Hamburg. In dem seit Jahren leer stehenden Bau an der Notkestraße könnten mindestens 30 Wohnungen entstehen. Doch die Stadt hat andere Pläne.

Die gelbe Farbe blättert ab, die Fenster im Erdgeschoss sind vernagelt, der Garten ist verwildert, auf einem kleinen Müllhaufen liegt ein altes Bobbycar. Der einst imposanten Kaserne in der Notkestraße in Bahrenfeld ist deutlich anzusehen, dass sie seit Jahren leer steht.

Eine Steilvorlage für das „Hamburger Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik“, hinter dem Diakonie und Caritas, der Mieterverein „Mieter helfen Mietern“ und die Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau stehen. Seit einigen Wochen machen sie mit ihrer Kampagne #einfachwohnen auf Immobilien aufmerksam, in denen Wohnungen nicht genutzt werden oder neu entstehen könnten – wie in der gut 100 Jahre alten Kaserne.

Mit einem symbolischen Spatenstich forderten Kampagnen-Sprecher und Diakonie-Chef Dirk Ahrens, Petra Eggert von der Genossenschaft Schlüsselbund eG und Rainer Schäfer von der Behrens-Stiftung vor dem Kasernengebäude, dass in der Stadt mehr Flächen für den Wohnungsbau für Menschen in Not angeboten werden müssten.

In der Kaserne könnten mindestens 30 Wohnungen entstehen

„Hier könnten wir ohne Probleme innerhalb kürzester Zeit bis zu 30 Wohnungen für Menschen in Not bauen“, sagt Petra Eggert – wobei sich die 30 nur auf ihre Genossenschaft bezog, insgesamt könnte auf dem mehr als 4000 Quadratmeter großen Kasernengelände wohl noch mehr Wohnraum entstehen. „Es gibt soziale Investoren, die sofort für Menschen in Wohnungsnot bauen können. Wir verstehen nicht, warum die Stadt dieses Angebot nicht aufgreift“, kritisierte Ahrens.

Diakonie-Chef Dirk Ahrens (v.l.), Petra Eggert (Genossenschaft Schlüsselbund EG) und Rainer Schäfer (Behrens-Stiftung) beim symbolischen Spatenstich auf dem Gelände Notkestraße 3-5. Die ehemalige Kaserne steht seit Jahren leer.
Diakonie-Chef Dirk Ahrens (v.l.), Petra Eggert (Genossenschaft Schlüsselbund EG) und Rainer Schäfer (Behrens-Stiftung) beim symbolischen Spatenstich auf dem Gelände Notkestraße 3-5. Die ehemalige Kaserne steht seit Jahren leer. © Andreas Dey | Andreas Dey

Er wies erneut drauf hin, dass im im vergangenen Jahr fast 12.000 Haushalten trotz eines Dringlichkeitsscheins für sozial geförderten Wohnraum seitens der Stadt keine Wohnung vermittelt werden konnte. Was auch kein Wunder sei, denn in den vergangenen vier Jahren seien gerade einmal 40 Wohnungen für Wohnungsnotfälle fertiggestellt worden. 5000 müssten es sein, um für Erleichterung zu sorgen.

Das Problem sei jedoch, dass aufgrund der explodierenden Bodenpreise Wohnungsbau für vordringlich Wohnungsuchende kostendeckend nicht mehr möglich sei, sagte Schäfer. Seine Stiftung sei daher, ebenso wie die Genossenschaft Schlüsselbund, auf städtische Flächen angewiesen. „Als Stiftung sind wir dauerhaft dem Ziel verpflichtet, Wohnungen für bedürftige Menschen zu bauen und an sie zu vermieten“, sagt Schäfer. „So tragen wir nachhaltig dazu bei, die Not von Menschen zu lindern, die wenig Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben. Damit wären wir ein idealer Partner der Stadt und würden dies gern noch viel stärker einbringen.“

Stadt will Gelände ankaufen – für Science City Bahrenfeld

Im Fall der Kaserne an der Notkestraße ist jedoch zunächst der Bund am Zug, denn das Gelände gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Wie sie auf Abendblatt-Anfrage mitteilte, werde das Gebäude mit seinen 3000 Quadratmetern Nutzfläche seit Anfang 2016 nicht mehr genutzt und solle verkauft werden, da „kein Bundesbedarf“ mehr bestehe. Die Stadt Hamburg beabsichtige, die Liegenschaft zu erwerben.

Die zuständige Finanzbehörde bestätigte die Gespräche. Die Immobilie solle in den Wissenschaftspark Science City Bahrenfeld integriert werden, Ziel sei eine universitäre Nutzung. Also wohl keine Wohnungen für Menschen in Not.

Dabei wäre es eine schöne Ironie der Geschichte. Denn in der Kaserne war einst das berüchtigte „Freikorps Bahrenfeld“ untergebracht: Das Freiwilligen-Heer hatte 1919 die sogenannten „Sülzeunruhen“ vor dem Rathaus niedergeschlagen, einen Protest einfacher Bürger gegen den Lebensmittelnotstand.