Hamburg. Es steht so gut wie fest: Birgit Voßkühler wird Präsidentin des Verfassungsgerichts, Anne Groß übernimmt das Amt am OVG.

Zwei Frauen erobern Top-Positionen der Hamburger Justiz: Birgit Voßkühler, Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts, soll in Personalunion Präsidentin des Hamburgischen Verfassungsgerichts werden. Anne Groß, bislang Vizepräsidentin des Oberverwaltungsgerichts, dürfte auf den Präsidenten-Posten rücken. Die beiden Frauen folgen auf Friedrich-Joachim Mehmel, der Ende Januar pensioniert wird.

Die 57 Jahre alte Birgit Voßkühler wird die erste Frau an der Spitze des höchsten Hamburger Gerichts sein. Verfassungsrichter werden von der Bürgerschaft gewählt. Nachdem der rot-grüne Senat die Juristin für den Posten vorgeschlagen hat, gilt ihre Wahl als sicher. Nach Abendblatt-Informationen haben sich die Fraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP auf die Personalie verständigt. Üblicherweise wird der Spitzenjob der Justiz mit einer breiten Mehrheit der Abgeordneten gewählt, um die Überparteilichkeit zu betonen.

Voßkühler behält Amt am Landesarbeitsgericht

Derzeit ist noch offen, ob die Wahl bereits wie geplant auf der nächsten Sitzung am 29. Januar erfolgen kann. Zu diesem Zeitpunkt ist Mehmel noch im Amt. Alternativ könnte die Bürgerschaft Voßkühler auch am 12. Februar, in der letzten Sitzung des Landesparlaments vor der Bürgerschaftswahl, wählen.

Das Verfassungsgericht ist kein Präsenzgericht, sondern tritt nur zusammen, wenn es etwa von den Verfassungsorganen Senat oder Bürgerschaft angerufen wird. Voßkühler wird also auch im Falle ihrer Wahl zur Präsidentin des Verfassungsgerichts weiterhin Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts bleiben.

Die parteilose Juristin ist seit März 2016 Mitglied des Verfassungsgerichts und war Berichterstatterin im Verfahren wegen des Volksbegehrens „Rettet den Volksentscheid“. Die einstimmige Entscheidung des Gerichts, die Initiative als verfassungswidrig zu bewerten, war nicht nur von Abgeordneten als Stärkung der parlamentarischen Demokratie angesehen worden.

In Justiz und Politik unumstritten

Voßkühler ist seit ihrer Ernennung zur Richterin 1996 auf unterschiedlichen Positionen der Arbeitsgerichtsbarkeit tätig und engagiert sich außerdem in der Ausbildung des juristischen Nachwuchses. Sie ist ausgebildete Mediatorin und hat das Projekt „Gerichtsinterne Mediation“ bei den Arbeitsgerichten geleitet.

„Aufgrund ihrer hohen juristischen Fähigkeiten, ihrer langjährigen richterlichen Tätigkeit … sowie als … Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts ist Frau Voßkühler in besonderem Maße für das Amt der Präsidentin des Hamburgischen Verfassungsgerichts geeignet“, heißt es in dem Senatsantrag. Die Amtsperioden der Verfassungsrichter dauern sechs Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich.

Auch Groß erste Frau im Präsidenten-Amt

Auch die zweite Top-Personalie gilt als unumstritten: Der in diesem Fall zuständige Richterwahlausschuss wird Anne Groß voraussichtlich auf seiner Sitzung am 26. Februar zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (OVG) wählen – ebenfalls als erste Frau.

Das Datum drei Tage nach der Bürgerschaftswahl ist in diesem Fall von gewisser Bedeutung. Justizsenator Till Steffen (Grüne) hatte in der Sitzung des Ausschusses im September zunächst darauf bestanden, den Posten nicht kurz vor der Bürgerschaftswahl neu zu besetzen und eine Ausschreibung für die Mehmel-Nachfolge daher abgelehnt.

Vor allem die sogenannte Richterbank im Ausschuss hatte darauf gedrängt, für einen möglichst nahtlosen Übergang beim Leitungsposten des Gerichts am Lübeckertordamm (St. Georg) zu sorgen. Eine Vakanz von sechs Monaten oder mehr sei auch angesichts der Personalengpässe im Oberverwaltungsgericht nicht hinnehmbar.

Nur eine Bewerbung für den Präsidenten-Job

Steffen berief sich auf einen Comment – also eine nicht schriftlich fixierte allgemeine Übereinkunft –, nach dem in Hamburg wichtige Spitzenpositionen der öffentlichen Verwaltung sechs Monate vor der Bürgerschaftswahl nicht neu besetzt werden dürften. So soll verhindert werden, dass noch schnell vor einer Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse Parteifreunde auf lukrative Posten gehievt werden können. Doch mit dieser Position stand Steffen zumindest in diesem Fall ziemlich allein – auch die Vertreter der SPD, CDU und der Linken folgten der Argumentation der Richterbank.

Anne Groß, die Vorsitzende Richterin des sechsten OVG-Senats ist und viele Jahre Gerichtssprecherin war, wurde schon damals als Favoritin gehandelt und war im Richterwahlausschuss unumstritten. Das mag letztlich dazu beigetragen haben, dass sich Steffen entschloss, die Ausschreibung für den Posten doch zu starten. Nach Abendblatt-Informationen gab es nur eine Bewerbung für den Präsidenten-Job – eben die von Anne Groß.

Nächste wichtige Entscheidung im Sommer

Wenn nun die Wahl der parteilosen Richterin im Ausschuss kurz nach der Bürgerschaftswahl erfolgt, sind Steffens Bedenken ausgeräumt. Im März oder April könnte der neue Senat, welche Parteien ihn auch immer stellen, Groß dann berufen – oder es lassen.

Der 67 Jahre alte Mehmel ist seit 2014 Präsident des Oberverwaltungsgerichts und seit 2016 Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichts. Wer immer die Justizbehörde nach der Bürgerschaftswahl leitet, steht als Senator oder Senatorin schon bald vor einer weiteren wichtigen Personalentscheidung im Bereich der Justiz. Mitte des Jahres wird Erika Andreß, die seit 2007 Präsidentin des Oberlandesgerichts ist, in den Ruhestand verabschiedet.