Hamburg. Mit dem Projekt öffnet sich der Stadtteil zum Bramfelder See. Eröffnungsfeier mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher.
Vor 50 Jahren stand Steilshoop schon einmal wie kein zweiter Stadtteil für Aufbruch, Reformen und neue Ideen. Mit tollkühnen Experimenten, gemeinsamen Wohnformen und einem großen Bildungszentrum wagte Hamburg damals den Sprung in die Zukunft – leider vergaß man, den neuen Stadtteil an den öffentlichen Nahverkehr anzubinden und plante vieles drei Nummern zu groß. Schon bald war im Zusammenhang mit Steilshoop weniger von Aufbruch die Rede als vielmehr von Problemen.
Ein halbes Jahrhundert später wagt der Stadtteil zwischen Ohlsdorf und Barmbek einen Neuanfang. An der Stelle, wo das alte Bildungszentrum wie ein Betonriegel die Landschaft verschandelte, ist der neue Campus entstanden. Er nimmt manche Ideen von seinem Vorgänger auf – wie die Bildungs- und Sozialeinrichtungen unter einem Dach zu bündeln –, und bricht zugleich mit der Geschichte: Offen, einladend, bunt präsentiert sich der Neubau am Gropiusring. Und er öffnet den Stadtteil zum Bramfelder See. Heute wird der neue Campus mit einem Festakt eröffnet. Bürgermeister Peter Tschentscher, aber auch die Senatoren Ties Rabe und Dorothee Stapelfeldt nehmen daran teil.
Insgesamt wurden 43,4 Millionen Euro investiert
Der Campus ist nicht irgendeine Schule, sondern Modell für die Stadtteilentwicklung im Allgemeinen und für die Entwicklung von Steilshoop im Besonderen. Insgesamt wurden 43,4 Millionen Euro investiert – allein 7,9 Millionen für das Quartierszentrum. Verschiedene Gruppen und Anlaufpunkte im Stadtteil ziehen nun unter ein Dach. Hier finden sich nicht nur die Bücherhalle, die Volkshochschule und die Elternschule Steilshoop, sondern auch das Haus der Jugend. Zudem nutzen der Familienservice-Point von Nordlicht, der Stadtteiltreff AGDAZ und der Beschäftigungsträger Alraune das neue Gebäude.
Das Gemeinsame ist das Einzigartige: Seit 2013 kommen Vertreter der Nutzer zu regelmäßigen Treffen zu Campus-Workshops zusammen, mehr als 50 Mal hat man sich zusammengesetzt, um Räume und das Programm zu planen. Seit 2013 steuert die Steg, die Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg, dieses Projekt. „Das war nicht immer einfach, weil schwierige Prozesse ressortübergreifend koordiniert werden mussten – aber es hat sich gelohnt“, sagt Andrea Soyka, die seit Beginn für die Steg dabei ist,
Nun gibt es eine Flaniermeile zum Bramfelder See
Seit 2007 ist Steilshoop ein Gebiet der Stadterneuerung. „Der Campus ist das Schlüsselprojekt“, sagt Dirk Mecklenburg vom Bezirksamt Wandsbek. Das alte, auf 2000 Schüler ausgelegte Schulzentrum, entwickelte sich mehr und mehr zum Kern des Problems: Die Anmeldezahlen gingen immer weiter zurück, auf der einen Seite eine Ursache des demografischen Wandels, auf der anderen aber auch eine Abstimmung gegen den Stadtteil. Die schrumpfende Schule konnte das Bildungszentrum nicht mehr tragen – und die Ästhetik des Sechzigerjahre-Baus tat ein Übriges. Schließlich entschloss sich die Stadt zum Abriss und Neubau. Soyka spricht von einem „Vorzeigeprojekt“, das durchaus auch auf andere Stadtteile übertragen werden könnte. Sie sieht darin einen Impuls für die Stadtteilentwicklung. „Das sind Begegnungsorte und Mittelpunkte für sozialen Zusammenhalt.“
Wer die beiden hellen Bauten mit ihrer bunten Fassade aus Keramikpanelen sieht, versteht, was sie meint. Auf der einen Seite des Campus lädt das Quartierszentrum ein, auf der anderen Seite die neue Stadtteilschule am See. Unter einem Dach sind hier Grundschule und Mittelstufe vereint, in naher Zukunft soll die Oberstufe hinzukommen. „Wir haben den Trend gedreht, die Schule wächst wieder“, sagt Susanne Mühlenmeier, stellvertretende Schulleiterin. Der öffentliche Platz dazwischen ist nicht nur ein Flaniermeile zum See, sondern auch Marktplatz – das Café wird heute eröffnen. Schon jetzt sind die Aufkleber „I love STHP“ Kult.
Planungen wurden mehrfach angepasst
Dabei sind die Planungen in den Jahren mehrfach angepasst und die Grundrisse gemeinsam erarbeitet worden – die Projektbeteiligten sollten die Räume gemeinsam denken und nutzen. So wurde die Lehrküche aus dem 4. Stockwerk der Schule ins Erdgeschoss versetzt und hat einen eigenen Zugang – so kann sie auch von der Volkshochschule benutzt werden. Die Schulmensa kann mit den Stadtteilräumen zu einem großen Veranstaltungsraum verbunden werden – ein Novum im Schulbau. „Wir haben die inhaltliche Entwicklung mit der baulichen laufend verknüpft“, sagt Soyka.
Die Erwartungen sind hoch: „Der Campus kann helfen, die Lebensqualität in Steilshoop zu erhöhen“, sagt Kyra Ritter von der Elternschule. Viele Bewohner seien nicht so mobil. „Deshalb sind kurze Wege und die enge Zusammenarbeit zwischen den Projekten besonders wichtig.“ Der Gedanke dahinter: Über die Schule kämen auch die Eltern mit dem Campus und damit der Volkshochschule und beispielsweise ihren Deutschkursen in Kontakt, von der Elternschule sei der Weg zur Beratungsstelle kurz, erste Effekte stellten sich bereits ein.
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Hinrich Bernzen vom Beschäftigungsträger Alraune lobt die architektonische Transparenz. „Wir haben große offene Fenster – die Menschen können die Initiativen sehen. Wir spüren die Neugier der Menschen.“ Und Petra Lafferentz, Alraune-Geschäftsführerin, bringt es auf den Punkt: „Schon die Form des Gebäudes setzt sich ab von den aufeinander gestapelten Kisten: hier geht es um etwas Anderes“
Trotzdem sind damit noch nicht alle Probleme von Steilshoop gelöst: Noch immer spottet die Anbindung des Stadtteils und damit auch des Campus mit Bussen jeder Beschreibung. Und wer anreist, muss durch die Tristesse des Einkaufszentrums Steilshoop mit Leerstand und Ein-Euro-Shops. Und doch wirkt das Millioneninvestment: Eine Mutter in der Elternschule sagte: „Ich bin so stolz auf Steilshoop, dass wir es wert sind.“