Hamburg. Senatorin Prüfer-Storcks soll Aufsicht eines Krankenhauses vernachlässigt haben, das im Zentrum eines Abrechnungs-Skandals steht.

480 Polizisten, 58 Durchsuchungsbeschlüsse, 1000 Kartons beschlagnahmt: Eine der größten Razzien der Hamburger Staatsanwaltschaft hat jetzt ein politisches Nachspiel. Der Verdacht, dass die Hamburger Firma A. über ein Strohmann-Konstrukt einen Millionenschaden durch illegale Abrechnungen von Krebsmitteln (Zytostatika) angerichtet hat, ist in der Bürgerschaft angekommen.

Dabei macht die Fraktion „Die Linke“ der Gesundheitsbehörde von Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) schwere Vorwürfe. Der gesundheitspolitische Sprecher Deniz Celik sagte dem Abendblatt: „Ich bin fassungslos. Da wurde ein Krankenhaus übernommen – und über Jahre hat keiner genau hingeschaut.“ Er warf Prüfer-Storcks außerdem vor, auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linksfraktion „nur ausschweifend“ geantwortet zu haben. Anfrage und Antwort des Senates liegen dem Abendblatt vor.

Krebsmittel-Razzia: Krankenhaus im Mittelpunkt

Das Krankenhaus ist der Schlüssel in dem Skandal um mutmaßlichen Abrechnungsbetrug. Laut Staatsanwaltschaft soll die beschuldigte Firma im Jahr 2014 die Stadtteilklinik Hamburg (Mümmelmannsberg) übernommen haben. Dieses Krankenhaus wiederum soll ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gegründet haben. Gleichzeitig besitzt diese Firma das Unternehmen, das Zytostatika herstellt.

Die Staatsanwaltschaft hat darin ein vermeintlich illegales Geflecht von verbotener Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern ermittelt. Die Razzia im Dezember 2019 hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Firma A. weist Vorwürfe zurück

Die beschuldigte Firma weist die Vorwürfe illegaler Absprachen zurück. „Wir werden uns dazu mit der Staatsanwaltschaft und den zuständigen Behörden austauschen. Wir sind überzeugt, dass wir die Vorwürfe in diesem Sinne vollständig ausräumen können“, teilte das Unternehmen mit.

Auch Linken-Experte Celik betont, dass die Unschuldsvermutung gelte. Doch der Gesundheitsbehörde hätte schon das Konstrukt auffallen müssen. Die Klinik habe nur 15 Betten, die Auslastung liege laut Statistik in den vergangenen Jahren bei 50 Prozent oder darunter: Und es gebe keine Hinweise auf die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung. „Die Klinik ist nicht ausgelastet, sie hat kaum Relevanz für die medizinische Versorgung in Hamburg und keine Onkologie.“

Da gebe es einen begründeten Verdacht, dass die Aufsicht zumindest genauer hinschauen müsse. Das habe Prüfer-Storcks versäumt.

Gesundheitsbehörde räumt Unwissen ein

Die Behörde antwortet auf die Frage, ob sie wisse, dass der Krebsmittelhersteller und die Klinik zur selben Unternehmensgruppe gehören: „Nein.“ Und wann habe die Behörde davon erfahren? Antwort: „Die … (beschuldigte Firma, die Red.) ist nach Kenntnis der zuständigen Behörde erst nach der Übernahme der Praxisklinik Mümmelmannsberg durch die SKH Stadtteilklinik Hamburg gegründet worden.“

Auf den Vorwurf, dass Prüfer-Storcks‘ Beamte nie auf die Idee gekommen sind, in den vergangenen Jahren mal selbst in das auffällige Konstrukt hineinzuleuchten, heißt es: Es habe keinen Anlass zur Prüfung gegeben. Und dass die Klinik überhaupt noch im offiziellen Hamburger Krankenhausplan ist? Der örtliche Bedarf in Mümmelmannsberg sei gegeben, so die Behörde. Und: „Es liegen der Behörde keine Erkenntnisse vor, dass Qualitätsstandards nicht erfüllt wurden. Die Kostenträger prüfen in den Entgeltverhandlungen das Vorliegen von Strukturvorgaben.“ Kostenträger – das sind die Krankenkassen.

Parallele zum Fall des verurteilten Apothekers Z.?

Für den Abgeordneten Celik sind das schwammige Ausflüchte. Die Behörde habe nie geprüft, zu welchem Zwecke die Klinik betrieben wurde. „Das ist ein schweres Versäumnis mit möglicherweise fatalen Folgen für die Patienten und für die Solidargemeinschaft.“ Das möglicherweise illegale Geschäftsmodell „hätte die Behörde durch den Entzug der Zulassung als Plankrankenhaus unterbinden müssen“

Celik zieht Parallelen zu dem Fall des wegen bandenmäßigen Betrugs verurteilten Hamburger Apothekers Günther Z. Auch der hatte ein Strohmann-Konstrukt genutzt, um von illegaler Zusammenarbeit zwischen Medizinischem Versorgungszentrum, Zytostatika-Herstellern und Apotheken zu profitieren. Z. wurde zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Z.s Anwalt Johann Schwenn hat Revision eingelegt.

Nach Abendblatt-Recherchen ist einer der damaligen Informanten der Staatsanwaltschaft auch Tippgeber in dem laufenden Ermittlungsverfahren gegen die Firma A.