Hamburg. 13 bis 16 Wohnungen in einem Block sollen seit Jahren leer stehen. Das Bezirksamt greift jetzt zu drastischen Maßnahmen.

Es ist nicht so, dass das Problem nicht erkannt wäre. „In Zeiten knapper Wohnungen in den Metropolen ist es nicht tolerierbar, wenn Eigentümer beispielsweise aus Spekulationsabsicht Wohnraum leer stehen lassen, während viele Menschen händeringend bezahlbaren Wohnraum suchen und Hamburg nach wie vor viele unversorgte Dringlichkeitsfälle hat.“

So stand es vor knapp einem Jahr in einem Bürgerschafts-Antrag von SPD und Grünen. Das Ziel lautete: „Leerstand bekämpfen, Bezirke stärken.“ Der Antrag wurde beschlossen, die Bezirke erhielten mehr Mitarbeiter, um die Zweckentfremdung von Wohnraum zu überwachen.

Doch beseitigt ist das Problem damit noch lange nicht, Leerstände sorgen weiterhin in vielen Stadtteilen für Ärger. Erst vergangenen Monat hatte das „Hamburger Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik“, hinter dem unter anderem die kirchlichen Werke Diakonie und Caritas stehen, auf ein Mehrfamilienhaus in Altona hingewiesen, das seit mindestens fünf Jahren komplett leer steht.

Schon 2017 hat „Wir sind Eppendorf“ den Leerstand angezeigt

Keine vier Wochen später nun der nächste Fall, diesmal in Eppendorf: An der Ecke Eppendorfer Landstraße / Gustav-Leo-Straße, im Herzen eines der angesagtesten Stadtteile Hamburgs, sollen 16 Wohnungen seit Jahren leer stehen. Darauf weisen die Bürgerinitiative „Wir sind Eppendorf“ und der Mieter-Anwalt Bernd Vetter hin. Am Sonnabend wollen sie von 12 bis 13 Uhr vor dem roten Backstein-Block aus der Schumacher-Zeit gegen den Leerstand protestieren.

„Das geht schon seit mehreren Jahren so“, sagte Vetter dem Abendblatt. 2017 hätten Mieter in dem Gebäude, in dem es insgesamt rund 40 Wohneinheiten gibt, sowie „Wir sind Eppendorf“ dem Bezirksamt Hamburg-Nord den Leerstand schließlich angezeigt. „Es liegt ein massiver Verstoß gegen das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz vor“, heißt es in einer Mitteilung des Rechtsanwalts. Darin wirft er der Behörde Untätigkeit vor: „Das Bezirksamt Nord duldet in rechtswidriger und pflichtwidriger Weise diesen Leerstand seit Jahren und führt die im Wohnraumschutzgesetz vorgesehenen Zwangsmaßnahmen und Bußgeldverfahren gegen die Eigentümerin nicht durch.“

Auch an der Sierichstraße und in der Jarrestadt sollen viele Wohnungen leer stehen

Derselbe „Skandal“ liege im Übrigen bei Gebäuden in der Sierichstraße und in der Jarrestadt in Winterhude vor, wo ebenfalls eine Vielzahl von Wohnungen leer stehe. Eigentümerin sei in allen drei Fällen die Firma HRP Residential mit Sitz in Luxemburg. Dabei handelt es sich offenbar um eine ehemals Hamburger Firma, die ihren Sitz in das Steuerparadies verlegt hat. Der Bürgerinitiative zufolge hat die Firma die Wohnungen in dem Eppendorfer Block schon vor Jahren in Eigentumswohnungen umgewandelt, verkauft sie aber nicht.

