Hamburg. In Japans Hauptstadt starten Ende Juli die Olympischen Sommerspiele. Das Abendblatt begleitet vier Hamburger Sportler.
Wann es begann mit ihrer Leidenschaft, das wissen die wenigsten genau zu sagen. Meist waren es sportbegeisterte Eltern, die ihre Kinder dabei sein ließen, wenn sie selbst gebannt vor dem Fernseher saßen und all jenen Sporttreibenden die Daumen drückten, die nur alle vier Jahre einmal ins Rampenlicht rücken. Olympische Spiele üben seit jeher einen besonderen Reiz aus auf Menschen, die Sport in seiner Gesamtheit lieben. Aber nur bei wenigen hinterlassen die ersten olympischen Erlebnisse einen solch tiefen Eindruck, dass sie beschließen, alles dafür zu geben, um irgendwann nicht mehr nur vor dem Fernseher mitzufiebern, sondern Teil des größten Sportereignisses der Welt zu werden.
Trotz aller Kritik am Gigantismus und den teils ausufernden Kosten, die Gastgeberstädten aufgebürdet werden; trotz der Ablehnung, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in den vergangenen Jahren für seine Pläne, Winter- und Sommerspiele wieder hierzulande auszurichten, erfahren hat – zuletzt im November 2015 beim verlorenen Referendum über die Ausrichtung der Sommerspiele 2024 oder 2028 in Hamburg: Für Tausende Sportlerinnen und Sportler in Deutschland bleiben Olympische Spiele das Lebensziel, die Endstation ihrer Sehnsucht. Aktiv dabei zu sein, wenn die ganze Welt einmal alle vier Jahre bis in die Nischen des Leistungssports schaut, das ist für viele Athletinnen und Athleten der Antrieb dafür, jeden Tag im Training an ihre Grenzen zu gehen.
Warum tun sie das? Was sind die Beweggründe dafür, Teile der Jugend zu opfern für diese 16 Tage olympischen Zaubers? Welche Entbehrungen nehmen die Kandidaten auf sich auf ihrem Weg zu den Spielen? Wie bereiten sie sich vor, was macht eine solch prägende Phase emotional mit einem Menschen – und was bleibt von dem Erlebnis? Das Abendblatt begleitet vier Hamburger Athleten in einer im Acht-Wochen-Rhythmus erscheinenden Serie bis zwei Monate nach den Sommerspielen in Japans Hauptstadt Tokio, die in knapp einem halben Jahr, am 24. Juli, beginnen. Zum Auftakt geht es um die Fragen, die am Anfang einer jeden Sportlerkarriere stehen: Warum Olympia? Und wie komme ich hin?
Torben Johannesen, Rudern
Manchmal, wenn er einfach nur bei seiner Freundin Kristin bleiben oder in seiner Wohnung in Rotherbaum faulenzen möchte, stellt sich Torben Johannesen die Frage nach dem Warum auch. Die Pendelei von Hamburg zum Bundesstützpunkt der Riemenruderer in Dortmund, wo der 25-Jährige vom RC Favorite Hammonia seinen Trainingsalltag verbringt, raubt viel Kraft. Doch darüber zu klagen, das käme ihm nicht in den Sinn, schließlich stammt sein Vorbild aus der eigenen Familie. Als sein Bruder Eric (31), der nach seiner Ausbootung im vergangenen Jahr nun in Hamburg als Nachwuchstrainer arbeitet, 2012 in London Gold mit dem Achter gewann, war Torben als Fan dabei. Und in diesem Moment wusste er: „Das will ich auch!“
Den Glauben daran, es auch tatsächlich schaffen zu können, den hat der Lehramtsstudent (Physik und Sport), der sein Studium im Olympiajahr ruhen lässt und auch von seinen dienstlichen Pflichten als Sportsoldat befreit ist, seit vier Jahren. 2016 stand er in Rio de Janeiro als Ersatzmann für das Paradeboot des Deutschen Ruderverbands (DRV) im Kader. Ein Jahr später gewann er mit dem Achter seine erste von mittlerweile drei WM-Goldmedaillen.
