Hamburg. Nahe dem Desy und auf dem Gelände der Trabrennbahn soll ein Areal Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen vereinen.

Die Pressekonferenz lief bereits 52 Minuten, da beugte der Bürgermeister sich vor, und es brach aus ihm heraus: „Das ist eure Zukunft!“, rief Peter Tschentscher (SPD). „Das sind super Jobs und faszinierende Entwicklungen, das macht die Stadt künftig stark.“ Den Journalisten galt das allerdings nicht, sondern einigen Schüler im Saal, die am Dienstag im Rathaus in Begleitung von Besuchern mitverfolgten, wie der Senatschef für die Vision von der Science City Bahrenfeld warb.

Es folgten weitere, mit Bedeutung aufgeladene Worte: Das Vorhaben biete „eine sehr, sehr großartige Perspektive für den Wissenschaftsstandort Hamburg“, sagte Tschentscher. „Es wird nicht lange dauern, bis Nobelpreisträger dabei sein wollen“, sagte Universitäts-Präsident Dieter Lenzen. „Man muss den Mund auch mal voll nehmen.“ Fast schon zurückhaltend klang dagegen Helmut Dosch, Chef des in Bahrenfeld ansässigen Forschungszentrums Desy, mit diesem Satz: „Hamburg setzt mit der Science City das Signal, dass Hightech ein wichtiger Faktor für die Entwicklung einer Metropole ist.“

CDU: Aus Vision muss zügig Wirklichkeit werden

Ob die Science City großartig wird, muss sich noch zeigen. Groß ist allerdings das Vorhaben, finanziell wie städtebaulich: Von einem Milliardenprojekt war die Rede und von Einrichtungen, die sich auf einer Fläche von 125 Hektar erstrecken sollen. Wie gut das Areal verkehrlich erschlossen sein wird, ist noch unklar. In der Senatsmitteilung ist vage von einem „intelligenten Mobilitätssystem“ die Rede. Dazu zählen wird dem Konzept zufolge ein „direkter Zugang zum Schnellbahnsystem“. Das könnte bedeuten: Womöglich wird die neue Bahnlinie U 5 die Science City erschließen. Das sei zumindest eine „interessante Option“, sagte der Bürgermeister. Denkbar sei auch eine Anbindung durch die S-Bahn. Beide Möglichkeiten würden geprüft.

Unklar ist auch, was das Vorhaben Science City genau kosten wird. Was jetzt vorliege, sei ein Grundkonzept, sagte Tschentscher. Es gebe zu viele Einzelprojekte, um jetzt schon die Gesamtausgaben beziffern zu können. Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sprach von einem „städtebaulichen Setzkasten“.

Peter Tschentscher zur Science City: "Es ist ein Masterplan"

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    „Die vom Senat vorgestellten bunten Bilder zur Science City Bahrenfeld sind natürlich beeindruckend“, sagte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Carsten Ovens. „Doch wenn man nach Zeitplan und Kosten fragt, gibt es lediglich die Antwort, dass dies ein Projekt für die ‚nächsten Generationen‘ sei. Es muss nun zügig aus einer kühnen Vision auch Wirklichkeit werden, und dafür müssen realistische Meilensteine zeitnah vorgestellt werden.“

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    Ovens kritisiert zudem „taktische Spielchen von Rot-Grün“. In der vergangenen Woche sei der Wissenschaftsausschuss von den Grünen darum gebeten worden, das Thema „Science City Bahrenfeld“ ins Frühjahr zu verschieben. Man könne dann vor Ort darüber diskutieren, habe es geheißen, sagte Ovens. „Nun prescht der rot-grüne Senat vor und präsentiert der Öffentlichkeit, was eigentlich letzte Woche im Ausschuss hätte stattfinden sollen. Mehr Missachtung kann man einem Parlament kaum entgegenbringen.“

    Desy-Chef: „Wir hängen nicht am Gängelband der Industrie“

    Dem Senat zufolge wird es in der ­Science City drei Schwerpunkte geben: die Ansiedelung von Instituten der Universität, das Projekt „Wohnen am Volkspark“ und den Ausbau des Forschungszentrums Desy. Im Einzelnen ist beispielsweise Folgendes geplant:


    1. Die Chemiker der Universität sollen nach Bahrenfeld umziehen, ebenso wie die Physiker und ein Großteil der Biologen. Neben einem neuen Campus der Universität sind auch Gästehäuser geplant. Mehr als 5000 Studierende sollen auf dem Areal künftig lernen.


