Hamburg. Hamburger Kripo-Gewerkschaft und CDU sprechen von “Geldverbrennung“, rot-grüner Senat von “strategischer Entscheidung“.
Es sind schwere Vorwürfe gegen den rot-grünen Senat: Im Streit um mangelhafte IT-Ausstattung bei der Polizei sprechen die CDU in der Bürgerschaft und der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) von „Geldverbrennung“ auf Kosten der Steuerzahler und Ermittler. Anlass sind Angaben des Senats, wonach die Hamburger Polizei in diesem Jahr bis zu 500.000 Euro für eine veraltete Software ausgeben muss.
Dabei geht es um das Betriebssystem „Windows 7“ des US-Konzerns Microsoft. Obwohl seit dem Jahr 2012 bekannt war, dass die technische Unterstützung für die Software im Januar 2020 enden würde, ist sie noch auf 8000 Rechnern der Polizei installiert. Für jedes Gerät werden nun pro Jahr 58,90 Euro an Sonderwartungsgebühren an Microsoft fällig – insgesamt also fast eine halbe Million Euro. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator hervor, die dem Abendblatt vorliegt.
Der Fragesteller sieht darin einen eklatanten Fall von Geldverschwendung. „Das hat mit gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun“, so Gladiator. Der Hamburger BDK-Chef Jan Reinecke spricht von einem „Desaster“ und sagt: „Dieser Vorgang ist ein Fall für den Rechnungshof.“
Dataport übernimmt Betrieb der Computertechnik bei der Polizei
In Senatskreisen heißt es, hinter den Zusatzkosten stecke eine „strategische Entscheidung“. Ab dem ersten Quartal 2019 habe man die Aufrüstung auf „Windows 10“ geprüft – und sei im Spätsommer zu dem Schluss gekommen, dass erst der Dienstleister Dataport den Betrieb der Computertechnik bei der Polizei übernehmen solle. Bis spätestens zum Jahresende soll die aktuellere Software nun auf allen Rechnern aufgespielt werden. Nach Angaben von CDU und BDK sei die Entscheidung viel zu spät getroffen worden. Sie kritisieren auch hohe Kosten für spezielle Handys bei der Polizei, die nun ersetzt und vernichtet werden sollen.
Polizeisprecher Timo Zill betonte, dass es bei der Polizei besondere Anforderungen an die Sicherheit der IT-Systeme gebe. „Die Erfüllung dieses hohen Sicherheitsstandards ist für uns oberste Handlungsmaxime“. Dies bedeute aber auch „zeitlich langwierige Prozesse“. Viele Weichenstellungen seien bereits getroffen worden. Die Zusammenarbeit mit Dataport sei sinnvoll, damit die Beamten effektiv arbeiten könnten.
1400 neue Dienst-iPhones im Einsatz
Folgt man den Worten der Polizeiführung, steht die Polizei vor einem großen Sprung in die digitale Zukunft: Noch in diesem Jahr sollen unter anderem 1400 neu angeschaffte Dienst-iPhones mit den Beamten auf Streife gehen, die Internetanschlüsse im Präsidium schneller werden und der externe Dienstleister Dataport den Betrieb der Rechner optimieren. „Wir halten die Zusammenarbeit für sinnvoll, um die Struktur der IT zu entflechten“, sagt der Polizeisprecher Timo Zill.
Zunächst sorgt jedoch der Status quo und teure „Altlasten“ auch innerhalb der Polizei für scharfe Kritik. Die Kosten von bis zu 500.000 Euro im Jahr für das veraltete Betriebssystem Windows 7 hätten leicht vermieden werden können, sagt der Gewerkschafter Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK): „Seitdem bekannt wurde, dass der technische Support von Microsoft auslaufen würde, hat man offenbar sieben Jahre lang geschlafen.“ Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator, der die Zusatzkosten mit seiner Kleinen Anfrage ans Licht brachte, sieht die Polizei noch im „digitalen Mittelalter“. Die Beamten selbst litten am meisten unter der veralteten Technik. „So behandelt man nicht diejenigen, die täglich ihren Kopf für unsere Sicherheit hinhalten.“
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Tatsächlich ist die Umstellung des Betriebssystems auf den mehr als 8000 Arbeitsplatzrechnern der Polizei keine Lappalie. Wegen der speziellen Sicherheitsanforderungen gebe es einen enorm großen Katalog an einzelnen Einstellungen, heißt es aus der Polizeiführung – selbst wenn man also selbstständig alle Computer mit Windows 10 aufgerüstet hätte, müsste der Prozess wohl wiederholt werden, sobald Dataport tatsächlich als alleiniger IT-Dienstleister bei der Polizei fungiert. „Für uns sind in diesem aktuellen Umstellungsprozess handlungsleitend, dass einerseits die Sicherheit an jedem Gerät vollumfänglich gewährleistet wird und andererseits keine unnötigen, weil doppelten Kosten, anfallen“, sagte Polizeisprecher Timo Zill auf Anfrage. „Beide Ziele erreichen wir mit dem aktuell eingeschlagenen Weg.“
In anderen Bundesländern ist Windows 10 längst Standard
Die grundlegende Entscheidung über den IT-Dienstleister liegt ohnehin nicht allein bei der Polizei, sondern auch beim Senat. Wie die CDU und der BDK kritisieren, entstünden die hohen Kosten für die alte Software nun nur, weil die Wahl auf Dataport viel zu spät gefallen sei – obwohl bereits seit 2007 fast alle anderen Behörden und Bezirksämter in Hamburg von dem IT-Konzern versorgt werden.
