Hamburg. SPD legt Wahlprogramm vor: Wohnungsbau, Verkehr und Klimaschutz im Mittelpunkt. Parteitag berät am Sonnabend darüber.
Eigentlich ist der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ein bescheidener und zurückhaltender Mensch. Im Wahlkampf kommt man – zumal als Spitzenkandidat – mit diesen Tugenden allerdings nicht sehr weit. Das weiß auch Tschentscher, und so legt er bei der Vorstellung des 90-seitigen Entwurfs für das SPD-Wahlprogramm, die Partei nennt es anspruchsgemäß „Regierungsprogramm 2020–2025“, gleich jede Bescheidenheit ab.
„Die SPD blickt sehr zuversichtlich, tatkräftig und optimistisch in die Zukunft. Das ist die Botschaft unseres Regierungsprogramms. Wir haben die Stadt 2011 auf den neuen Kurs eingeschwenkt. Wir sind die einzige Partei, die die Erfolge der vergangenen neun Jahre durchgängig gestaltet hat“, sagt Tschentscher. Das unterscheide die SPD „von allen Mitbewerbern“, was ein kleiner Seitenhieb in Richtung des Koalitionspartners von den Grünen ist, die erst seit 2015 mitregieren.
Mehr geförderte Wohnungen
Bevor der Bürgermeister auf das zu sprechen kommt, was ein Wahlprogramm im Kern ausmacht – die Vorhaben für die nächste Legislaturperiode – lobt er erst einmal ausgiebig das Erreichte: vom Wohnungsbauprogramm mit erst 6000, dann 10.000 Wohneinheiten pro Jahr („Wir haben den Mietenanstieg gestoppt“), über die Gebührenfreiheit des Kita-Besuchs und die Abschaffung der Studiengebühren bis zur Fertigstellung der Elbphilharmonie und der Durchsetzung der Elbvertiefung vor Gericht. „Wir beschreiben die Probleme nicht nur, wir lösen sie. Wir versprechen nicht nur, dass man etwas tun könnte, wir liefern“, heißt es dazu im Regierungsprogramm selbstbewusst.
„Das alles ist die Grundlage unserer Vorhaben für die nächsten Jahre“, sagte Tschentscher. Bei Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Wählerinnen und Wählern sei der Wohnungsbau immer wieder das erste Thema. Deswegen soll es dabei bleiben, dass pro Jahr Baugenehmigungen für 10.000 Wohnungen erteilt werden sollen. „In Zukunft wollen wir den Anteil der geförderten Wohnungen schrittweise von jetzt 3000 auf 4000 pro Jahr erhöhen“, sagt Tschentscher.
Mobilität ist das zweite große Thema
Mobilität in der Stadt soll das zweite große Thema des Wahlkampfs werden. Hier setzt die SPD auf einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse und will so „die ganze Stadt im Blick“ haben, wie der zentrale Wahlkampfslogan der Partei lautet. „Allein mit dem Auto funktioniert es nicht. Wir fördern den Radverkehr, aber nicht nur“, sagt Tschentscher. So sollen weiterhin zwischen 30 und 40 Kilometer Radwege pro Jahr gebaut werden. Aber die SPD will auch den Bau der A 26-Ost vorantreiben, die Frage der Köhlbrandquerung klären, und sie bekennt sich ausdrücklich zum Flughafen, der aber klimafreundlicher werden soll.
Vor allem aber setzt die SPD auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Im Blickpunkt stehen in erster Linie der Bau der neuen U-Bahn-Linie U 5 von Bramfeld über die City bis zu den Arenen sowie die Anbindung der Stadtteile Bahrenfeld, Lurup und Osdorfer Born durch die S-Bahn-Linie S 32- West. Es bleibt beim klaren Nein der SPD zum Bau einer Stadtbahn.
