Hamburg. Rechtsanwältin kritisiert lange Fristen vor Hamburger Familiengerichten. Dies sei vor allem für Alleinerziehende unzumutbar.
Auf der Homepage ihrer Kanzlei hat sich Anna Konerding für diesen Wahlspruch entschieden: „Es gibt für alles eine Lösung!“ Mitunter aber hat es die erfahrene Rechtsanwältin nicht leicht mit dem optimistischen Angang an Probleme. Vor allem dann, wenn sie deren Lösungen kaum beeinflussen kann.
Als die Anwältin der Kanzlei am Borselhof in Altona jüngst um die Terminierung eines Verfahrens beim Amtsgericht Altona in ihrem Fachgebiet Familienrecht bat, erhielt sie als Antwort, dass die Verhandlung erst Ende Mai 2020 stattfinden könne. Zur Begründung für die „hohe Vorlauffrist“ von mehr als einem halben Jahr nannte das Amtsgericht den „derzeitigen hohen Aktenumlauf“ sowie die „Vielzahl zu entscheidender Kindschaftssachen“.
Gericht kann den Termin auch aufheben
Weiter heißt es in dem Schreiben: „Das Gericht hätte den Termin auch aufheben und erst bei einer Verbesserung der derzeit hohen Belastungssituation einen neuen Termin anberaumen können. Stattdessen hat sich die Vorsitzende für eine Neuterminierung auf einen relativ realistischen Zeitpunkt entschieden.“ Zugespitzt klingt die Antwort in etwa so: „Seien Sie froh, dass Sie überhaupt einen Termin bekommen haben.“
Details des Verfahrens gibt Anna Konerding mit Rücksicht auf das Mandanten-Geheimnis nicht preis. Es handele sich ohnehin um ein grundsätzliches Problem: „Wir warten auch in anderen Fällen teils Monate auf Termine oder Protokolle. Wirklich schnell geht es nur dann, wenn sich das Gericht für unzuständig erklärt oder aber in Fällen, in denen es um Kinder geht – da klappt es noch gut und auch flexibel.“
Wobei es ihr keineswegs um eine Kritik an Richtern oder Justizfachangestellten geht, im Gegenteil: „Ich weiß, dass sie ihr Möglichstes tun. Sie arbeiten an der Belastungsgrenze. Zu lösen sind die Probleme nur mit der Aufstockung des Personals.“ Dabei müsse man zügig handeln, da es bei Streitigkeiten im Familienrecht in aller Regel „nicht um Luxus-Probleme“ gehe, „ob jemand nun 5000 oder 6000 Euro monatlich Unterhaltsanspruch hat“.
Scheidungen ziehen sich hin
Die Rechtsanwältin sagt: „Wir vertreten zum Beispiel Alleinerziehende und Kinder, die auf jeden Euro angewiesen sind. Für diese Mandantinnen ist es unzumutbar, dass sie so lange auf Entscheidungen warten müssen. Es geht aber auch um Scheidungen. Hier wollen beide Seiten endlich einen verbindlichen Schlussstrich. Und dies zeitnah.“
Trotzdem verteidigt sie den Rechtsstaat: „Ich sage in Mandantengesprächen, dass wir ein großartiges Rechtssystem mit exzellenten Richtern haben. Aber dieses Vertrauen in den Rechtsstaat wird untergraben, wenn man Monate auf seinen Termin wartet. “
In der Justizbehörde werden Einzelfälle wegen der Zuständigkeit der Gerichte grundsätzlich nicht bewertet. „Allgemein lässt sich aber sagen, dass wir es sehr bedauern, wenn es zu langen Wartezeiten auf einen Gerichtstermin kommt“, sagte Marayke Frantzen, Sprecherin der Justizbehörde. Ein Grund für die Dauer aktueller familienrechtlicher Verfahren am Amtsgericht Altona sei, dass in den zurückliegenden Monaten verstärkt Altfälle abgearbeitet worden seien. Außerdem würden sogenannte Kindschaftssachen beschleunigt bearbeitet und gingen daher vor. „Das kann dazu führen, dass etwa komplexe Unterhaltshauptsachen nicht zeitnah vorangebracht werden können“, sagte Frantzen.
Senat hat mehr als 220 neue Stellen seit 2015 geschaffen
Die Senatsantworten auf Kleine Anfragen der FDP-Bürgerschaftsfraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein bestätigen die Aussagen. So dauerten die Verfahren vor dem Familiengericht am Amtsgericht Altona im zweiten Quartal dieses Jahres durchschnittlich 7,7 Monate. Länger mussten Frauen und Männer bei Scheidungen oder Unterhaltsstreitigkeiten nur beim Amtsgericht Blankenese warten: 9,3 Monate. Laut Justizbehörde liegt die Dauer eines Verfahrens hamburgweit bei 6,2 Monaten. Vor zehn Jahren habe der Wert allerdings noch bei rund acht Monaten gelegen.
Der Krankenstand der Richter und Staatsanwälte in Altona war im zweiten Quartal 2019 mit durchschnittlich 4,2 Prozent der höchste aller acht Amtsgerichte. Im Amtsgericht Wandsbek waren, statistisch gesehen, nur 1,4 Prozent der Richter und Staatsanwälte krank. Auch bei den Bürokräften liegt Altona mit einer Krankheitsquote von 11,5 Prozent im oberen Bereich.
Aus einer früheren Anfrage Treuenfels-Froweins ergibt sich, dass der Krankenstand der Altonaer Richter und Staatsanwälte von Januar bis Dezember 2017 sogar 12,3 Prozent betrug – mit weitem Abstand die höchste Quote. Darin dürfte eine Erklärung dafür liegen, dass sich die Zahl der sogenannten Altfälle beim Familiengericht Altona deutlich erhöht hat. Ende 2017 wurden 851 Altfälle registriert, aktuell sind es 1634.
„Um Gerichtsverfahren zu beschleunigen und die Arbeitssituation in der Justiz weiter zu verbessern, läuft seit 2015 eine beispiellose Personaloffensive. Insgesamt sind mehr als 220 Stellen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften geschaffen worden“, sagte die Behördensprecherin. Die Ausbildung werde zudem verstärkt. Im Herbst hätten 88 junge Menschen ihre Ausbildung im Bereich der Geschäftsstellen begonnen.