Hamburg. Neun Zwischenfälle im Umfeld der Landebahnen. Jet von Eurowings in Gefahr. Ein Hamburger schoss eine Drohne sogar ab.
Das Flugzeug aus Sardinien, ein Airbus A320, war am 22. Juni um 12.15 Uhr bereits im Landeanflug auf den Flughafen Hamburg , als in 900 Meter Höhe und im Sichtfeld der Piloten plötzlich ein kleines Flugobjekt mit vier Rotoren auftauchte – eine Drohne. Derartige Begegnungen im Luftraum, von denen seit Jahren immer mehr gezählt werden, gelten als hochriskant.
Doch die Eurowings-Piloten, die ihre Sichtung sofort an die Deutsche Flugsicherung (DFS) weitergaben, kamen mit dem Schrecken davon. Kurz darauf setzte der Ferienflieger sicher am Hamburger Flughafen auf.
Flugsicherung: Gefährdungslage am Airport Hamburg
Es war wohl knapp. Zumindest so knapp, dass die DFS vier Tage später von einer Gefährdungslage sprach. In dieser Höhe, auf 900 Metern, hätte das unbemannte Luftfahrtzeugsystem (UAS) niemals fliegen dürfen, die Drohnenverordnung erlaubt eine Höhe von maximal 100 Meter. Zwar gab es in Deutschland bisher keine Kollision zwischen einer Drohne und einem Verkehrsflugzeug. Experten sind jedoch sicher: Ein Zusammenstoß mit dem Triebwerk und vor allem dem Cockpit kann katastrophale Folgen haben.
Aus Sicht der Polizei handelte es sich bei dem Vorfall vom 22. Juni denn auch keineswegs um eine Petitesse: Um den Piloten der vermutlich bei Neu-Wulmstorf aufgestiegenen Drohne ausfindig zu machen, startete sie einen Zeugenaufruf und leitete Ermittlungen wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr ein – letztlich vergebens.
Inzwischen hat die Hamburger Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt, der Täter habe nicht ermittelt werden können, sagte Behördensprecherin Nana Frombach auf Anfrage. Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft dieses Jahr drei Strafverfahren im Zusammenhang mit Drohnenflügen gegen unbekannt eingeleitet.
Senat warnt vor Gefahr für den Flugverkehr
Das Problem mit nicht vorschriftsmäßig betriebenen Drohnen könnte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. In Deutschland gibt es fast 500.000, 455.000 werden privat, 19.000 kommerziell genutzt. Der Verband unbemannte Luftfahrt schätzt, dass bis 2030 bundesweit rund 850.000 Drohnen im Einsatz sein könnten – damit steigt aber auch die Gefahr des Missbrauchs. Die Pilotenvereinigung Cockpit fordert deshalb unter anderem eine Ausrüstung mit Antikollisionslichtern.
Dazu passt, dass die Zahl der Drohnensichtungen durch Piloten seit Jahren steigt. Die meisten Flugobjekte entdeckten sie bei Starts und Landungen im Umfeld deutscher Flughäfen, rund 15 Prozent dieser potenziell gefährlichen Begegnungen spielten sich auf freier Strecke ab.
Die Gesamtzahl stieg von 14 im Jahr 2015 auf 64 im Jahr 2016. 2017 wurden bundesweit 88 Fälle registriert, 2018 waren es 158, und bis Ende Oktober dieses Jahres 117. Im Bereich des Hamburger Flughafens seien bis Ende Oktober neun Sichtungen (2018: 12) gemeldet worden, sagte DFS-Sprecherin Kristina Kelek auf Abendblatt-Anfrage.
Kein Transponder: Drohnen sollten amtlich registriert werden
Nur im Umfeld der Flughäfen Frankfurt (26), München (13), Berlin-Tegel (13) und Düsseldorf (12) seien in den ersten zehn Monaten mehr Drohnen erfasst worden. Die Gefahr, die von den Fluggeräten ausgehe, sei nicht zu unterschätzen. „Man sollte solche Sichtungen sehr ernst nehmen“, sagt Kelek. Die DFS sei nicht gegen Drohnen, diese „müssen nur fair und sicher in den Luftverkehr integriert werden“. Deshalb setze sich die DFS auch dafür ein, dass Drohnen in Zukunft amtlich registriert werden.
Weil die meisten Drohnen nicht mit einem Transponder ausgestattet und daher für das Radar unsichtbar sind, kann die Flugsicherung auch nicht vor ihnen warnen. Die Piloten erkennen sie erst auf Sicht. Ähnlich sieht es der Senat. „Grundsätzlich ist festzustellen, dass von sogenannten unkooperativen Drohnen, also Drohnen, deren Steuerer sich versehentlich oder absichtlich nicht regelkonform verhalten, eine Gefahr für den Luftverkehr ausgehen kann“, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karl-Heinz Warnholz.
Privatmann schoss Drohne über seinem Grundstück ab
Seit zwei Jahren gelten für Drohnen verschärfte Regeln. So müssen die Quadrocopter zu Flughäfen einen Abstand von mindestens 1,5 Kilometern einhalten, bei Menschenansammlungen sind es 100 Meter. In „sensiblen Zonen“ wie Flughäfen sind Drohnenflüge komplett verboten.
Gegen die Bestimmungen, so der Senat, sei bis Ende Oktober fünfmal verstoßen worden. Jeweils einen Verstoß registrierte die Landesluftbehörde nach Hinweisen durch die Polizei am Flughafen, am Airbus-Firmengelände auf Finkenwerder und an den Hubschrauberlandeplätzen des Bundeswehrkrankenhauses in Wandsbek und der Asklepios Klinik St. Georg.
Bußgelder bis zu 50.000 Euro
In einem weiteren Fall kreiste eine Drohne zu dicht über einer Menschenmenge. 2018 seien vier Verstöße erfasst worden. Bis Ende Oktober 2019 habe die Luftaufsicht der Hamburger Verkehrsbehörde 30 Drohnen im Betrieb stichprobenartig überprüft. Bei den Kontrollen seien keine Verstöße festgestellt worden, so der Senat.
Wer gegen die Vorschriften verstößt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro rechnen. Die bisher verhängten Bußgelder liegen aber deutlich darunter. So seien die Betroffenen in fünf der neun bis Oktober 2019 abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitsverfahren „wirksam verwarnt“ worden, so der Senat.
In den übrigen Verfahren sei das Fehlverhalten der Drohnenpiloten mit bis zu 450 Euro Bußgeld geahndet worden. Derzeit laufen noch vier weitere Verfahren. 2018 kamen laut Senat 14 Ordnungswidrigkeitsverfahren zum Abschluss.
Warum der Drohnen-Abschuss legal war
Zivile Drohnen stoßen nicht nur bei Piloten auf Skepsis. Einen Quadrocopter, der über seinem Privatgrundstück am Kirchwerder Elbdeich schwebte, brachte der Hausherr Anfang August zum Absturz, möglicherweise durch gezielten Beschuss mit einem Luftgewehr oder einer Zwille.
Konsequenzen drohen ihm wohl nicht: Nach einem Drohnen-Abschuss in Sachsen billigte das Amtsgericht Riesa dem Schützen das Recht auf Selbsthilfe zu. Er habe davon ausgehen müssen, dass jemand mit der Drohne Bilder machen und sein Persönlichkeitsrecht verletzen wolle.