Nahverkehr verbessern
Zentrales Wahlversprechen der SPD ist eine deutliche Verbesserung des Angebots gerade in den Außenbezirken. „Bis 2030 wollen wir erreichen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in ganz Hamburg von morgens bis in die Abendstunden innerhalb von fünf Minuten ein öffentliches Nahverkehrsangebot erreichen können“, heißt es im SPD-Programm. Die meisten Busse und Bahnen sollen dann alle fünf Minuten fahren, aber auch neue Angebote wie das Sammeltaxi-System Moia eingebunden werden. Nach den Worten Tschentschers geht es bei diesem „Hamburg-Takt“ vor allem um die „letzte Meile“ von der U-Bahn-Haltestelle oder Bushaltestelle bis zur eigenen Wohnung.
Für die Fach- und Berufsschüler sowie Auszubildenden soll ein Jugendticket für 365 Euro pro Jahr im HVV-Großbereich geschaffen werden. Auf Wunsch von Tschentscher enthält das Wahlprogramm auch die schrittweise Einführung eines kostenlosen HVV-Schülertickets. „Wir wollen uns dem Thema Verkehr in den kommenden zehn Jahren so widmen wie seit 2011 dem Thema Wohnungsbau“, sagt Tschentscher.
SPD setzt auf den Beitrag der Industrie
„Zukunftsstadt“, „Hoffnungsstadt“ und „Modellstadt“ – die SPD geizt nicht mit derartigen Umschreibungen in ihrem Wahlprogramm, und so soll Hamburg nach dem Willen der Sozialdemokraten eben „Modellstadt“ auch für den Klimaschutz werden. Es bleibe bei dem Ziel, bis 2030 den jährlichen CO2-Ausstoß um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. „Und wir trauen uns zu, Hamburg bis 2050 klimaneutral zu machen“, heißt es im Wahlprogramm.
Anders als der Koalitionspartner von den Grünen setzt die SPD mit Tschentscher sehr stark auf den Beitrag der Industrie. „Ich verstehe nicht, warum das kaum zur Kenntnis genommen wird: Die Industrie hat ihren CO2-Ausstoß von 2015 bis 2017 um 600.000 Tonnen reduziert“, sagt Tschentscher. Seit 2012 habe Hamburg die CO2-Belastung im jährlichen Durchschnitt um 430.000 Tonnen gesenkt. Um auf das Klimaziel für 2030 zu kommen, müsse die Senkung des jährlichen Ausstoßes „nur“ auf 530.000 Tonnen erhöht werden.
Bau von 40 weiteren Schulen
Die SPD bekräftigt in ihrem Programm den Bau von 40 weiteren Schulen, wobei auf den Schularealen insgesamt auch mehr als 5000 neue Kitaplätze entstehen sollen. Im Bereich der inneren Sicherheit soll die Feuerwehr um 400 Feuerwehrleute und die Polizei insgesamt um rund 1000 Polizeibeamte verstärkt werden.
Ein Projekt, das Tschentscher besonders wichtig ist, ist das „Haus der digitalen Welt“. Dazu soll ein neuer Standort der Zentralbibliothek gefunden werden, die „wir zu einer der modernsten Bibliotheken Europas machen wollen“, wie es im Wahlprogramm heißt. Auch die Volkshochschule, Hochschulen und IT-Unternehmen sollen in das Projekt eingebunden werden. „Es geht um die digitale Transformation. Wir wollen einen Ort schaffen, an dem man die digitale Welt erfahren und sich erschließen kann“, sagt Tschentscher.
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Der Bürgermeister will sich im Wahlkampf auf die SPD-Vorhaben konzentrieren und sich nicht an den anderen Parteien abarbeiten. „Wir haben eine kluge Strategie und sind vertrauenswürdig. Wir haben bewiesen, dass wir es können“, sagt Tschentscher. In manchen Umfragen liegen SPD und Grüne in etwa gleichauf, einmal war die Ökopartei sogar vorne. „Für die SPD ist es derzeit schwierig, Wahlen zu gewinnen. Der Bundestrend geht gegen uns“, sagt Tschentscher.
Die SPD hatte bei der Bürgerschaftswahl 2015 noch 45,6 Prozent geholt. „Wir können nicht mit dem gleichen Ergebnis wie vor fünf Jahren rechnen. Aber wir haben den Anspruch, wieder stärkste Kraft zu werden. Und da bin ich auch sehr zuversichtlich“, sagt der Sozialdemokrat. Am Sonnabend will der SPD-Parteitag den Programmentwurf beraten und beschließen.