„Seitdem ich fest zum Team zähle, bin ich überzeugt davon, dass ich in Tokio meine ersten Spiele als Aktiver erleben werde“, sagt er. Die Erfahrungen aus London und Rio dürften ihm helfen, glaubt Hamburgs Sportler des Jahres von 2017, 2018 und 2019, mit den Eindrücken, die auf Olympiadebütanten einprasseln, besser umzugehen. „Ich denke, dass ich mich von den äußeren Einflüssen nicht beeindrucken lassen werde, sondern mich voll auf unser Ziel fokussieren kann“, sagt er.
Dieses Ziel ist eindeutig definiert. „Silber wäre angesichts der Erfolge der vergangenen drei Jahre eine Niederlage“, sagt Johannesen. Ein enormer Leistungsdruck ist das, den sich Deutschlands beste Ruderer aber vor allem selbst auferlegen. „Es ist unser Anspruch, in jedem Rennen ganz vorn zu sein. Und wir trainieren nicht nur körperlich, sondern auch im mentalen Bereich sehr hart dafür, um diesem Druck standhalten zu können“, sagt er. Der Respekt vor Olympischen Spielen sei allerdings deutlich größer als vor einer WM. „Olympia ist eben nur alle vier Jahre, es ist das größte Sportereignis der Welt, und diese vielleicht einzigartige Chance zu haben, von der man immer geträumt hat, sorgt definitiv für noch mehr Anspannung.“
Das Ticket für Tokio löste der Achter im August vergangenen Jahres mit dem Triumph bei der WM in Linz (Österreich). Bis auf Steuermann Martin Sauer (37/Berlin) hatte jedoch bis zum vergangenen Dienstag kein Mitglied der Crew seinen Platz sicher. Die Sportler mussten sich im Trainingslager in Montemor (Portugal) bei einem internen Ausscheidungsrennen im Zweier ohne Steuermann qualifizieren.
Torben Johannesen und sein Partner Johannes Weißenfeld (25/Herdecke) belegten hinter Richard Schmidt (32/Trier) und Malte Jakschik (26/Bonn) den zweiten Platz im A-Finale und schafften damit die Grundlage dafür, in Tokio im Boot sitzen zu dürfen. „Ganz zufrieden war ich nicht, denn wir hatten uns den Sieg vorgenommen. Aber wichtig ist, dass wir bei Olympia dabei sind“, sagt Johannesen, der am vorvergangenen Freitag beim Ergometertest in Dortmund seine Bestzeit von 5:53 Minuten um sieben Zehntelsekunden verpasst hatte. Riemen-Bundestrainer Uwe Bender, der sein Team offiziell am 2. April in Dortmund vorstellen wird, sagt: „Torben ist ein sehr fleißiger und fokussierter Sportler, der alles dafür tut, sich stetig zu verbessern und seine Ziele zu erreichen.“
An diesem Sonntag reist der Riemen-Nationalkader ins nächste zwölftägige Trainingslager nach Lago Azul (Portugal). Anschließend wird drei Wochen in Dortmund geschuftet, bis es Anfang März für zweieinhalb Wochen ins italienische Gavirate geht, Johannesens Lieblingscamp. „Da passt einfach alles: das Ruderrevier, das Hotel, das Essen und meist auch das Wetter. Für mich ist es das optimale Trainingslager“, sagt er.
Das gilt natürlich umso mehr, seit er weiß, dass die Schinderei auf seiner Backbord-Position dem Ziel dient, seine erste olympische Goldmedaille zu gewinnen. Zweifel daran scheinen auch seine Eltern nicht zu hegen. Sie haben ihre Reise nach Japan inklusive der Tickets für den Achter-Endlauf bereits gebucht.
Julia Mrozinski, Schwimmen
So weit ist es bei Familie Mrozinski noch nicht. Die Eltern waren beide Leistungsschwimmer und wissen aus Erfahrung, dass es für ihre Tochter Julia, die in zwei Wochen 20 Jahre alt wird, nicht hilfreich wäre, noch mehr Druck zu verspüren als den, den sie sich ohnehin selber macht. Deshalb haben sie beschlossen, die Flüge nach Tokio erst zu buchen, wenn es sicher ist, dass ihr älteres Kind – Julias 13 Jahre alte Schwester Lara schwimmt ebenfalls – auch im Becken zu bewundern sein wird.
