Hamburg. Mehr Durchsuchungsbeschlüsse, mehr Polizisten: Ermittler haben 1000 Kartons mit Unterlagen sichergestellt. Krankenkasse hat reagiert.
Die Groß-Razzia von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen eine Hamburger Pharma-Firma, Apotheken und Ärzte am Dienstag ist wesentlich umfangreicher als zunächst angenommen. Wie die Hamburger Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte, wurden insgesamt 58 Durchsuchungsbeschlüsse von rund 480 Polizeibeamten und sechs Staatsanwälten vollstreckt.
Zunächst betrafen die Durchsuchungen "nur" 47 Objekte in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. "Im Verlaufe des Tages wurden elf weitere Durchsuchungsbeschlüsse durch das Amtsgericht Hamburg erlassen und vollstreckt", heißt es in der aktuellen Mitteilung der Staatsanwaltschaft.
1000 Kartons mit Unterlagen sichergestellt
Bei der groß angelegten Aktion haben die Ermittler umfangreiche Beweismittel sichergestellt, dessen Auswertung sicher einige Zeit in Anspruch nehmen wird: Knapp 1000 Kartons mit Unterlagen und rund 100 Datenträger – Mobiltelefone, PC, Speicherkarten – wurden sichergestellt. Die Ermittlungen zur Schadenshöhe dauern noch an. Bei vorläufiger Bewertung geht die Staatsanwaltschaft jedoch davon aus, dass ein Gesamtschaden von mindestens 8,6 Millionen Euro entstanden ist.
"Es handelt sich um eine der größten Durchsuchungsmaßnahmen, die die Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg jemals durchgeführt hat", sagte Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, am Mittwoch.
Apotheker sollen über Unternehmen Krankenhaus erworben haben
Das Verfahren richtet sich gegen 14 Personen: Drei beschuldigte Apotheker, neun Ärzte und zwei in leitender Funktion in Unternehmen der Apotheker beschäftigte Personen. "Den beschuldigten Apothekern wird vorgeworfen, die neun Ärzte durch Gewährung verschiedener Vorteile an sich zu binden, um auf diese Weise zu erreichen, dass die Ärzte Rezepte insbesondere für hochpreisige Krebsmedikamente nur noch über die von den Beschuldigten betriebenen Apotheken und Unternehmen einlösen", heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft.
Zudem sollen die Apotheker über verschiedene Unternehmen ein Krankenhaus erworben und betrieben haben. Hierüber wollten sie wiederum bundesweit medizinische Versorgungszentren führen und auf diese Weise Einfluss auf die dort angestellten Ärzte nehmen. "Apothekern selbst ist die Gründung medizinischer Versorgungszentren grundsätzlich nicht erlaubt", stellte die Staatsanwaltschaft klar.
Die neun Ärzte werden verdächtigt, von den Apothekern wirtschaftliche Vorteile – möglicherweise kostenlose Praxisräume, technisches Gerät, aber auch die „Nutzung luxuriöser Fahrzeuge“ – dafür entgegengenommen zu haben, dass sie die von ihnen verordneten Medikamente über die von den Mitbeschuldigten betriebenen Apotheken zubereiten ließen. Zudem besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten Abrechnungsbetrug in einer Vielzahl von Fällen begangen haben.
Krankenkasse schaltet Hotline für Onkologie-Patienten
Nach der Groß-Razzia hat die Krankenkasse DAK ihre Krebspatienten beruhigt. Die in Hamburg beheimatete Kasse teilte mit, man habe eine Hotline (040/325 325 975) eingerichtet, um Fragen zur Versorgung mit Krebsmedikamenten (Zytostatika) zu beantworten. Hier erfahren Sie mehr zu den Informationen der Krankenkasse.
Die DAK bezieht sich in ihrer Reaktion auf Berichte, unter anderem des Hamburger Abendblattes, über die Vorwürfe gegen das Unternehmen. Die Techniker Krankenkasse hatte nach Abendblatt-Informationen mit ihrer Ermittlungsgruppe Abrechnungsmanipulation die Recherchen der Staatsanwaltschaft Hamburg befeuert, die schon seit 2017 nach anonymen Hinweisen laufen.
Razzia bei Pharma-Firma: Abrechnungsbetrug?
Razzia bei Hamburger Pharma-Firma mit mehr als 400 Beamten
Es geht um mutmaßlichen Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe. Die Beschuldigten haben sich noch nicht geäußert. Ob das Konstrukt illegal gewesen sein könnte, das die Pharma-Firma zur Bestellung, Lieferung und Abrechnung von Krebsmitteln wählte, soll auch die Auswertung der umfangreichen Akten und Daten erbringen, die bei der Durchsuchung sichergestellt wurden.
Die Krankenkasse DAK geht nicht davon aus, dass die Krebs-Therapien „selbst fehlerhaft waren oder Medikamente gestreckt oder verunreinigt wurden".