Hamburg. Neues Buch beschreibt Vision für vielfältigen Campus: Die Hochschule soll ihre Gebäude zunehmend für Bürger, Partner und Start-ups öffnen.
Nach der Auszeichnung als Exzellenz-Universität soll Hamburgs größte Hochschule künftig auch architektonisch mehr hervortreten. „Die Universität Hamburg weiß, wo sie wissenschaftlich steht und hinwill. Nun ist es Zeit, der Hochschule auch über ihre Standorte ein prägnanteres Gesicht zu geben“, sagt ihr Kanzler Martin Hecht.
Uni-Präsident Dieter Lenzen erklärt, früher sei bei Bauplanungen für die Universität „nicht versucht worden, durch eine avantgardistische Architektur ein Zeichen zu setzen“ – in einer Art und Weise, wie es etwa in Lüneburg mit dem neuen Hauptgebäude der Leuphana Universität gelang, das der US-Stararchitekt Daniel Libeskind entworfen hatte. Für die Universität Hamburg brauche es ebenfalls „Mut, markant zu sein bei wissenschaftlichen Gebäuden“, fordert der 71-Jährige, dessen Amtszeit 2022 endet.
Hochschulpräsident Lenzen: Uni mit Stadt vernetzen
Bis er die Hochschule verlässt, möchte Lenzen eine Vision vorantreiben, die fortschrittliche Architektur auch als Ausdruck einer engeren Vernetzung der Universität mit der Stadt begreift. Wie das aussehen könnte, soll ein neues Buch zeigen, das in dieser Woche erscheint und auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wird. Das 254-seitige Werk entstand unter der Federführung des Architekten Paolo Fusi. Er lehrt an der HafenCity-Uni, wo er eine Professur für städtebaulichen Entwurf inne hat.
„Wir präsentieren keine endgültigen Planungen, sondern Szenarien“, sagt Fusi, der für die Darstellung architektonische Tendenzen an Hochschulstandorten wie Chicago, Lausanne, Mailand und London analysiert hat. Das Uni-Präsidium sieht das Werk als Anstoß für eine Diskussion über die Gestaltung der Uni-Campi in den kommenden zwei Jahrzehnten. „Das Buch richtet sich vor allem an den Senat und an die Bürgerschaft, aber auch an die Behörden und Bezirksämter“, sagt Kanzler Hecht. „Es ist wichtig, dass all diese Beteiligten wissen, wo es unserer Ansicht nach mit der Wissenschaft und der Universität in dieser Stadt hingehen könnte.“ Bis 2026 sollten Grundzüge eines neuen Konzepts erkennbar sein, sagt Uni-Chef Lenzen. Bis 2035 müsse ein solches Vorhaben abgeschlossen werden.
Uni-Campi in Eimsbüttel als Einheit wahrnehmen
Das Buch, das den theoretischen Unterbau liefern könnte, trägt den Titel „Multiple Campus“. Die Kernbotschaft der Szenarien für das „Übermorgen der Universität“ lautet: Die Standorte Von-Melle-Park und Bundesstraße in Eimsbüttel sollen künftig als ein großer Campus wahrgenommen werden, der sich zu den umliegenden Stadtteilen hin öffnet. Aus Bildungsorten, die sich hauptsächlich an Wissenschaftler und Studierende richten, sollen vielfältig nutzbare Räume werden – so ähnlich, wie es für die Science City Bahrenfeld geplant ist, in der Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen zusammenwachsen sollen.
Doch während in Bahrenfeld ein ganz neues Quartier entsteht, geht es in Eimsbüttel um eine zusätzliche Belebung der Uni-Campi inmitten des Stadtteils. Gebäude und Außenräume der Uni sollen zunehmend als Co-Arbeits- und -lebensräume für Einwohner, Partner der Uni und Start-ups fungieren. „Dass Räume für vielfältige Lebensentwürfe anpassungsfähig sind und synchron mehrere Phänomene an einem Ort stattfinden, ist wichtig und prägend für unsere Gesellschaft“, sagt Paolo Fusi. „Wir wollen das in Architektur umsetzen.“
Grindelallee als "Campusboulevard"
Durch dieses Konzept, so heißt es in dem Buch, werde der Wissenstransfer, die Nutzbarmachung wissenschaftlicher Erkenntnisse, unter allen Gesellschafts- und Altersgruppen verbessert und „zu einem der prägenden Exzellenzmerkmale der Universität Hamburg“. Dies mache die Uni zu einem „immer stärker integrierten und unumgänglichen Bestandteil“ des Lebens in der Stadt Hamburg und „ihrer globalen Wahrnehmung“.
Fusi stelle den städtebaulichen Entwurf des Bezirks Eimsbüttel nicht infrage, sagt Kanzler Martin Hecht. Vielmehr sei es der Uni wichtig, als Ergänzung der bestehenden Pläne die Verbindung der Campi Von-Melle-Park und Bundesstraße „neu zu denken“. Wie ein Scharnier könnte dabei die Grindelallee zu einem „Campusboulevard“ werden, zu „einem Raum des Flanierens, der Freizeit und des Austauschs“, heißt es in dem Buch.
Zoologisches Museum öffnet sich besser sichtbar zur Bundesstraße
Ansätze eines „Multiple Campus“ zeigen sich bereits an der Grindelallee 117. Seit einem Umbau befinden sich dort im Erdgeschoss das von der Uni mitgetragene Schülerforschungszentrum und ein Studierendenzentrum des Fachbereichs Chemie mit kleinem Café.
Nicht weit entfernt steht das Zoologische Museum der Uni. Lange nur über den Hinterhof am Martin-Luther-King Platz erreichbar, bekam es vor Kurzem einen neuen Eingang und öffnet sich nun besser sichtbar zur Bundesstraße hin. Einladend wirken soll auch das geplante MIN-Forum an der Sedanstraße. Der Neubau wird Bibliothek, Hörsäle, Seminarräume, Mensa, Café und Co-Arbeitsräume unter einem Dach beherbergen.
Festival der Kulturen auf dem Allende-Platz
Ebenfalls sichtbar sind Ansätze eines „Multiple Campus“ am Von-Melle-Park. So finden etwa Veranstaltungen wie Flohmärkte und das Festival der Kulturen auf dem Allende-Platz und dem Joseph-Carlebach-Platz statt. Einen solchen Charakter sollen künftig auch die Eingangsbereiche an der Moorweidenstraße und an der Schlüterstraße rund um das Studierendenwerk bekommen.
Denkbar sei zudem in Kooperation mit dem Studierendenwerk ein Neubau des Studierendenhauses samt Mensa an der Adresse Von-Melle-Park 2/Schlüterstraße 7. Das könnte den unscheinbaren südöstlichen Eingang des Campus aufwerten. Insbesondere durch studentisches Wohnen lasse sich dort eine zusätzliche Belebung des Campus erreichen, heißt es in dem Buch.
Noch nicht umgesetzt worden ist bisher auch die Idee für ein Forum Von-Melle-Park, eine Art Foyer für alle Fakultäten, die sich dort durch Ausstellungen und Veranstaltungen präsentieren könnten. Das begehbare Dach böte sich mit Sitzsteinen als Park und Ort für Abendveranstaltungen im Freien an. Beides zusammen ergäbe eine neue Begegnungsstätte für Unimitglieder und Bürger – und der Campus erhielte einen unverwechselbaren Mittelpunkt, so die Planer.
Das Buch „Multiple Campus – Szenarien für die Universität der Zukunft“ (Autor: Paolo Fusi) erscheint im Jovis-Verlag und kostet 38 Euro.