Hamburg. Zum Abschied von Peter Kruse eine Würdigung.
„Denn die ganze Schöpfung seufzt und liegt in Wehen und auch wir selbst seufzen in uns selbst.“ (Römer 8,22)
Die Realität weltweiten Leidens, über die Paulus in seinem Brief an die Römer schreibt, hat Peter Kruse in seiner Kindheit hautnah erleben müssen. Unmittelbar nach dem Kriegsende kehrte die „ausgebombte“ Familie von der Zuflucht bei den Großeltern in Thüringen in das zerstörte Berlin zurück. Bei minus 4 Grad wurde der Unterricht in den ungeheizten Schulgebäuden schließlich eingestellt. Schulspeisung aber gab es weiter, weil sie für die Kinder lebenswichtig war. In seinem Erinnerungsbuch „Mein Deutschland“ hat sich der Autor anschaulich an die Glücksgefühle erinnert, Empfänger eines Carepaketes zu sein oder auch an die bedrückende Zeit der 322 Tage andauernden Blockade Berlins.
Wenn Peter Kruse später als Chefredakteur des Hamburger Abendblattes bei den Neujahrsempfängen der Zeitung mehr Bürgersinn einforderte, dann meldete sich darin auch lebensgeschichtliche Erfahrung zu Wort. Mich ermutigte sein Appell zu mehr Empathie, ihn im Frühjahr 1993 um ein Gespräch zu bitten. In Westdeutschland war damals eine bittere Wohnungsnot entstanden. Seit der Wiedervereinigung waren jährlich mehr als eine Million Menschen zugewandert. 1,9 Millionen Wohnungen fehlten schließlich in den alten Bundesländern. In Hamburg froren etwa 7000 Menschen nachts unter Brücken oder in Geschäftseingängen.
Zu dieser Zeit war ich als neu berufener Landespastor im Diakonischen Werk tätig. Ich hatte von einer Obdachlosenzeitung in London gelesen, eine in Deutschland noch unbekannte Idee. So eine Hilfe zur Selbsthilfe anbieten zu können, erschien mir erstrebenswert. Gemeinsam mit einigen Journalistinnen und Journalisten und einer Selbsthilfegruppe von Obdachlosen entwickelten wir das Konzept einer Zeitung. Aber wie sie grafisch zu gestalten wäre, oder wie sie heißen sollte, wussten wir noch nicht. In dieser Situation besuchte ich Peter Kruse in der Chefredaktion des Hamburger Abendblatts.
Ich erinnere nicht mehr alle Einzelheiten des Gesprächs, wohl aber die zwiespältige Reaktion des erfahrenen Zeitungsmachers. Die Erfolgsaussichten einer Zeitungsgründung beurteilte er skeptisch. Dennoch wollte er uns nicht entmutigen und von unserem Vorhaben abbringen. Das war sehr sympathisch und im Konkreten hilfreich. Denn er vermittelte ein Gespräch mit dem Mitarbeiter, der für das Layout des Hamburger Abendblatts verantwortlich war. Der wiederum hatte eine Schwester, die als Grafikdozentin an der Kunstschule Alsterdamm arbeitete. Sie war jung und schwungvoll und fand es spannend, an etwas ganz Neuem mitzuarbeiten. Und wir waren dankbar für den Rat des Bruders, denn das von ihr entwickelte Layout passte auf Anhieb sehr gut zu den Inhalten von „Hinz&Kunzt“.
„Souverän und unabhängig“ – so wurde die Art seines Wirkens bei seinem Abschied aus dem aktiven Dienst beschrieben. So habe ich ihn auch wahrgenommen, dazu noch sehr sympathisch und hilfsbereit. Auch für die weiteren Projekte, die zusammen mit „Hinz&Kunzt“ und seiner Leserschaft auf den Weg gebracht wurden, hatte er immer ein offenes Ohr. Gemeinsam mit seiner Frau Susanne von Bargen wurde er Mitglied im Hamburger Spendenparlament schon in der Anfangszeit, um konkret zu helfen und um ein Beispiel zu geben.
In einem Gebet zum Abschied heißt es: „Wir wollen nicht trauern, dass wir ihn verloren haben, sondern dankbar sein, dass wir ihn gehabt haben, ja auch jetzt noch besitzen …“