Hamburg. Drogenhilfe und Bezirk sehen Gesundheit der Hilfsbedürftigen gefährdet. Der Verein „Zwischenstopp Straße“ weist Kritik zurück.

Es ist Mittwoch für Mittwoch die gleiche Szenerie. Ein Transporter parkt vor dem Saturn-Markt an der Mönckebergstraße, Helfer steigen aus und verteilen Kleidung, Schlafsäcke und Lebensmittel an Obdachlose. Zwei, drei Stunden stoppt der Transporter für die nächste Verteilaktion vor dem Drob Inn, der Anlaufstation für Drogenabhängige am Besenbinderhof in der Nähe des Bahnhofs. Träger ist die Jugendhilfe.

Werden hier Menschen unterstützt, die dringend Hilfe brauchen? Oder ist diese Aktion zwar gut gemeint, aber eben nicht gut gemacht? Darüber ist ein Streit entbrannt, in den sich nun auch der Bezirk Mitte eingeschaltet hat.

Jugendhilfe-Vorstand sieht Gesundheit der Klienten gefährdet

„Ich unterstütze, wo ich nur kann, ehrenamtliches Engagement. Wir suchen auch nach unbürokratischen Lösungen, etwa bei der Vergabe von Stellflächen für die Versorgung von Obdachlosen mit Lebensmitteln oder Kleidung“, sagt Falko Droßmann, Leiter des Bezirksamts Mitte. Bei „Zwischenstopp Straße“ ist für ihn jetzt allerdings eine Grenze erreicht: „Es kann nicht sein, dass Lebensmittel offen auf den Boden gelegt werden. Und erst recht können wir nicht hinnehmen, dass sogar Verbandsmaterial verteilt wird. Wir reden hier über eine Klientel mit Obdachlosigkeit und schwersten Drogenproblemen.“

Auch Jugendhilfe-Vorstand Christine Tügel sieht „die Gesundheit unserer Klienten gefährdet. Es wird zu Spenden von Schokolade aufgerufen, die angeblich gegen Entzugserscheinungen helfen soll. Es wird zu Spenden abgelaufener Verbandsmaterialien aufgerufen, die von der Drob-Inn-Klientel besonders benötigt werden würden.“ Die Klientel brauche jedoch vollwertige, gesunde Nahrung und professionelle Wundversorgung: „Unterbleibt beides, verschlechtert sich der Gesundheitszustand.“

Drob Inn: Müllaufkommen hat stark zugenommen

Durch die Verteilungsaktionen hat aus Sicht des Drob Inns auch das Müllaufkommen stark zugenommen: „Viele Klienten nehmen sich wahllos, was geboten wird, später liegen die Sachen dann auf der Straße.“

„Zwischenstopp Straße“ bestreitet alle Vorwürfe. Man arbeite hygienisch einwandfrei. „Und ein Mitglied kümmert sich schon während unserer Verteilung um den Müll und sammelt sofort alles ein, wenn das Essen aufgegessen wurde oder jemand etwas auf den Boden wirft. Noch nie gab es Beschwerden, wie wir einen Verteilungsort hinterlassen habe“, sagt Sylvia Senger von der Organisation. Die Gegend um das Drob Inn sei „immer total verdreckt und vermüllt“, aber eben nicht durch ihren Verein. Zudem habe man vom Bezirksamt eine Duldung zur Verteilung von „Herrn Droßmann und Herrn Krogmann persönlich“.

Verein weist Kritik an seiner Arbeit zurück

Sylvia Senger hält die Kritik an der Arbeit ihres Vereins für inakzeptabel: „Wir kümmern uns auch um die, die im Drob Inn Hausverbot haben.“ Diese Menschen hätten sonst niemanden. Man verweise diese Obdachlosen an die zuständigen Krankenhäuser sowie Einrichtungen wie „Praxis ohne Grenzen“: „Wir organisieren sogar Transporte und begleiten teilweise Personen mit ins Krankenhaus oder in Arztpraxen.“

Lässt das Drob Inn Drogenabhängige vor der Haustür im Stich? Davon könne keine Rede sein, sagt Christine Tügel: „Wir erteilen nur einem verschwindend geringen Teil unserer Klientel Hausverbot, meist nur für einen kurzen Zeitraum. Dies gilt dann oft nur für das Café. Das heißt, sie werden weiter von uns medizinisch versorgt und beraten.“

Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht

Laut Christine Tügel arbeite das Drob Inn gern mit ehrenamtlichen Vereinen zusammen: „Aber dies geht nur auf dem Weg einer echten Zusammenarbeit. Es kann nicht sein, dass vor dem Drob Inn sogar Verbandsmaterial verteilt wird. Unsere Klienten haben zum Teil große offene Wunden, die professionell versorgt werden müssen. Darum kümmern sich unsere Ärzte und Pflegekräfte. Unter unhygienischen Bedingungen auf der Straße ist dies gefährlich.“

Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. „Wir haben versucht, mit ,Zwischenstopp Straße‘ eine Verständigung zu erzielen, das Drob Inn nicht mehr anzufahren. Die Gespräche verlaufen jedoch sehr unangenehm und aggressiv“, sagt Christine Tügel. Ein Helfer von „Zwischenstopp Straße“ habe sich im Oktober 2019 am Türdienst vorbeigedrängt, obwohl ihm der Zutritt untersagt worden sei: „Er hat dann nach Aufforderung, wieder zu gehen, unser Personal verbal angegriffen und hat gegen die Eingangstür getreten.“

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Vermittlungsversuche von Droßmann vorerst gescheitert

Senger erinnert dagegen, dass eine Helferin „Ende 2018/Anfang 2019 von einem Drob-Inn-Mitarbeiter geschubst“ worden sei: „Sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Seitdem hatten wir keine Berührungspunkte mehr mit dem Drob Inn. Hätte man eine Kooperation gewünscht, hätte man die zuständigen Ansprechpartner ohne Probleme erreichen können. Dieses erfolgte nie.“

Droßmann hält seine Vermittlungsversuche vorerst für gescheitert: „Ich bin nur auf Widerstände gestoßen.“ Der Verein sei „leider beratungsresistent“. Er kündigt an: „Daher werden wir nun diese Verteilaktionen beobachten und auch ordnungsrechtlich vorgehen. Sollte das Team sich allerdings wieder an die allgemein bekannten Hygieneregeln halten, sehe ich den Fall als erledigt an.“