Hamburg. Gewerkschaft: IT-Ausstattung verhindert Aufklärung von Straftaten. Behörde weist Vorwürfe zurück.
Ein Polizist versuchte vor einigen Wochen, es mit Humor zu nehmen: „Während die Seite lädt, hole ich mir eben einen Kaffee, finde den Sinn des Lebens und schaffe Frieden in Nahost“, sagte er zum Anrufer, als er eine Information aus dem Internet holen sollte.
Computertechnik sorgt für Kopfschütteln
Der Zustand der Computertechnik sorgt schon seit Längerem für Kopfschütteln bei vielen Beamten im Präsidium. Nach Angaben des Bundes Deutsches Kriminalbeamter (BDK) haben die Probleme aber nun ein Maß erreicht, das alles andere als zum Lachen sei.
Nahezu alle IT-Systeme der Polizei seien veraltet, störungsanfällig oder funktionierten nicht richtig, sagt der BDK-Landesvorsitzende Jan Reinecke. Fahrlässig sei der Fortschritt im digitalen Bereich bei der Polizei verschlafen worden. Die Kripogewerkschaft hat eine Liste von Pannen und Problemen erstellt, die dem Abendblatt vorliegt. „Die katastrophal schlechte IT-Ausstattung erschwert und verhindert die Aufklärung von Straftaten und die Abwehr von Gefahren“, sagt Reinecke. Außerdem entstünden hohe Zusatzkosten, die in den Millionenbereich gehen könnten.
Betriebssystem bereitet enorme Probleme
Die Polizeiführung hält diese Kritik für überzogen. Sie verweist auf viele angestoßene Projekte und Aufrüstungen. Der Sprecher Timo Zill räumte aber auf Anfrage ein, dass es an einigen Stellen noch Nachholbedarf gebe.
Momentan bereite schon das Betriebssystem der Computer der Polizei enorme Probleme, kritisiert der BDK. Obwohl der Anbieter Microsoft bereits seit fünf Jahren „Windows 10“ anbietet, nutzt die Polizei noch die Vorgängerversion „Windows 7“. Für diese bietet Microsoft seit dem vergangenen Dienstag aber regelhaft keine technische Unterstützung mehr an. Um doch weiterhin etwa Sicherheitsupdates geliefert zu bekommen, müsse die Polizei einen Exklusivvertrag mit dem US-Konzern abschließen – das koste 100.000 Euro pro Monat, kritisiert der BDK unter Berufung auf intern kolportierte Angaben.
Polizeiführung: Bessere Internetverbindung notwendig
Der Polizeisprecher Timo Zill bestätigte auf Anfrage, dass derzeit noch mit dem IT-Dienstleister Dataport über einen Vertrag verhandelt werde. „Dieser Vertrag umfasst auch die Umstellung von Windows 7 auf Windows 10“. Aus Kostengründen ergebe es keinen Sinn, die Aufrüstung flächendeckend vorzuziehen – einige Rechner liefen aber bereits auf dem neuen System. Die Summe von 100.000 Euro für den IT-Support der bestehenden Software bestätigt Zill nicht. „Die Kosten können noch nicht abschließend beziffert werden“. Wie es aus der Führungsetage heißt, sei der vom BDK genannte Betrag deutlich zu hoch.
Dass die Internetverbindung der Polizeirechner verbessert werden muss, teilt die Polizeiführung dagegen. Sämtliche 8000 Computer der Polizei in Hamburg seien zwar an das Netz angeschlossen, so der Sprecher Timo Zill. Wegen der „für die Polizei zwingend erforderlichen Sicherheitsarchitektur“ benötige der Zugriff auf das Internet in der Praxis aber „einen gewissen Zeitraum“. Man habe darauf bereits reagiert. „Eine Optimierung ist erforderlich und befindet sich in Arbeit“, sagte Zill. Zudem gebe es bei der Polizei rund 1000 „reine Internetrechner“ mit freiem und schnellem Zugang für die Beamten.
Probleme bei Datenschutz und Sicherheit
Nach Angaben des Gewerkschafters würden diese Computer jedoch aus der Not auch für sensible Recherchen genutzt, was wiederum aus Sicht des Datenschutzes und der Sicherheit der Polizeiinformationen problematisch sei. Zudem gebe es bei so gut wie allen einzelnen Programmen in der täglichen Arbeit Probleme: So sei die Software „Crime“ völlig veraltet und mache es den Ermittlern teilweise unmöglich, wichtige Informationen mit anderen Polizeibehörden zu teilen. Das Programm „ComVor“ sei für umfangreiche Ermittlungsberichte sogar „vollkommen unbrauchbar“.
Der Polizeisprecher verwies hierbei unter anderem darauf, dass bereits vorgesehen sei, das Programm „Crime“ mit einem neuen System zu ersetzen.
Insgesamt braucht die Polizei für die Beamten 4000 iPhones
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer hatte zuletzt im Gespräch mit dem Abendblatt mehrere technische Neuerungen für das laufende Jahr angekündigt. So wurden bereits 1400 iPhones für die Polizisten angeschafft, mit denen sich leicht Anzeigen aufnehmen, Abfragen vornehmen und später sogar Fingerabdrücke abgleichen lassen sollen. Dafür gebe es speziell entwickelte Apps. „Wir werden weitere Anwendungen entwickeln und stufenweise einführen“, sagte Meyer. Damit wie geplant jeder Beamte im Vollzug ein iPhone im Dienst tragen könne, sind insgesamt aber sogar 4000 Geräte nötig.
Das könnte Sie auch noch interessieren:
- Polizei investiert 540.000 Euro in neues Schnellboot
- Wie neue iPhones der Polizei bei der Verbrecherjagd helfen
- Gelb, praktisch, gut: Hamburgs Polizei bekommt neue Westen
Bei der Gewerkschaft BDK ist man aber noch skeptisch, ob der nächste Schritt in die digitale Zukunft problemlos funktioniert. Reinecke erinnert daran, dass die Polizei 900 Smartphones von Nokia mit einem Windows-Betriebssystem für rund 100.000 Euro angeschafft hatte – „obwohl Microsoft sich aus dem Handygeschäft bereits zurückgezogen hatte“, wie Reinecke sagt. Entsprechend sei die angepriesene App „Messenger24“ für die Kommunikation per Smartphone auch nie über eine Beta-Version hinaus entwickelt worden.
Zill sagte, nach der „strategischen Entscheidung“ der Stadt, von Windows- auf Apple-Systeme umzusteigen, sei auch der „Messenger 24“ optimiert worden. Die Entwicklung weiterer Apps befinde sich auf der Zielgeraden. „Das Jahr 2020 wird das Jahr sein, in dem die Polizei den bisher größten Schritt in Sachen mobiler Digitalisierung geht.“