Warum? Darüber kann nur spekuliert werden. Auf eine Anfrage des Abendblatts mit der Bitte um Stellungnahme reagierte HRP Residential nicht. Klar ist, dass die Immobilienpreise in Hamburg seit Jahren steigen und in Eppendorf zu den höchsten zählen. Rund um die Gustav-Leo-Straße sollen 70-Quadratmeter-Wohnungen schon für bis zu 500.000 Euro verkauft worden sein. An laufenden Arbeiten scheitere die Verwertung jedenfalls nicht, so Vetter: „Es werden dort keinerlei Sanierungs- oder Bauarbeiten durchgeführt.“

Bezirksamt Nord erlässt Wohnnutzungsgebote gegen den Eigentümer

Das Bezirksamt Hamburg-Nord weist den Vorwurf der Untätigkeit in allen Fällen entschieden zurück. In der Gustav-Leo-Straße stünden nach Aktenlage des Bezirksamts 13 Wohnungen leer, von denen die überwiegende Zahl besichtigt wurde und sich in tadellosem Zustand befinde. Daher werde das Bezirksamt für diese Wohnungen ein Wohnnutzungsgebot erlassen. Das geschehe auch, weil der Besitzer für die angekündigten Um- und Dachgeschossausbauten bislang keinen Bauantrag gestellt habe.

Ähnlich sehe es in der Sierichstraße aus: Auch hier habe der Eigentümer umfangreiche Arbeiten – Dachgeschosse sollen ausgebaut, Fahrstühle erneuert und Fassaden instandgesetzt werden – angekündigt, aber keinen Bauantrag gestellt. Daher habe das Bezirksamt bereits im September für 20 der Wohnungen ein Wohnnutzungsgebot erlassen. „Der Bevollmächtigte des Eigentümers hat Widerspruch angekündigt“, so das Bezirksamt.

Auch in der Jarrestadt seien Wohnungen vorhanden, „die unmittelbar vermietbar wären“, so die Behörde. Inzwischen habe sich der Eigentümer offensichtlich dafür entschieden, den Umfang der geplanten Sanierungen zu verringern und die bereits fertiggestellten Wohnungen dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Die übrigen Wohnungen sollten nach und nach folgen.

Parallel habe das Bezirksamt im August einen Bußgeldbescheid wegen überhöhter Mietpreise erlassen: „Die Geldbuße lag in einem fünfstelligen Euro-Bereich. Hiergegen hat der Eigentümer Einspruch eingelegt. Gegen einen weiteren Bußgeldbescheid in einer empfindlichen sechsstelligen Höhe aus dem September wegen verspäteter Leerstandsanzeige wurde inzwischen ebenfalls Einspruch eingelegt.“

Offiziell stehen in Hamburg 1700 Wohnungen leer – inoffiziell etwa 3500

Über den Leerstand in Hamburg gibt es unterschiedliche Angaben. Der Senat hatte im Juni auf Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion die Zahl der leerstehenden Wohnungen mit 1739 angegeben, die mit Abstand meisten davon (792) im Bezirk Mitte, gefolgt von Nord (335), Altona (223) und Harburg (211). Der Mieterverein zu Hamburg sowie der Verein Mieter helfen Mietern geht dagegen davon aus, dass etwa 0,5 Prozent der 720.000 Wohnungen zumindest temporär leer stehen – das wären rund 3500.

Allerdings ist nicht jeder Leerstand illegal, sondern oft nur der Tatsache geschuldet, dass ein Gebäude abgerissen und neugebaut werden soll oder dass Umbauten oder Sanierungen anstehen. Grundsätzlich gilt: Leerstände von mehr als vier Monaten müssen die Eigentümer den Behörden anzeigen – andernfalls liegt ein Verstoß gegen das Wohnraumschutzgesetz vor.

„Ein Teil des Leerstands ist strukturell, der andere spekulativ“, sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Nach seiner Beobachtung tun sich die Bezirksämter schwer, die schwarzen Schafe zu verfolgen, denn die Zweckentfremdung sei oft schwer nachzuweisen – etwa wenn Eigentümer vorgaukelten, dass an einem Objekt noch gearbeitet wird. Dennoch sieht Chychla auch die Politik in der Pflicht: „Ein Grund, warum die illegalen Leerstände nicht mit mehr Nachdruck erfolgt werden, ist Personalmangel.“