neue Baby
Maxie Vega Torres (33) aus Hamburg-Nord steht bei Flugreisen vor einem besonderen Gewissenskonflikt. „Die Familie meines Mannes lebt in Costa Rica. Dahin reisen wir alle zwei Jahre, weil mir wichtig ist, dass die Kinder auch die Sprache und die Kultur kennenlernen. Das zerstört natürlich jeden CO2-Fußabdruck, aber die Entscheidung kommt von Herzen.“ Im März erwartet sie ein zweites Kind. Für das neue Baby möchte sie Stoffwindeln verwenden, um weniger Müll zu produzieren.
Neben den Themen Mobilität und Ernährung geht es bei den Klimarettern auch um Energie und Konsum. Sengül Colak ist 50 Jahre alt, lebt in Hamburg-Mitte und macht gemeinsam mit anderen Frauen aus alten Sachen Neues. So hat sie zum Beispiel schon Taschen aus alten Jeans genäht oder Hosen geflickt. „Das macht Spaß, und es ist gut für die Umwelt, wenn man nicht alles neu kauft“, sagt Sengül Colak. Bei diesem Thema ist sie nicht alleine. Judith Haslöwer (22) und Cristina Grovu (40) kaufen nur Kleidung aus zweiter Hand. „Der Kilo-Shop des DRK ist super für Secondhand-Klamotten“, sagt Judith Haslöwer.
Energieberater kommen zu den Teilnehmern ins Haus
Energetisch umrüsten möchte Hannah Froschauer aus Wandsbek, die überlegt, eine Solaranlage einzubauen. Gabriele Müller erhofft sich Informationen zum Begrünen von Flachdächern. Um alle einzelnen Wünsche und Begebenheiten zu berücksichtigen, kommen Energieberater zu den Teilnehmern ins Haus. Helmuth Groscurth von der Firma Arrhenius Consult gibt bei dem Begrüßungsworkshop einen Überblick über das Themenfeld Strom und Wärme. „Gebäude sorgen für das meiste CO2“, sagt der Experte. Als Verbraucher könne man am einfachsten Elektrogeräte auf ihren Verbrauch prüfen. Dabei reiche es oft auch schon, darauf zu achten, ob ein Gerät immer im Stand-by-Modus ist oder ganz ausgeschaltet werden kann. Die größte Verantwortung sieht Helmuth Groscurth aber in der Nutzung: „Wenn Sie einen neuen, effizienten Kühlschrank kaufen, aber den alten dafür in den Keller stellen und für Getränke weiternutzen, ist keinem geholfen.“
Silke Langhoff von der Verbraucherzentrale Hamburg informiert über das Projekt Energielotsen. Sie kommen kostenlos zu jedem ins Haus, der sich für einen Beratungstermin anmeldet. Dafür muss man nicht beim „Klimaretter“-Projekt mitmachen.
Nun werden alle Klimaretter ihren persönlichen CO2-Fußabdruck berechnen. Dann geht es weiter mit der Energieberatung – hier ist auch die Wohnform entscheidend. Ein Einfamilienhaus, das von einer Einzelperson bewohnt ist, hat natürlich eine schlechtere Energiebilanz als eine Dreier-WG auf 55 Quadratmetern. Allerdings können Eigentümer von Häusern häufig leichter nachrüsten und das Gebäude energetisch sanieren als Wohnungseigentümer, die sich erst mit der ganzen Hausgemeinschaft einigen müssen.
Bei Familie Timm aus Altona ist das der Fall. Die Energieberater werden deswegen zu ihnen mit in die Eigentümerversammlung kommen, um alle über die möglichen Nachrüstungen zu informieren. „Wir können wahrscheinlich noch viel lernen beim Thema Wärme und Heizung“, meint Maxie Vega Torres. Und was ist für Cristina Grovus Hauptmotivation für die Teilnahme am „Klimaretter“-Programm? „Ich möchte zeigen, dass Klimaschutz Spaß machen kann.“
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