Hamburg. Eine neue Verordnung über das Vorkaufsrecht hat erhebliche Auswirkungen. Kommt jetzt die neue “Wandse-Stadt“ an der S4?

Um eine geordnete Stadtentwicklung an der Magistrale B75 und im Umfeld der geplanten S-Bahn S4 in Wandsbek zu sichern und Grundstücksspekulationen zu verhindern, hat der Hamburger Senat für diesen Bereich eine Vorkaufsrechtsverordnung erlassen.

Das Vorkaufsrecht umfasst in Tonndorf das Gebiet rund um die Stein-Hardenberg-Straße, die Straße Am Pulverhof und den Tonndorfer Weg. Dazu gehört außerdem das Areal zwischen der Brauhausstraße und der S- und Güterbahntrasse im Bezirk Wandsbek.

Hamburg sichert sich Vorkaufsrecht in Wandsbek

Durch die Verordnung ist die Stadt berechtigt, im Falle des Verkaufes von Grundstücken diese vorrangig zu erwerben. Nach dem Ankauf kann sie eine Fläche dann wiederum zur gewerblich-industriellen Nutzung an Dritte weiterveräußern. Damit soll eine Gefährdung des Stadtentwicklungskonzepts in diesem Bereich verhindert werden.

"Beim Wohnungs- und Gewerbebau entlang der neuen S4 in Wandsbek sollen Stadt und Bürger gewinnen – und nicht Spekulanten! Deshalb hat der Hamburger Senat jetzt eine Vorkaufsrechts-Verordnung erlassen, damit wir intervenieren und den städtischen Einfluss sichern können", schreibt Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dazu bei Twitter.

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Ideen für B75 ohne Verordnung gefährdet

Auch die im Bauforum 2019 entwickelten Ideen für die B75 sollen durch das Vorkaufsrecht gesichert werden, so Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). Diese wurden im August 2019 von Architekten und Stadtplanern für insgesamt sieben Hauptverkehrsstraßen erarbeitet. "Dabei ist deutlich geworden, welche Potenziale in den Räumen entlang der großen Ausfallstraßen unserer Stadt stecken. Auch für den Raum an der B75 in Wandsbek wurden viele spannende Nutzungsmöglichkeiten zwischen Wandse, B75 und der kommenden S4 erarbeitet", sagte Stapelfeldt.

Im Vordergrund stehe, die Wandse mit der Straße und der S-Bahn-Linie zu verknüpfen, sagte Oberbaudirektor Franz-Josef Höing nach dem Bauforum dem Abendblatt. Vorschlag dafür war, eine sogenannte Wandse-Stadt zu entwickeln. "Der Wandse-Grünzug muss aufgewertet werden. Es gab Ideen für den Platz vor der Christuskirche und einen wirklichen Wandsbeker Marktplatz", so Höing. Die Vorkaufsrechtsverordnung helfe dabei, das Gebiet entsprechend entwickeln und die nächsten Schritte einleiten zu können.

Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), lobte die Verordnung: "Alles, was der Stadt hilft, Grundstücke für den Bau bezahlbarer Wohnungen bereitzustellen, ist sinnvoll und richtig. Bei den Baugrundstücken sind die reifen Früchte gepflückt. Hamburgs künftige wohnungsbauliche Entwicklung wird sich daher auch an den Magistralen entscheiden. Insofern baut die Stadt mit ihrer Verordnung nur vor."

Senat kämpft gegen Mietenanstieg

Im vergangenen Jahr hatte der Senat sein Vorkaufsrecht bereits für drei Grundstücke samt Immobilien in Ottensen und auf St. Pauli genutzt – in diesem Fall jedoch, um Anwohner vor steigenden Mieten und Verdrängung zu schützen. Alle drei Immobilien liegen in Gebieten mit einer „Sozialen Erhaltungsverordnung“. In diesen Quartieren gelten zum Schutz der Bevölkerung strengere Regeln. „Wir halten Wort beim Einsatz für Mieterschutz und gegen Verdrängung“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) damals.

So müssen etwa Modernisierungen, die zu Mieterhöhungen führen können oder die Umwandlung von Mietwohnungen in gewerblich genutzte Räume oder Eigentumswohnungen genehmigt werden. Potenzielle Käufer von Immobilien müssen sich in einer „Abwendungsvereinbarung“ zur Einhaltung dieser Ziele verpflichten.

Im November 2018 hatte der Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) erstmals ein Wohnhaus aufgekauft, einen Altbau an der Hein-Hoyer-Straße auf St. Pauli. Im Frühjahr 2019 nutzte die Stadt erneut ihr Vorkaufsrecht und erwarb vier weitere Grundstücke im Schanzenviertel und in Ottensen.

Vorkaufsrecht beim Bahnhof Altona rechtswidrig?

Auch beim Bahnhof Altona übt der Senat sein Vorkaufsrecht aus. Damit will sich die Stadt nicht nur eine Immobilie sichern, sondern auch die Gegner der Verlegung des Bahnhofs zum Diebsteich besänftigen. Nur der neue Bahnhof macht eine weitere Wohnbebauung des Altonaer Bahngeländes möglich.

Der Hamburger Baurechtsexperte Peter Oberthür hält die Ausübung des Vorkaufsrechts jedoch für rechtswidrig. Denn im Fall des Bahnhofs seien auch Erbbaurechtsgrundstücke betroffen. „Aus dem Wortlaut des Paragrafen 24 des Baugesetzbuches ergibt sich eindeutig, dass dem Senat ein Vorkaufsrecht beim Kauf eines Erbbaurechtsgrundstücks nicht zusteht“, so Oberthür zum Abendblatt.

Erbbaurechtsgrundstücke vor Vorkaufsrecht der Stadt geschützt

Der Rechtsanwalt stützt damit die Argumentation der Volksbank Braunschweig Wolfsburg (Brawo), die den Bahnhof Altona eigentlich erwerben wollte. Sie hatte bereits Widerspruch gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts eingelegt. Das Geldinstitut ist ebenfalls der Ansicht, dass ein Vorkaufsrecht bei Erbbaurechtsgrundstücken nicht möglich sei.

Der Senat sieht die Ausübung des Vorkaufsrechts nach einer Prüfung des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) jedoch als rechtmäßig an. Grund sei, dass zusammenhängende Flächen verkauft wurden, zu denen auch Grundstücke ohne Erbbaurecht gehören.