Hamburg . Restaurants legen Ruhetage ein, weil es kein Personal gibt. Dehoga-Präsident Franz Klein: „Die Situation wird immer dramatischer“
Hotels, Bars und Restaurants eröffnen in Hamburg am laufenden Band. Doch es gibt ein großes Problem: Mitarbeiter werden dringend gesucht. Die Gastronomen gehen inzwischen ungewöhnliche Wege, um Personal zu rekrutieren: „Werde Teil des Rock-’n’-Roll-Teams!“ – so wirbt das Hard Rock Cafe an den Landungsbrücken in sozialen Netzwerken um neue Mitarbeiter und lädt zu zwei Bewerbungstagen am 11. und 12. November ein.
„Jeder, der Interesse an einem Job hat, zum Beispiel im Service, in der Küche oder als Barkeeper, kann ohne Anmeldung vorbeikommen. Es werden dann vor Ort die Gespräche geführt. Wir brauchen ständig neue Mitarbeiter“, sagt Anna Janina Meyer, zuständig für Sales & Marketing im Hard Rock Cafe, das täglich bis zu 1000 Gäste bewirtet. Die Fluktuation sei hoch, besonders in der Küche, so Meyer.
Einige Lokale öffnen nur noch abends
Wie ernst die Lage in Hamburg ist, weiß Franz Klein, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Hamburg: „Wir gehen davon aus, dass rund 5000 Stellen in der Gastronomie und Hotellerie nicht besetzt sind. Die Situation wird immer dramatischer.“ Der Branchenexperte nennt Beispiele: „Es gibt Restaurants, die nur noch fünfmal in der Woche öffnen oder nur noch abends und nicht mehr das Mittagsgeschäft mitnehmen, weil sie schlichtweg nicht genügend Personal haben.“ Die von Klein genannten 5000 fehlenden Mitarbeiter sind Schätzungen. Laut dem Fachkräftemonitor Hamburg 2019 von der Handelskammer ist von 4200 unbesetzten Stellen im Gastgewerbe die Rede. Tendenz steigend.
Die Voraussetzungen sind gering: „Bei uns bekommt jeder eine Chance, der in unser Team passt und Spaß an der Gastronomie hat. Wer bei uns arbeiten möchte, braucht keine Ausbildung“, sagt Anna Janina Meyer vom Hard Rock Cafe. Das Restaurant mit Blick auf den Hafen beschäftigt bis zu 200 Mitarbeiter und buhlt um Personal. So verspricht das Hard Rock Cafe den neuen Angestellten ein „kostenloses und täglich wechselndes Essensangebot“, „intensive Trainings- und Förderprogramme“, „Mitarbeiterevents“ und „flache Hierarchien“.
Dehoga-Präsident fordert faire Bezahlung
Auf der Suche nach Personal ist auch Hotelier Kai Hollmann, einer der Gründer der 25hours Hotels. Unter anderem gehören auch das Gastwerk in Bahrenfeld und das The George in St. Georg zu seinem kleinen Imperium. „Wir haben vor Kurzem unser neues Pierdrei Hotel in der HafenCity eröffnet, und auch hier haben wir wieder die Personalengpässe zu spüren bekommen. Vor allem in der Gastronomie des Hauses haben wir noch unbesetzte Stellen. Im Restaurant haben wir deshalb zunächst zwei Ruhetage“, sagte Hollmann dem Abendblatt. Die Probleme der Branche seien hausgemacht, jahrelang sei die Ausbildung des Nachwuchses vernachlässigt worden. In den Betrieben von Hollmann in Hamburg sind rund 700 Mitarbeiter tätig. „Wir kümmern uns um unser Personal“, so Hollmann. „Dazu gehören eine gute Bezahlung und regelmäßige Schulungen, und besonders fördern wir natürlich unsere Auszubildenden.“
Dass die Herausforderung für die Branche immer größer wird, bestätigt Dehoga-Präsident Klein: „Es werden in den kommenden Jahren etwa 30 neue Hotels in Hamburg eröffnen, und die brauchen alle Mitarbeiter, deshalb müssen wir vor allen Dingen junge Leute für Gastronomie und Hotellerie begeistern und am Image der Branche arbeiten. Natürlich muss es eine faire Bezahlung geben und einen Anreiz dafür, dass man auch an den Wochenenden und abends arbeitet, wenn andere Freizeit haben.“
Rach & Ritchy schließt Ende 2019
Ein Blick in den Lohn- und Gehaltstarifvertrag, den die Dehoga mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) abgeschlossen hat, zeigt, wie hoch der Verdienst ist: So bekommt beispielsweise ein Restaurantfachmann mit abgeschlossener Ausbildung im ersten Berufsjahr 1915 Euro brutto pro Monat – wobei zahlreiche Betriebe über Tarif bezahlen. Aber Klein ist auch wichtig: „Die Branche bietet sichere Arbeitsplätze und sehr gute Aufstiegschancen.“
Hamburg wird bei den Gästen aus dem In- und Ausland immer beliebter. In diesem Jahr wird die 15-Millionen-Marke bei den Übernachtungen geknackt. Aber gerade deshalb wird Personal dringend gebraucht. „Tourismus ist eine Branche von Menschen für Menschen. Das höchste Gut für einen Gast ist die Servicequalität. Ohne ausreichendes und qualifiziertes Personal fällt es schwer, der Gastgeberrolle gerecht zu werden“, sagte Hamburg-Tourismus-Chef Michael Otremba dem Abendblatt.
Die Personalproblematik in der Branche ist auch Ritchy Mayer, Küchenchef und Geschäftsführer vom Grillhaus Rach & Ritchy am Holstenkamp in Bahrenfeld, bekannt. Das schließt zum Jahresende, allerdings weil „ich nach zehn Jahren einfach mal Lust auf etwas anderes habe, vielleicht mache ich ein kleines Bistro auf“, sagte Mayer dem Abendblatt. Einer der Namensgeber von Rach & Ritchy ist Christian Rach; der im Fernsehen sehr präsente ehemalige Sternekoch ist aber schon seit Längerem nicht mehr in dem Restaurant aktiv tätig. An dem Standort am Holstenkamp hatte Rach, der auch Juror der Vox-Kochshow „Grill den Henssler“ ist, im Jahr 1989 sein Restaurant Tafelhaus eröffnet.