Hamburg. Die GdP wirft der Ökopartei Misstrauen gegen Sicherheitsbehörden vor. “Ganzer Berufsstand unter Generalverdacht“.

Es ist ein Frontalangriff auf die innen- und sicherheitspolitische Kompetenz der Hamburger Grünen – nur einen Monat vor der Bürgerschaftswahl: Erst klagte am Freitag die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in einem derart ruppigen Ton über den Plan der Grünen zur Einführung eines Polizeibeauftragten, dass sich die Partei zu einer messerscharfen Replik veranlasst sah. Dann, am Montag, folgte schon die nächste Verbalgrätsche: Daniel Stricker, Leiter des Büros von Bürgermeister Peter Tschen­tscher (SPD), veröffentlichte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter einen Tweet, den er mit dem Hashtag „Grün ist gewaltbereit“ versah – er spielte damit auf Pläne der Hamburger Grünen an, das Vermummungsverbot bei Demonstrationen von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sprach von einer „unfassbaren Entgleisung“. Stricker hat den Tweet inzwischen gelöscht.

Wie vergiftet das Klima zwischen der Regierungspartei und der polizeilichen Interessenvertretung ist, dokumentieren zwei GdP-Mitteilungen, die sich lesen wie eine Wutschrift. Sah GdP-Landeschef Horst Niens im ersten, am Freitag veröffentlichten Papier die Einführung eines Polizeibeauftragten als weiteren Beleg für das Misstrauen der Grünen gegen die Hamburger Polizei, setzte der Top-Gewerkschafter am Montag noch nach. Linke und Grüne seien „einig im Kampf gegen die Polizei“ und stellten einen „ganzen Berufsstand unter Generalverdacht“, hieß es da. Hinzu komme die „latente Unterstellung“, die Justiz würde bei vermeintlichen Straftaten von Polizisten „nicht konsequent“ ermitteln.

Grüne Spitze spricht von „polemischer Kritik“

Den vor allem mit polizeilichen Themen befassten Experten beider Parteien sprach Niens zudem die Kompetenz ab: „Meinung ohne Ahnung ist hier wohl das tatsächliche Programm.“ Auch erkenne die GdP im Eintreten der Grünen für ein abgeschwächtes Vermummungsverbot sowie eine Verstetigung der Kennzeichnungspflicht für Beamte „nur den Versuch, die Polizei schlechtzureden und politisch extremen Randgruppen Rücken­deckung zu geben“. Die Partei zeige ihr „polizeifeindliches Gesicht“ und betreibe Wahlkampf, indem sie gegen die Polizei hetze.

Bereits am Freitag reagierte die grüne Spitze reichlich vergnatzt und sprach von „polemischer Kritik“. Im Gegensatz zu anderen GdP-Landesverbänden, die sich konstruktiv mit der Rolle eines Polizeibeauftragten beschäftigten, lehne die Hamburger GdP eine derartige Beschwerdestelle pauschal als „Instrument des Misstrauens“ ab – und zwar in einem „derart diffamierenden Ton“, dass es schwerfalle, den sachlichen Gehalt ernst zu nehmen, sagte Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion.

Unabhängiger Ansprechpartner für Bürger

Wie es im Wahlprogramm der Grünen heißt, soll der geplante Polizeibeauftragte als unabhängiger Ansprechpartner für Bürger und Polizeibeamte fungieren. Für nahezu alle Behörden, so Möller, sei eine solche Beschwerdestelle selbstverständlich. „Jugendamt, Jobcenter, Krankenkasse, Kindergeldstelle, alle haben Beschwerdemöglichkeiten, ohne dass irgendjemand unterstellt, hiermit würde ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Arbeit der dort Beschäftigten intendiert“, so Möller. Auch Hamburgs Polizei müsse „sich den Erwartungen an mehr Transparenz und Kritikfähigkeit als Organisation stellen“.

„Auch die Polizei muss sich den Erwartungen an mehr Transparenz und Kritikfähigkeit als Organisation stellen.“

Antje Möller (Grüne)

Die GdP hält davon nichts: „Die Möglichkeiten des Straf-, Dienst- und Disziplinarrechts sind vollkommen ausreichend, um widerrechtliches Handeln der Polizei zu ermitteln“, sagt Horst Niens. Hamburg benötige keine zusätzliche Kontrollinstanz. In Schleswig-Holstein, wie in mehreren anderen Bundesländern, gibt es eine derartige Position jedoch schon länger. So kümmert sich die unabhängige Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni seit 2016 in Kiel um Beschwerden gegen die Polizei. Vor allem bekommt sie auch Beschwerden von Polizisten auf ihren Tisch – Hunderte Eingaben, in denen unter anderem Kritik an der polizeilichen Führungskultur und Mobbing-Vorwürfe geäußert werden.

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Keineswegs neu ist auch die Forderung der Grünen, die Vermummung bei Demos nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. In Schleswig-Holstein wird so seit 2015 verfahren. Gleichwohl sorgt der Vorstoß für mächtig Zündstoff. So lehnen die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die GdP in bisher kaum gekannter Eintracht den Plan rigoros ab.

Auch der Passus zur Kennzeichnungspflicht im grünen Wahlprogramm stößt der GdP auf. Seit Oktober 2019 sind behelmte Beamte der Hamburger Bereitschaftspolizei verpflichtet, im Einsatz Individualnummern an der Uniform zu tragen, um identifizierbar zu sein. Zwei Jahre nach der Einführung soll überprüft werden, wie sich die Kennzeichnung in der Praxis auswirkt. Indem die Grünen, wie im Wahlprogramm zu lesen, schon jetzt eine „Verstetigung“ dieser „grundsätzlich sinnvollen“ Regelung forderten, nehme man das Ergebnis der Evaluation vorweg – dies sei ein „Schlag ins Gesicht der Kollegen“, so Niens.