Julia Mrozinski hatte keine Chance, dem Thema Olympia zu entkommen. „Meine ersten Spiele waren die in Sydney 2000, die habe ich als Baby auf dem Arm meiner Eltern erlebt, die alles im Fernsehen geschaut haben“, sagt die Freistilspezialistin, die 2015 aus Frankfurt am Main an den Hamburger Stützpunkt wechselte und seitdem für die SGS Hamburg startet. Ihr eigenes Schlüsselerlebnis hatte sie 2012, als sie mit der US-Rückenspezialistin Missy Franklin mitfieberte, die bei den Spielen in London als damals 16-Jährige vier Goldmedaillen gewann. „Sie hat so eine unglaubliche Freude und Positivität ausgestrahlt, dass ich gedacht habe: Wenn Olympia solche Gefühle möglich macht, dann will ich dort auch unbedingt hin.“
Dass sie dieses Ziel bereits im Sommer erreichen wird, davon ist Veith Sieber überzeugt. Der leitende Coach am Hamburger Stützpunkt trainiert Mrozinski seit ihrem Wechsel vor vier Jahren. Er sagt: „Seit sie bei uns ist, ist ihre Entwicklung total positiv. Sie hat alle wichtigen internationalen Jugendturniere absolviert und im vergangenen Jahr ihr WM-Debüt im Erwachsenenbereich gegeben. Sie ist sehr trainingsfleißig und ein richtiges Wettkampftier. Es zeichnet sie aus, dass sie mitdenkt und verstanden hat, wie sie trainieren muss.“
Ihr bislang schönstes Karriereerlebnis hatte die Hessin, der man die Herkunft überhaupt nicht anhört, 2015 bei der Jugend-EM im Rahmen der Europaspiele in Baku (Aserbaidschan), als sie die 200 Meter Schmetterling gewann. Den Wechsel zum Freistil vollzog sie, weil sie sich 2018 bei einem Unfall im Anschlag schwer am rechten Arm verletzte. Im Kraul qualifizierte sie sich für die Olympischen Jugendspiele 2018 in Buenos Aires (Argentinien). „Das war ein toller Vorgeschmack. Die Erfahrungen, die ich im Athletendorf und der Mensa gesammelt habe, haben mich in meinem Willen bestärkt, es unbedingt zu den richtigen Spielen zu schaffen“, sagt sie.
Als Mitglied der 4x200-Meter-Freistilstaffel hatte Julia Mrozinski einen gewichtigen Anteil daran, dass sich Deutschland mit Rang acht bei der WM im Juli 2019 im südkoreanischen Gwangju die Startberechtigung für Tokio sicherte. Das bedeutet aber nicht, dass das Quartett in derselben Besetzung wie bei der WM auch bei Olympia ins Wasser springt. Jede Kandidatin muss im Zeitraum bis Ende April die vom Deutschen Schwimmverband geforderten Normzeiten erfüllen. Über 100 Meter Freistil liegt diese bei 54,10 Sekunden, über die doppelte Distanz bei 1:57,20 Minuten. Das ist jeweils rund eine Sekunde schneller als die bisherigen Bestzeiten, die Julia Mrozinski aufweisen kann (55,19/1:58,28).
Deshalb jedoch zu verzagen, dazu sieht die 178 Zentimeter große Athletin keinerlei Veranlassung. „Ich bin überzeugt davon, dass ich beide Normen knacken kann, weil wir zielgerichtet darauf hintrainieren. Unser Ziel ist, dass ich nicht nur in der Staffel, sondern auch in den Einzelrennen starten kann“, sagt sie. In den Einzelrennen sind maximal die zwei besten Schwimmerinnen einer Nation teilnahmeberechtigt.
Zwei Wettkämpfe haben sich Sieber und Mrozinski ausgeguckt, um die Normzeiten anzugreifen: Mitte April im niederländischen Eindhoven und Ende April bei den deutschen Meisterschaften in Berlin. Bis dahin steht bis zum 25. März Training im Dulsbergbad an, anschließend geht es bis zum 5. April ins Trainingslager nach Teneriffa. Die Eliteschule des Sports am Alten Teichweg toleriert die für die Olympiavorbereitung anfallenden Fehlzeiten, da Julia Mrozinski die sogenannte Streckerklasse besucht, die das Abitur innerhalb von 14 Jahren ermöglicht. 2021 will sie ihren Abschluss machen.
