Hamburg. Der Anschlag habe dem Innensenator, nicht seinem Sohn gegolten. Welche Rolle spielte ein grauer VW Transporter?
Kaum 24 Stunden nach dem Anschlag auf das Dienstfahrzeug, in dem Innensenator Andy Grote (SPD) und sein zwei Jahre alter Sohn saßen, hat sich am Sonnabendnachmittag auf einer linksradikalen Internetplattform eine Gruppe namens „Angry Birds“ zu der Tat bekannt. Die Authentizität des Bekennerschreibens werde zurzeit geprüft, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage.
Grote, auf dem Weg mit dem Dienst-BMW in die Innenbehörde am Johanniswall, wollte am Freitag noch seinen zwei Jahre alten Sohn in die Kita bringen, als gegen 8.15 Uhr an der Ecke Hein-Hoyer-Straße/Simon-von-Utrecht-Straße drei maskierte Personen Steine und Farbbeutel auf die teilgepanzerte Limousine warfen. Die Geschosse schlugen ein paar Dellen ins Blech, von einer Scheibe platzte ein dreieckiges Fragment ab, ohne sie zu durchschlagen. Alle Insassen – der Fahrer, Grote und sein kleiner Sohn – blieben jedoch unverletzt. Grote sprach danach auf Twitter von einer „erbärmlichen“ Aktion.
Verurteilung der Tat
Während die Polizeigewerkschaften und alle Hamburger Parteien den Anschlag aufs Schärfste und mit teils markigen Worten verurteilten („Vollpfosten“), rechtfertigen die Täter – oder jene, die sich dafür ausgeben – die Gewalttat mit Verweis auf vermeintlich repressive Umtriebe des Senators. Am Ende des Schreibens drohen sie gar mit weiteren Angriffen, sollte er nach der Bürgerschaftswahl Innensenator bleiben. „Nur zu, Andy, wir sehen uns auf der Straße“, heißt es da.
Zudem solidarisieren sie sich unter anderem mit den sogenannten „Drei von der Parkbank“. Dem Trio wird die Verabredung zu vier Brandstiftungen vorgeworfen, im Januar beginnt der Prozess, zwei Männer befinden sich in Haft. Ermittler hatten die polizeibekannten Linksextremen am 8. Juli in einem Eimsbütteler Park festgenommen – in ihren Rucksäcken fanden sie Brandsätze, Handschuhe und Wechselkleidung. Auch nach ihrer Festnahme sei der militante Kampf in Hamburg „noch lange nicht vorbei“, heißt es in dem Bekennerschreiben, man werde „Feinde der Freiheit“ – wie Grote – weiterhin im Blick behalten. Auch betonen sie, dass der Angriff „nicht dem Kind galt“.
Bekenner sprechen von Zufall
Wenn es überhaupt so war, dass der Junge im Auto saß, so sei dies eine „seltene Ausnahme und ein tragischer Zufall“ gewesen. Grote lüge, wenn er behaupte, dass er ihn regelmäßig zur Kita bringe. Ein Sprecher der Innenbehörde bestätigte dagegen dem Abendblatt, der Senator fahre seinen Sohn seit mehr als einem Jahr mit der Limousine zur Kita, und zwar täglich.
Die Polizei geht davon aus, dass die Täter dies auch wussten, zumal ihnen die morgendliche Routine des Senators nach eigenen Angaben vertraut war. „Die Täter mussten damit rechnen, dass sich der Sohn des Senators im Auto befinden würde“, sagte Polizeisprecher Timo Zill und weiter: „Ihr Vorgehen zeigt eine neue Qualität, und es zeigt auch, wie skrupellos die Tat geplant und durchgeführt wurde.“ Auch Grote selbst äußerte sich: „Gerade die Festnahmen der jüngsten Zeit haben die militante linke Szene stark getroffen, wie das Bekennerschreiben einmal mehr offenbart“, sagte er. Jeder politisch motivierten Gewalt „müssen wir uns wehrhaft entgegenstellen“.
Maskierte Täter greifen Innensenator Grote im Auto an
Selten Gewalt von Linksextremen gegen Menschen
Der Angriff ist auch deshalb so bemerkenswert, weil direkte Gewalt Linksextremer gegen Menschen eher selten ist. Der Anteil bei den untersuchten Fällen bundesweit lag 2017 bei rund zehn Prozent, im rechten Spektrum bei mehr als 30 Prozent. Dass die Extremisten nun gezielt Repräsentanten der Hamburger Regierung ins Visier nehmen, deutete sich bereits an, als Ende Oktober bisher unbekannte Täter ein Auto vor dem Haus des Chefs der Hamburger Senatskanzlei, Jan Pörksen (SPD), anzündeten. Auf die Brandstiftung als Impulsgeber für ihre Aktion beziehen sich die Verfasser ausdrücklich. Bei dem im Juli in Eimsbüttel gefassten Trio hatten die Ermittler zudem einen Zettel mit vier Adressen sichergestellt, darunter die von Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). Die Behörde geht davon aus, dass es sich dabei um mögliche Anschlagsziele handelte.
Unklar ist, wie die Täter im Detail vorgegangen sind. So gibt es Hinweise auf einen grauen VW-Transporter, der eine Rolle gespielt haben könnte. Er hielt sich in der Nähe auf, als der Senator um kurz nach 8 Uhr von seiner Wohnanschrift losfuhr. Grote ließ direkt nach der Abfahrt den Fahrer anhalten, weil er etwas vergessen hatte. Auch der Transporter hielt und fuhr erst wieder an, nachdem sich der Wagen des Senators wieder in Bewegung gesetzt hatte. Dass die drei oder vier Angreifer aus dem Transporter kamen, ist nicht gesichert. Ebenfalls nicht abschließend geklärt ist, ob ein zweiter Wagen gezielt beworfen wurde. Die Angreifer hätten ihn womöglich fälschlicherweise für ein Begleitfahrzeug gehalten, heißt es aus Polizeikreisen.
Tat lange vorbereitet
Die Beamten zweifeln nicht daran, dass die Tat lange vorbereitet worden ist – darauf deutet auch das Datum des Anschlags hin, der 13. Dezember. Übertragen auf das Alphabet steht die Ziffernfolge 1312 für die Buchstaben ACAB – ein in der linken Szene gebräuchliches Akronym für „All Cops are bastards.“ Tatsächlich erwähnen die „Angry Birds“ in dem Schreiben den „ACAB-Tag“ explizit.