Hamburg. Grüne küren die Senatorin mit großer Mehrheit. Sie erklärt, wie sie Hamburg zum besseren Ort machen will, und teilt gegen die SPD aus.

Die Latte lag dann doch knapp zu hoch für Katharina Fegebank. Mit 97 Prozent der Stimmen wurde die Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin am Sonnabend in Wandsbek von den Grünen-Mitglieder als Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl am 23. Februar gewählt: 287 der 296 Abstimmenden gaben der 42-Jährigen ihre Stimme.

Damit blieb sie zwar knapp hinter den 99,09 Prozent, die SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher am vergangenen Wochenende bei seiner Nominierung von seinen Genossen bekommen hatte. Aber das sei eh kein Maßstab, hieß es von Spitzengrünen, so ein „Ergebnis, bei dem Erich Honecker im Grab rotiert“ sei bei Grünen weder gewünscht noch zu erwarten.

Frenetischer Beifall für Bewerbungsrede

Umso frenetischer hatten die mehr als 300 Grünen-Mitglieder ihre Spitzenfrau schon vor ihrer rund 20-minütigen Bewerbungsrede gefeiert, in der Fegebank ihren Anspruch bekräftigte, Hamburg nach der Wahl als Erste Bürgermeisterin zu regieren – als erste Frau und erste Grüne in der Geschichte der Stadt. Ihr Ziel sei es, „Hamburg zu einem besseren Ort machen – mit Klarheit im Blick und Optimismus, mit unverstellter politischer Frische und Regierungserfahrung“, sagte Fegebank in ihrer Rede. Die Grünen wollten Hamburg „zur Blaupause der Mobilitätswende“ machen, so dass „wir nicht mehr nach Kopenhagen fahren müssen, sondern Kopenhagen zu uns kommt“.

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Zudem wollten die Grünen das „ambitionierteste Klimaschutzgesetz Deutschlands“ verabschieden. Hamburg solle nicht nur Tor zur Welt, sondern auch „Labor zur Welt“ sein, in dem „jeder mit einer guten Idee eine Chance hat“, so die Bürgermeisterkandidatin. „Wir brauchen Experimente, um zu gucken, wie es klappt, unsere Wirtschaft ökologisch zu transformieren.“ Die Grünen hätten „nicht nur Visionen, wir machen es auch konkret“, sagte Fegebank. Wichtige Konzepte wie das der autoarmen Innenstadt entstünden dabei nicht etwas „beim Aufwachen“, darin stecke viel Arbeit und Vorbereitung. Es gehe darum, wie man Plätze und Wegbeziehungen künftig gestalten und wie man „das Herz der Stadt attraktiver“ machen können, „auch um der Konkurrenz des Online-Handels zu trotzen“.

Seitenhiebe in Richtung SPD

Ohne den Koalitionspartner zu nennen, setzte Fegebank auch den einen oder anderen Seitenhieb auf die SPD. „Wer nicht sagt, wohin er will, der kommt auch nirgendwo an“, so Fegebank. „Ordentliches Regieren ist Pflicht und kein Alleinstellungsmerkmal“, ergänzte sie mit Blick auf den von SPD-Altbürgermeister Olaf Scholz geprägten Ausspruch. „Ein herausragender Erfolg besteht aus Pflicht und Kür und wir sind diejenigen, die beides beherrschen“, so Fegebank. „Wir müssen der Stadt mehr zutrauen und mehr trauen, ich will, dass wir den Mut haben, Dinge einfach zu machen. Dafür brauchen wir konkreten Gestaltungswillen und Kraft, und die haben in Hamburg nur wir.“

Zugleich betonte Fegebank, dass sie „mit offenem Visier“ in den Wahlkampf gehen wolle. „Wir bestimmen, welchen politischen Stil wir vertreten. Persönliche Angriffe mit dem Ziel, dem politischen Gegner zu schaden, werdet ihr von mir weiterhin nicht erleben.“

Hamburg mit „weniger Dreck und Stau“

Die Grünen stünden für ein grünes Hamburg mit „weniger Dreck und Stau“, mit bezahlbaren Mieten, für ein Hamburg, in dem man schnell und preisgünstig überall hinkomme, „für ein Hamburg, das immer Haltung zeigt und in dem Hass und Hetze keinen Platz haben“, für ein „Hamburg, das sich mehr zutraut, für ein Hamburg mit einer grünen Ersten Bürgermeisterin“.

Es solle mit den Grünen „mehr Fortschritt und weniger weiter so“ geben, „mehr wir und weniger ich“, schloss Fegebank ihre Rede. „Lasst uns rausgehen und um jeden einzelnen Menschen werben, und in die kommenden Wochen mit Spielfreude gehen. Lasst uns das beste, fairste und leidenschaftlichste Team sein, lasst uns gemeinsam für Hamburg gewinnen.“

Aktion vom Bündnis Seebrücke

Vor Beginn des Parteitages hatte das Bündnis Seebrücke Hamburg einen offenen Brief an die Grünen-Führung verlesen. Darin forderte die Gruppe die Schließung der Zentralen Flüchtlingsaufnahme-Einrichtung in Rahlstedt. Diese werde wie ein Ankerzentrum betrieben und es herrschten dort „skandalöse Zustände“, heißt es in dem Brief. Die Flüchtlinge hätten keine Privatsphäre, es herrschten eine „unerträgliche Atmosphäre“ und ein „unerträgliches Raumklima“.

Der psychische Druck sei enorm, da es oft nächtliche Abschiebungen gebe. Zudem würden die Menschen gezwungen, sich zwischen 22 und 6 Uhr in ihren Betten aufzuhalten, was einer Freiheitsberaubung gleichkomme. Die Erstaufnahme sei faktisch ein „Ankerzentrum“. Während die Grünen in anderen Bundesländern aus der Opposition gegen Einrichtungen dieser Art protestierten, trügen sie sie in Hamburg mit, so die Kritik der Seebrücke Hamburg. Die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete und Flüchtlingspolitikerin Antje Möller lud Vertreter der Seebrücke-Delegation zu einer Vorstandssitzung des Grünen-Landesvorstandes ein, um sich weiter über das Thema auszutauschen.

Anjes Tjarks auf Platz 2 der Landesliste

Nach der Nominierung Fegebanks als Spitzenkandidatin setzte die Mitgliederversammlung die Listenaufstellung fort. Bis zum frühen Nachmittag wurden ohne Gegenkandidaten Fraktionschef Anjes Tjarks (Platz 2, 87 Prozent Zustimmung), Parteichefin Anna Gallina (Platz 3, 77 Prozent) und Umweltsenator Jens Kerstan (Platz 4, 91 Prozent) als Listenkandidaten für die Bürgerschaftswahl nominiert. Am Sonnabend und Sonntag sollen insgesamt Kandidatinnen und Kandidaten für 60 Plätze aufgestellt werden.