Mit der Realität, dass die im internationalen Vergleich hinterherschwimmenden Deutschen in Tokio nur geringe Medaillenaussichten haben, hat sich Julia Mrozinski abgefunden, auch wenn sie mit den bisweilen undurchsichtigen Methoden der Konkurrenz hadert. Für sie zählt noch das alte olympische Motto „Dabeisein ist alles“. Und sie findet, dass es selbst ohne Aussicht auf Edelmetall lohnt, dafür alles zu geben, was sie hat.
Julius Thole, Beachvolleyball
Alles zu geben, was er hat, das kann sich Julius Thole tatsächlich für die olympischen Wettbewerbe im Sommer aufsparen. Als Einziger aus dem Abendblatt-Athletenquartett hatte der Beachvolleyballer vom Eimsbütteler TV die persönliche Startberechtigung für Tokio bereits in der Tasche. Mit seinem Partner Clemens Wickler (24) steht der 22-Jährige im Olympia-Ranking an Position drei und hat so viele Punkte gesammelt, dass ein Platz unter den besten 24 Paaren der Welt gesichert ist. National ist das Duo spätestens seit dem Gewinn der Silbermedaille bei der Heim-WM in Hamburg Anfang Juli vergangenen Jahres die klare Nummer eins.
Die Erfahrungen, die er im WM-Hexenkessel am Rothenbaum gemacht hat, hält Julius Thole für essenziell. „Ich habe großen Respekt vor Olympischen Spielen. Alle sagen, dass sie einen mit ihrer Wucht überrollen. Aber wenn ich überlege, wie emotional die WM in Hamburg für uns war, dann könnte sie eine gute Vorbereitung für Tokio gewesen sein“, sagt er. Jürgen Wagner, der 2012 in London Julius Brink/Jonas Reckermann sowie 2016 in Rio de Janeiro Laura Ludwig/Kira Walkenhorst zu Olympiagold coachte und der Thole/Wickler als Berater zur Seite steht, teile diese Einschätzung. „Er hat gesagt, dass die WM uns in allen Belangen weiterhelfen wird.“
Brink und Reckermann waren für Thole, der sein Jurastudium im Olympiajahr unterbrechen wird, Wegbereiter des olympischen Traums. „Ihr Finalsieg war der prägendste Olympiamoment für mich. Mit meinen Eltern habe ich zwar schon als Kind Olympia im Fernsehen verfolgt. Aber als die beiden in London Gold holten, war das für mich der Anstoß zu sagen, dass ich das auch will“, erinnert er sich. Tatsächlich die Chance dazu zu bekommen habe er lange nicht für möglich gehalten.
Erst mit 17 Jahren war er vom Hallenvolleyball, wo er in der Zweiten Liga für die SVG Lüneburg spielte, dauerhaft in den Sand gewechselt. „Seitdem habe ich den Willen entwickelt, zu Olympia zu kommen“, sagt der 2,06-Meter-Mann, dem lange Zeit viele Beobachter attestierten, körperlich nicht gut genug konstituiert zu sein, um die Weltspitze abblocken zu können. Seit der Saison 2017/18 jedoch, in der er sich mit dem als weltbester Abwehrspieler geltenden Wickler zusammentat, sei in ihm die Überzeugung gereift, es nach ganz oben schaffen zu können.
„Allerdings war ich immer vorsichtig im Formulieren großer Ziele, deshalb hatten wir auch Olympia 2024 in Paris als Ziel angepeilt“, sagt er. Nun wird es also vier Jahre früher Zeit, sich Träume zu erfüllen. Die Vorbereitung auf Japan läuft, der Zeitplan steht. Bis kommenden Mittwoch wird auf Fuerteventura trainiert, vom 10. Februar an geht es für drei Wochen nach Rio, um dort mit der außereuropäischen Elite zu üben. Vom 11. bis 14. März steht in Doha (Katar) das erste Turnier des Jahres 2020 an. „Wir haben die komfortable Situation, dass wir keinen Druck mehr haben, die Quali noch schaffen zu müssen“, sagt er.