    2. Auf dem Gelände der Trabrennbahn
    sollen 2500 neue Wohnungen entstehen und zusammen mit Erholungsräumen ein attraktives Umfeld für Studierende, Forscher und Kreative schaffen.

    Das neue Quartier Science City Bahrenfeld

    Forschen, studieren, wohnen – so stellen sich die Planer das Leben in der Science City Bahrenfeld vor.
    Forschen, studieren, wohnen – so stellen sich die Planer das Leben in der Science City Bahrenfeld vor. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Auch 2500 Wohnungen sollen entstehen.
    Auch 2500 Wohnungen sollen entstehen. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Auf einem 125 Hektar großen Areal soll die Science City Bahrenfeld entstehen.
    Auf einem 125 Hektar großen Areal soll die Science City Bahrenfeld entstehen. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Blick auf den Desy-Turm.
    Blick auf den Desy-Turm. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Der Campus soll autofrei werden.
    Der Campus soll autofrei werden. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Rund um das Forschungszentrum Desy und auf der heutigen Trabrennbahn soll ein Areal entstehen, das Wohnen, Wirtschaft und Wissenschaft miteinander verzahnt.
    Rund um das Forschungszentrum Desy und auf der heutigen Trabrennbahn soll ein Areal entstehen, das Wohnen, Wirtschaft und Wissenschaft miteinander verzahnt. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH, Visualisierung: Moka-studio, Luftbild: Matthias Friedel
    Ein Tagungszentrum ist ebenfalls geplant.
    Ein Tagungszentrum ist ebenfalls geplant. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Blick Richtung Luruper Chaussee.
    Blick Richtung Luruper Chaussee. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Kraft tanken können Studenten in der Mensa und in dem grünen Außenbereich.
    Kraft tanken können Studenten in der Mensa und in dem grünen Außenbereich. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
    Eine futuristisch anmutende Brücke im neuen Quartier.
    Eine futuristisch anmutende Brücke im neuen Quartier. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH/Visualisierung: Moka-studio
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    3. Auf einer Fläche im Dreieck Luruper Hauptstraße, Elbgaustraße und Vorhornweg wird der Innovationspark Altona entstehen. Dort sollen Start-ups und Firmen mit der Wissenschaft an neuen Technologien forschen. Dabei wird es schwerpunktmäßig um Biowissenschaften, Nanotechnologie und neue Materialien gehen. Die schrittweise Inbetriebnahme ist ab Mitte 2023 geplant.


    4. Schon im April
    soll der Bau des Innovationszentrums Bahrenfeld beginnen. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt des Desy, der Universität Hamburg und der Stadt. Das Gebäude mit 2600 Qua­dratmetern Nutzfläche wird am Übergang zwischen Luruper Hauptstraße und Luruper Chaussee auf Höhe der Stadionstraße entstehen. Die Inbetriebnahme ist laut Desy für Herbst 2020 geplant. Zur Finanzierung hat die Stadt 14,2 Millionen Euro bereitgestellt. Geplant sind Büros mit etwa 100 Plätzen sowie mit Laborflächen für Existenzgründer, Start-ups und etablierte Firmen. Auch hier soll es um Biowissenschaften wie Chemie und Medizin, Laser- und Nanotechnologie sowie Materialwissenschaften gehen.

    Das können Sie von der Science City Bahrenfeld erwarten

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      5. Unter der Federführung des Desy soll in Bahrenfeld ein weiteres Technologiezentrum gebaut werden, in dem hauptsächlich größere Start-up-Firmen unterkommen können, die aufwendige bio- und nanotechnologische Vorhaben umsetzen wollen und etwa Medizintechnik und neue Medikamente entwickeln. Dieses Vorhaben unterstützt der Bund mit 95 Millionen Euro. Hamburg wird zusätzlich rund zehn Millionen beisteuern, die für den Betrieb in den ersten Jahren genutzt werden sollen.

      Dass es durch die engere Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft zu einer Einflussnahme von Dritten auf die Forschung kommt, befürchtet Desy-Chef Dosch nicht. „Wir sind noch meilenweit entfernt davon, am Gängelband der Industrie zu hängen“, sagte er.