Hamburg. Die Betreiber sprechen von politisch oder religiös motivierten Tätern. Hamburger Lesben- und Schwulenverband in Sorge.
Sie seien in einer Gruppe gekommen und hätten sofort randaliert, sagt der Mitarbeiter. Mit Farbe quer über die Regale mit Sex-Spielzeug und Filmen gesprüht, herumgeschrien, Ware auf den Boden geworfen. Ein anderes Mal sei es ein einzelner Halbstarker gewesen, der den Mann hinter dem Tresen bespuckte.
„Man steht einfach da und ist fassungslos“, sagt der Mitarbeiter, der lieber nicht namentlich genannt werden will. „Die hassen uns, weil das nicht in ihr Bild passt, dass Männer sich lieben können“.
Mehrere Angriffe auf Sexshop in St. Georg
Die Spuren eines Angriffs sind an diesem Tag am Geschäft New Man City an der Straße Pulverteich noch zu sehen. Kürzlich haben ein oder mehrere Unbekannte einen Teil der Eingangstür zertrümmert. Die Betreiber des Sexshops für Männer gehen davon aus, dass es erneut eine politisch oder religiös motivierte Tat war.
Ein halbes Dutzend Mal habe man in den vergangenen Jahren Angriffe auf das Geschäft erfahren – vielfache Beleidigungen nicht mitgezählt. „Es sind immer junge Männer mit Migrationshintergrund, die wohl nebenan in ihrer Community abhängen und in die Moschee gehen“, sagt der Mitarbeiter.
New Man City liegt – abgesehen von einer knallblauen Fassade – unauffällig in der Seitenstraße nahe dem Steindamm, der von islamischen Gemeinden und türkischen Geschäften geprägt ist. Und St. Georg gilt als Beispiel dafür, dass auch strenggläubige Muslime und Homosexuelle friedlich nebeneinander im selben Viertel leben können.
Lesben- und Schwulenverband in Sorge
Laut dem Hamburger Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kommt es aber wieder vereinzelt zu Spannungen. „Es ist leider nicht mehr so, dass man als schwules Paar noch sorglos Händchen haltend über den Steindamm gehen kann“, sagte der LSVD-Vorstand Wolfgang Preußner dem Abendblatt. „Und natürlich kann man es nicht tolerieren, wenn ein Geschäft angegriffen wird.“
Von der Polizei heißt es auf Anfrage, nur die beschädigte Tür sei zur Anzeige gebracht worden. „Die Ermittlungen dazu dauern an“, sagte Marco Burmester-Krüger, Beauftragter für Schwule, Lesben sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen bei der Polizei. Weitere vermeintlichen Vorfälle seien ihm aber nicht bekannt. „Uns ist klar, dass Scham der Opfer eine Rolle spielt. Wir können aber nur aktiv werden, wenn wir die Fälle auch kennen“.
Verschlechterung der Lage in letzten Jahren
Der Geschäftsführer von New Man City, der ebenfalls anonym bleiben möchte, sagt, eine Strafanzeige würde in den meisten Fällen ohnehin nichts bringen. „Ich möchte die Vorfälle auch nicht dramatisieren. Es tut mir einfach für meine Mitarbeiter leid, die das erdulden müssen“. Der Geschäftsführer sagt, für seinen Betrieb habe sich die Lage insbesondere in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert.
„Die Zeiten, in denen der Steindamm eine Sexmeile war, sind lange vorbei. Es sind auch Menschen dazugekommen, die einfach eine ganz andere Kultur mitbringen. Das prallt aufeinander.“ Er würde auch einem lesbischen Paar nicht empfehlen, im orientalisch geprägten Teil von St. Georg offen seine Liebe zu zeigen.
Kunden schrecken vor "Haram"-Rufen zurück
Aus der Polizeiwache am Steindamm heißt es, dass bekannten Homosexuellen vereinzelt „Haram“ entgegengerufen wird – ein arabisches Wort für alles, was nach dem islamischen Recht verboten ist. „Da hat sich etwas verschoben“, so ein Beamter.
