Hamburg. In den roten Bussen kommen Ansagen künftig nur noch vom Band. Hintergrund ist ein Streit inklusive drohender Millionenforderung.

Seit Jahrzehnten schon prägen die rund 20 knallroten Doppeldecker-Busse von Katharina Fest das Hamburger Stadtbild. Ein Trupp aus 60 bis 80 Tourguides kümmert sich bislang darum, Touristen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erklären – vom Michel bis zur Elbphilharmonie.

Doch mit der direkten Ansprache in den Bussen wird es ab dem 6. Januar 2020 bei dem Hamburger Marktführer erst einmal vorbei sein. "Wir müssen leider auf unsere menschlichen Tourguides verzichten und auf automatische Bandansagen umstellen", sagt die Geschäftsführerin der Firma Hamburger Stadtrundfahrt – Die Roten Doppeldecker GmbH. Zuerst hatte der NDR darüber berichtet.

Hohe Nachforderung von der Rentenversicherung

Hintergrund der Umstellung ist ein Streit mit der Deutschen Rentenversicherung. Diese ist der Ansicht, dass Tourguides wie Festangestellte arbeiten – und die Unternehmen deshalb Sozialabgaben leisten müssen.

Einen Bescheid über die Nachzahlung von 430.000 Euro haben die roten Doppeldecker laut Fest schon erhalten. "Insgesamt rechnen wir mit Forderungen von 1,2 Millionen Euro", so die Geschäftsführerin zum Abendblatt. "Die Rentenversicherung will nicht akzeptieren, dass unsere Tourguides freiberuflich arbeiten und auch noch viele andere Auftraggeber außer uns haben."

Festanstellung keine Option

Gegen die Bescheide der Versicherung habe ihr Unternehmen nun Klage eingereicht. "Wir wollen die Angelegenheit grundsätzlich klären lassen und sind dafür auch bereit, bis in die letzte Instanz zu gehen", sagt Fest.

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Eine Festanstellung der freiberuflichen Reiseführer kommt für die Doppeldecker-Chefin nicht infrage. "Die meisten unserer Honorarkräfte arbeiten nur ein- oder zweimal die Woche für uns und möchten gar nicht festangestellt werden." Zudem könne die Anstellung der Guides im laufenden Rechtsstreit als eine Art Schuldeingeständnis gewertet werden. "Dadurch würden wir jede Chance verlieren, das Verfahren zu gewinnen."

"Es fehlt die persönliche Note"

In der Sache bedauert die Chefin sehr, keine Reiseführer mehr in den Bussen einsetzen zu können. "Bei einem Audiosystem fehlt einfach die persönliche Note. Mit menschlichen Guides ist eine Stadtrundfahrt viel lustiger." Allerdings kämen Ansagen in fremden Sprachen auch heute schon vom Band.

Nach Abendblatt-Informationen sollen auch andere Veranstalter von Stadtrundfahrten unangenehme Post von der Rentenversicherung erhalten haben. Einige stellten die Honorarkräfte daraufhin ein, andere reduzierten die Zahl der Guides.

Scharfe Reaktion der Linken

Mit scharfer Kritik reagierten einige Politiker auf die Pläne, menschliche Guides zu ersetzen. Dies sei ein Offenbarungseid über die Arbeitsbedingungen in diesem Gewerbe, sagte Stephan Jersch, tourismuspolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion Die Linke. „Ihr Versuch, Arbeitsrecht zu umgehen und die Rentenbeiträge einzusparen, ist von der Rentenversicherung zurecht angegangen worden.“

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Doch auch die Stadt sieht Jersch mit im Boot. „Sie ist es, die die Stadtrundfahrten ausschreibt und den Busunternehmen die Haltestellen zur Verfügung stellt“, so der Politiker. „Ich erwarte ein klares Signal an die Rundfahrtunternehmen: Der Verzicht auf menschliche Tourguides muss Auswirkungen auf die nächste Ausschreibung der Rundfahrten haben, die Begleitung der Rundfahrten durch ortskundige Guides muss zumindest bei der nächsten Ausschreibung eine Bedingung sein.“