Hamburg. Spender können über Stiftungsrat bei Vergabe mitentscheiden. Erste Projekte gegen Demenz und Frühgeburten.
Mit der Gründung der „Stiftung zur Förderung der Universitätsmedizin Hamburg-Eppendorf“ will das UKE seine Forschung intensiv ausbauen. Dazu haben sich nun 23 Forscher und zwölf weitere Persönlichkeiten und Stiftungen zusammengefunden.
„Wir wollen gesellschaftlich relevante Projekte finanzieren“, sagt Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor und UKE-Vorstandsvorsitzender. Hamburg sei eine Bürgergesellschaft mit starkem Bürgersinn. Das Modell berge viele Chancen für die Stadt und die Forschung. Zwei Projekte von jungen Ärzten werden bald aus den ersten Spendengeldern finanziert. „Da geht es um den Beginn des Lebens und das Ende des Lebens“, sagt Göke.
Vermeidung von Frühgeburten
So forscht Anna Wöstemeier zur Vermeidung von Frühgeburten – mit acht Prozent hat Deutschland eine sehr hohe Quote. Sie will in Immunzellen Marker identifizieren, die das Risiko erhöhen könnten. Eine große Studie soll die nötige Datenbasis erbringen. Ein weiteres Forschungsprojekt von Ghazal
Aarabi widmet sich der Demenz, an der in Deutschland 1,7 Millionen Menschen leiden. Es will den möglichen Zusammenhang zwischen Entzündungen der Mundhöhle und Demenz erkunden.
Welche Projekte gefördert werden, entscheidet das Kuratorium, dem derzeit 35 Personen angehören. Es arbeitet wie eine Bürgerstiftung: Jeder Stifter kann mit einer Einlage von 10.000 Euro ein Jahr Mitglied des Kuratoriums sein; wer 100.000 Euro gibt, ist zehn Jahre dabei; mit 500.000 Euro bekommt man lebenslang Zugang. Geldgeber sollen sich zudem mit dem UKE, seinen Medizinern und Forschern austauschen können. Langfristig erhofft sich Stiftungsvorstand Rainer Süßenguth ein Stiftungsvermögen von 100 Millionen Euro.
Kuratorium entscheidet über Anträge
Die Idee ist dabei so einfach wie schlüssig: Um junge Ärzte besser auszubilden und ans UKE zu binden, aber auch um wichtige Forschungsansätze zu realisieren, soll die neue „Stiftung zur Förderung der Universitätsmedizin am UKE“ aussichtsreiche Forschungsprojekte an der Klinik unbürokratisch finanzieren. Der Bedarf ist da: Schon kurz nach der Aufnahme der Arbeit lagen der Stiftung zwölf Anträge vor. In der Präambel der Förderrichtlinie heißt es ausdrücklich: „Die Stiftung soll nicht die reguläre Finanzierung der Stadt Hamburg, der Krankenkassen oder anderer Geldgeber reduzieren oder gar ersetzen.“ Dieser Punkt ist dem UKE-Chef Burkhard Göke wichtig: „Die Politik soll nicht aus der Verantwortung genommen werden.“
Der Stiftung geht es darum, Medizin und Gesellschaft in einen Dialog zu bringen. Um das Klinikum mit der Stadt und der Bürgergesellschaft zu verbinden, wird ein enger Draht zwischen Zustiftern und Medizinern gespannt. So plant das UKE besondere Stiftungsveranstaltungen und Events. Die Entscheidung über die Förderung der Anträge obliegt dann allen Kuratoriumsmitgliedern, Experten wie Laien gleichermaßen – allerdings begutachtet zuvor ein Fachgremium die Anträge.
Sinnvolle Innovationen
Die Größe des Kuratoriums hängt von der Anzahl der Zustifter ab, die mindestens 10.000 Euro mitbringen müssen. Große Unterstützung erfährt die neue Stiftung bereits bei Ärzten am UKE. 23 Mitarbeiter - vornehmlich Lehrstuhlinhaber – sind schon Mitglied im Kuratorium geworden. „Unabhängige medizinische Forschung ist ein hohes Gut und ein Motor für sinnvolle Innovationen mit direktem Nutzen für unsere Patienten“, sagt Prof. Dr. Christian Gerloff, Klinik und Poliklinik für Neurologie. „Eine starke Stiftung wird uns akademisch schneller und besser machen. Ich halte es für maximal wichtig, dass das UKE seine finanzielle Unabhängigkeit in der Forschung ausbaut.“ Die Liste der Unterstützer liest sich wie das Who’s Who im UKE.
Schon vor dem offiziellen Start konnte Stiftungsvorstand Rainer Süßenguth darüber hinaus Zuwender von außerhalb gewinnen. Jeweils 100.000 Euro stellen die Joachim Herz Stiftung und die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung, dieselbe Summe kommt von Ute Louis. „Die Mitwirkung im Kuratorium gibt mir die Möglichkeit, mich aktiv für die medizinische Spitzenversorgung der Menschen in Hamburg einzusetzen“, sagt Louis. „Dass ich dabei als medizinischer Laie noch einen interessanten Einblick in die Leistungen einer Universitätsklinik bekomme, ist eine wunderbare Nebenwirkung.“ Derzeit beträgt das Stiftungskapital 600.000 Euro – bis Ende des Jahres hofft Süßenguth auf eine Million Euro, eine Summe, die sich binnen zehn Jahren verhundertfachen soll.
Neue Art der Forschungsfinanzierung
Dabei hat der Stiftungsvorstand aus Süßenguth, Gerhard Adam und Hermann Schwahn nicht nur Zustiftungen im Blick, sondern auch Spenden und Nachlässe. „Wir wollen Menschen ansprechen, die die die Forschung voranbringen und etwas Gutes tun wollen oder dem UKE etwas verdanken“, sagt Süßenguth. Es sei im weiteren Verlauf nicht ausgeschlossen, dass Forschungsergebnisse verkauft werden – wovon die Stiftung dann wieder profitieren soll.
In Deutschland ist diese Forschungsfinanzierung durch eine Stiftung noch relativ neu, in Übersee haben solche Institutionen Tradition. „Das ist in den USA gang und gäbe“, sagt Prof. Margit Fisch von der Klinik und Poliklinik für Urologie. Göke ist zuversichtlich, dass das innovative Modell die Klinik und den Wissenschaftsstandort voranbringt. „Die Bereitschaft, in Hamburg etwas zu geben, ist sehr groß. Anderswo reden die Menschen viel, in Hamburg machen sie“, sagt Göke, der 2015 von der Isar an die Elbe wechselte. Den Beweis können die Hamburger nun antreten.