Hamburg. Im Vergleich der 50 Metropolregionen falle Hamburgs Wirtschaft „kontinuierlich zurück“. Die Autoren formulieren Lösungsvorschläge.
Hamburg nutzt das Potenzial der Wissenschaft als Wirtschaftsfaktor nur unzureichend, obwohl die Hansestadt mehr Schub aus der Forschung für Innovationen und Produktivität gebrauchen könnte – zu diesem Fazit kommt die Berliner Hochschulberatungsfirma CHE Consult in einer Studie im Auftrag der Hamburger Akademie der Wissenschaften.
Zwar habe die Wissenschaft in Hamburg wichtige Fortschritte gemacht und mit der Auszeichnung der Uni Hamburg als Exzellenzhochschule einen großen Erfolg erzielt, schreiben die Autoren. „Dennoch befindet sich Hamburgs Wettbewerbsfähigkeit im Sinkflug“, sagte CHE-Consult-Geschäftsführer Bernd Klöver am Montag.
Bestätigt sehen sich die Initiatoren der Studie. „Das ist eine Erkenntnis, die für die Hamburger schmerzhaft ist, weil sie sich gerne auf sich selber konzentrieren“, sagte Hamburgs früherer CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner. Er hatte 2014 mit Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) und dem früheren Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (Grüne) den Aufruf „In Sorge um Hamburg“ veröffentlicht. Dieser Appell habe zwar „etwas Positives bewirkt“, aber nicht genug, sagte Peiner.
Hamburg solle stärker in Hochschulen investieren
Nun fordern die drei erneut – im Einklang mit der Akademie –, dass die Hansestadt stärker in ihre Hochschulen investieren müsse. Eine zusätzliche Forschungsförderung sollte sich dabei auf die MINT-Fächer (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) konzentrieren, in einem deutlich kleineren Umfang aber auch die Geistes- und Sozialwissenschaften berücksichtigten.
CHE Consult hatte den Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Wissenschaftsförderung in 50 europäischen Metropolregionen untersucht. Dafür analysierten die Autoren neben ökonomischen Daten etwa Kriterien wie Patentanmeldungen, Hochschulausgründungen und Forschungskooperationen mit Unternehmen.
Zudem widmeten die Autoren sich in einer „Tiefenanalyse“ den Regionen Berlin, München, Rhein-Main und Kopenhagen, weil diese „in einem besonderen Wettbewerb zur Metropolregion Hamburg stehen“, wie es in der Studie heißt. Außerdem führten die Autoren in den Vergleichsregionen 25 Interviews mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Zwar seien „manche Vergleiche nur bedingt aussagekräftig“, erklären die Autoren. Allerdings zeigten sich „grundsätzliche Tendenzen, die für das Gesamtbild der heutigen und zukünftigen Lage Hamburgs von Bedeutung sind“.
Hamburgs Wirtschaft falle "kontinuierlich zurück"
Demnach fällt Hamburgs Wirtschaft im Vergleich der 50 Metropolregionen „kontinuierlich zurück“. Bei der Produktivität (Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen) sei Hamburg in der Zeit vom Jahr 2000 bis 2016 von Platz sieben auf Platz 17 abgestiegen. Der frühere „Produktivitätsvorsprung“ von 23,5 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Regionen sei auf 8,6 Prozent geschrumpft. Zwar teile Hamburg diese Entwicklung etwa mit Düsseldorf, Köln und dem Rhein-Main-Gebiet, aber nirgendwo sei „der Abstieg in den Rangplätzen so eklatant wie in Hamburg“.
Einst vor allem durch Handel und Logistik geprägt, zähle Hamburg heute zu den „am stärksten deindustrialisierten Metropolregionen Europas“. Die Wirtschaft insgesamt und die Industrie im Speziellen seien deshalb „noch stärker auf Impulse aus der Wissenschaft angewiesen“ als etwa im stark industrialisierten München, heißt es in der Studie.
Innovation für größere Wettbewerbsfähigkeit
Haupttreiber für die Wettbewerbsfähigkeit seien Innovationen, etwa neue Produkte. Voraussetzungen für Innovationen seien Investitionen in Forschung und Entwicklung. Hier zeige die Analyse, dass Hamburg bei etlichen für die Wettbewerbsfähigkeit wichtigen Faktoren „meist relativ weit von der Spitzengruppe entfernt“ im Mittelfeld liege.
Die Autoren verweisen etwa auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die sich in Hamburg auf 2,2 Prozent des Bruttoregionalprodukts beliefen, während in Berlin 3,5 Prozent und in München 4,3 Prozent zu verzeichnen waren – im Jahr 2016. Auch für den Anteil der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung nennen die Autoren nur das Bezugsjahr 2016. Hamburg kam damals auf 1,7 Prozent, Berlin kam auf zwei Prozent, München auf 3,3 Prozent.
Großen Nachholbedarf habe Hamburg bei Uni-Ausgründungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse in die Wirtschaft tragen, schreiben die Autoren. Im Gründungsradar des Stifterverbands von 2018, der die Gründungsförderung der Hochschulen vergleicht, belege die Uni Hamburg den drittletzten Platz von 36 Hochschulen. Zudem deute einiges auf „fehlende technische Anknüpfungspunkte der Forschungseinrichtungen mit Hamburger Unternehmen“ hin.
Wohnungen in der Science City „gefährden“ Standort
Apropos Anknüpfungspunkte: In Bahrenfeld soll mit der geplanten Science City ein neuer Stadtteil entstehen, in dem Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen verzahnt werden. Der Bau von 2500 Wohnungen dort soll das Areal beleben, den Austausch zwischen Wissenschaft und Wissenschaft fördern – so wünscht es sich zumindest der rot-grüne Senat.
Das sei kein guter Plan, hieß es von den Studienautoren, von der Akademie und den Initiatoren um Klaus von Dohnanyi. In Bahrenfeld reichten Wohnungen schon an die Wissenschaft heran. Deswegen seien Wohnungen in der Science City – abgesehen von einem begrenzten Bau von Studentenwohnheimen und Gästewohnungen – „nicht erforderlich“. Dies würde die Campus-Strategie „erheblich beeinträchtigen“ und die Zukunft des Wissenschaftsstandortes Bahrenfeld „gefährden“.
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) erklärte, die Studie gebe „Rückenwind für den Kurs, den wir in den vergangenen Jahren eingeschlagen haben“. Allerdings müsse die Stadt ihr Potenzial „im Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft noch stärker ausschöpfen“.
Von Rückenwind könne keine Rede sein, hieß es von der Opposition. Es fehle immer noch eine Gesamtstrategie zur Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft in Hamburg, sagte Carstens Ovens von der CDU. FDP-Politiker Daniel Oetzel erklärte: „Trotz einzelner Erfolge an der Spitze hat der Senat es in den vergangenen Jahren versäumt, ein breites Fundament für die Entwicklung des Standorts zu legen.“