„Natürlich wirkt sich die Stimmung auch so aus, dass einige Kunden nicht mehr herfahren“, sagt der Geschäftsführer von New Man City. In Kabinen im hinteren Teil des Geschäfts werden frivole Filme gezeigt, auch für Männer aus dem Umland sei das Geschäft ein Anlaufpunkt.
Andere homosexuelle Etablissements, etwa die Bar Tom’s Saloon, haben dagegen keine ähnlichen Angriffe erlebt. LSVD-Vorstand Preußner sagt, die Feindseligkeiten träfen einen plötzlich und kämen nicht nur von Migranten. „Ich werde selbst am Hansaplatz manchmal übel beleidigt, weil man weiß, dass ich homosexuell bin – etwa von Prostituierten.“ Seine Vorlieben machten ihn damit zur Zielscheibe. „Und über diese Zeiten sollten wir längst hinweg sein“.
Islamverband richtet klare Worte an Täter
Der Hamburger Islamverband Schura zeigt sich erschrocken über die Berichte der Mitarbeiter von New Man City. „Wir akzeptieren solche Angriffe nicht. Wer es nicht erträgt, dass andere Menschen andere Vorlieben haben, verstößt gegen die Grundregeln unseres Zusammenlebens“, sagte der Schura-Vorstand Mehdi Aroui.
Auch wenn die Feindseligkeiten nur vereinzelt auftreten – von der Langen Reihe sind etwa keine Übergriffe bekannt – müsse man sich klar dagegenstellen. „St. Georg ist ein Viertel, in dem man friedlich miteinander auskommen kann. Ob am Hansaplatz, am Steindamm oder jeder anderen Straße“.
Angriffe aus religiösen Motiven?
Es sei Spekulation, ob die mutmaßlichen Angreifer aus religiösen Motiven gehandelt hätten. Generell hätten die Gemeinden am Steindamm häufiger Probleme mit jungen Flüchtlingen, die dem Alkohol oder Drogen verfielen und Aggression zeigten. „Da findet eine nachgelagerte Pubertät statt“, sagt Aroui.
Man versuche, positiv auf sie einzuwirken. Die Nachbarschaft mit den vielen Homosexuellen in St. Georg werde aber nicht explizit in den Moscheen thematisiert. „Das ist einfach die Realität, die wir auch nicht ändern wollen. Wer dagegen verstößt, ist ein Fall für die Polizei.“
Der dortige Homosexuellen-Beauftragte Marco Burmester-Krüger sagte, ihm seien religiös motivierte Beleidigungen gegenüber Schwulen bekannt. Vermehrte Spannungen in St. Georg hat er jedoch nicht festgestellt. „Wir sind persönlich dort sehr nah dran und achten aktiv darauf“, so Burmester-Krüger.
Farid Müller setzt auf Dialog mit Polizei
Er appelliert an Betroffene, Strafanzeige zu erstatten: „Dann setzen wir auch unsere ganze Kraft darin, die Täter zur Verantwortung zu bringen.“ Auch aus der Politik heißt es, man müsse sich auf die rechtsstaatlichen Mittel gegen Diskriminierung verlassen. „Ich höre mit Sorge von den Entwicklungen bei New Man City“, sagt der queerpolitische Sprecher der Grünen, Farid Müller, der selbst im Viertel lebt.
„Immer wenn es Anfänge von Diskriminierung gibt, muss das im Dialog mit der Polizei bekämpft werden.“ Bereits seit Jahren wünsche er sich, dass die jährliche Parade von Schwulen und Lesben im Rahmen des Christopher Street Days erstmals auch über den Steindamm führe. „Nicht als politisches Zeichen oder als Reaktion auf diese anscheinenden Angriffe“, so Müller. „Sondern einfach als Selbstverständlichkeit in unserer Stadt“.