Aus dem Senat heißt es dazu, man habe das damalige große Umstellungsprojekt nicht noch weiter mit der Polizei-IT „belasten“ wollen, die rund um die Uhr funktionieren muss. Wie aus der aktuellen Senatsantwort hervorgeht, läuft die veraltete Software außer bei der Polizei noch auf 805 weiteren Rechnern – die meisten im Bereich der Kulturbehörde (341 Rechner) und in den Bezirksämtern (166 Rechner). Für diese werden nun ebenfalls Sondergebühren fällig, hochgerechnet rund 47.000 Euro pro Jahr. Unklar ist jedoch, ob Dataport diese Kosten teilweise oder vollständig übernimmt.
Auch bei der Polizei in anderen Bundesländern sei Windows 10 längst der Standard, heißt es vom BDK. Wann alle Rechner der Hamburger Beamten auf das aktuelle Betriebssystem aufgerüstet sein werden, steht noch nicht fest. Pro Woche könne Dataport auf 500 Rechnern das neue Betriebssystem ausrollen, heißt es von der Polizei. Obwohl man sich jüngst mit dem Anbieter auf einen sogenannten Basiskundenvertrag geeinigt hat, steht aber noch eine weitere Prüfungen aus, bevor Dataport die Aufrüstung flächendeckend vollziehen kann. Bis Ende Juni sollen zunächst alle Computer ersetzt werden, „die technisch abgängig sind“ – oder an denen Programme bedient werden müssen, die nur auf Windows 10 funktionieren.
„Seit Jahren wurde kein IT-Projekt erfolgreich abgeschlossen"
Bei der Gewerkschaft BDK hat man aber kaum Zuversicht, dass der Aufbruch in bessere digitale Zeiten unmittelbar bevorsteht. „Seit Jahren wurde kein IT-Projekt erfolgreich abgeschlossen. Und ausgerechnet 2020 soll alles erfolgreich an den Start gehen?“, sagt Jan Reinecke.
Bereits zuletzt hatte der BDK kritisiert, dass die Polizei auch bei der Anschaffung von speziellen Diensthandys kein glückliches Händchen bewiesen habe. 2016 wurden Windows-Phones von Nokia für 100.000 Euro angeschafft, obwohl damals bereits Apple und Samsung den Markt eindeutig beherrschten. Auf Nachfrage des CDU-Abgeordneten Gladiator räumt der Senat nun ein, dass es seitdem durchaus Probleme mit den Geräten gab: Zum einen die für die Beamten „ungewohnte Benutzeroberfläche“, zum anderen eine „mangelhafte Akkulaufzeit“ der Geräte. Der Betrieb der Handys samt spezieller Messenger-App kostete jedoch 672.000 Euro pro Jahr.
Auf Anfrage des Abendblattes nannte die Polizei dies „marktgängige Kosten“, die etwa 40 Euro pro Monat und Gerät entsprächen. „Im Übrigen waren die Geräte und Apps funktionsfähig und wurden produktiv genutzt“. Trotzdem sollen die gut drei Jahre alten Handys in Kürze verschrottet werden, da die Stadt beim Thema der Diensthandys inzwischen auf Apple umgestiegen ist und bereits die erste Charge der iPhones für 1,3 Millionen Euro angeschafft wurden. Trotz der massiven Kritik sieht sich die Polizei damit gut gerüstet.