Niclas Hildebrand, Sportdirektor im Deutschen Volleyball-Verband (DVV), hält das für einen wichtigen Faktor. „Dadurch können sie die Vorbereitung so ausrichten, dass sie auf den Punkt topfit in Tokio aufschlagen werden. Das hilft besonders Julius, der seine Athletik und Physis so gut entwickelt hat, dass er deutlich länger auf höchstem Niveau durchhält. Er hat auch seine Schwächen in Block und Aufschlag ausgemerzt und ist auf absolutem Weltspitzenniveau angekommen“, sagt er. Dennoch dürfe man die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. „Als Vizeweltmeister spielt man zwar um die Medaillen, aber es gibt bis zu 15 Teams, die das auch tun.“
Julius Thole hat sich bei allem Ehrgeiz vorgenommen, seine ersten Spiele mit Wickler, der ebenfalls Debütant ist, auch zu genießen. Die Eltern, Bruder Konrad, seine Freundin – alle haben die Reise nach Japan bereits gebucht. „Mein Opa hat mir einen Bilderkalender von Tokio geschenkt, von meiner Mutter habe ich japanische Souvenirs bekommen. Ich fliege also auch abseits des Sports gut vorbereitet nach Japan“, sagt er.
Amelie Wortmann, Hockey
Bestens vorbereitet würde auch Amelie Wortmann in Tokio antreten, immerhin war sie im November 2018 schon in Japans Hauptstadt, um sich mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Aber noch steht auch für die Hockeyspielerin vom Uhlenhorster HC nicht fest, dass sie tatsächlich im 16 Spielerinnen umfassenden Aufgebot von Bundestrainer Xavier Reckinger Platz findet. „Die mentale Belastung, nicht zu wissen, ob man dabei ist, empfinde ich als hart“, sagt die 23 Jahre alte Mittelfeldspielerin, die sich auch nicht auf die Meinung vieler Experten verlassen will, die glauben, dass Reckinger auf seine Spielgestalterin kaum verzichten kann. Der Belgier sagt: „Amelie hat sich in den vergangenen Monaten sehr gut entwickelt und spielt in unserem Team eine wichtige Rolle.“
Tatsächlich, das tut die Psychologiestudentin, die beim THC Rot-Gelb und im Großflottbeker THGC das Hockeyspielen erlernte. Dies in der Nationalmannschaft tun zu können, habe sie erst geglaubt, nachdem im Kader nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Rio 2016 ein Umbruch nötig wurde. „Ein Traum war Olympia für mich immer, aber erst 2016 habe ich daran geglaubt, dass ich es schaffen kann“, sagt sie. Und weil sie bei der WM 2018 und der EM 2019 im Kader stand, scheint Tokio nun ein realistisches Ziel zu sein.
Sich jetzt schon explizit damit zu befassen hält Amelie Wortmann nicht für zielführend. „Natürlich steht dieses Jahr im Zeichen der Spiele, das spiegelt sich im Alltag wider, weil wir deutlich mehr Termine haben. Aber für uns alle geht es erst einmal darum, unseren Platz im Kader zu sichern“, sagt sie. Das geht am besten mit überzeugenden Auftritten im Nationenwettbewerb Hockey Pro League, der für die deutschen Damen am 19. März in Mönchengladbach gegen Belgien beginnt. Aber auch die Leistungen in den Trainingslagern in Stellenbosch (Südafrika), das an diesem Wochenende zu Ende geht, und Valencia (Spanien/17. bis 27. Februar) werden in die Nominierung einfließen, die Reckinger voraussichtlich Ende Mai bekannt geben wird.
Bis dahin heißt es für Amelie Wortmann, sich in Geduld zu üben. Ihr Studium bietet ebenso Abwechslung für den gestressten Geist wie die regelmäßigen Yogastunden, die die deutschen Hockeydamen gemeinsam absolvieren. Überhaupt ist sie glücklich darüber, in Hamburg in einem großen Kreis weiterer Olympiakandidatinnen trainieren zu können. „Mir hilft es sehr, dass da zehn andere Mädels sind, die das Gleiche erleben. Da kann man sich austauschen und gegenseitig motivieren, auch wenn wir Konkurrentinnen sind. Durch so einen Prozess wächst man viel mehr zusammen“, sagt sie. Im Kreise einer Mannschaft könne sie zielgerichteter auf einen Höhepunkt wie die Olympischen Spiele hinarbeiten, bei denen ihr Team Medaillenkandidat ist. „Das ist etwas sehr Schönes und Besonderes“, sagt sie. Und genau das soll es sein, dieses Olympia. Aller Kritik zum Trotz.
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