Hamburg. Hamburger“ Adventsrunde“ kritisiert Schulschließungen und wirft der katholischen Kirche “Bilanz-Trickserei“ vor.

Es ist ein massiver Angriff gläubiger Katholiken auf das Erzbistum, wie es ihn bislang wohl noch nicht gegeben hat: Die Adventsrunde, ein Zusammenschluss um den Unternehmer Eugen Block, die PR-Agenturchefin Alexandra von Rehlingen und Budnikowsky-Chef Cord Wöhlke, wirft den verantwortlichen Katholiken „Bilanz-Taktiererei und nahezu Manipulation“ vor.

Die angeblich hohe Verschuldung von aktuell 79 Millionen Euro war für das Erzbistum der Grund, sechs der 21 katholischen Schulen zu schließen. Block, der stets gegen die Schließungen gestritten hatte, engagierte einen Unternehmensberater, der Zugang zur Bilanz des Bistums hatte und ein eigenes Gutachten vorlegte. „Wir wissen jetzt, dass keine Schule aus Geldnot geschlossen werden muss. Die Panik-Schlagzeilen mit der drohenden Überschuldung entsprechen nicht der Wahrheit“, heißt es in einem Brief der Adventsrunde an den Erzbischof, der dem Abendblatt vorliegt.

Erzbistum weist Vorwürfe der Bilanz-Trickserei und Manipulation zurück

Die Adventsrunde verlangt die Rücknahme der Schulschließungen und die Offenlegung der Finanzen. „Daraus wird hervorgehen, dass das Erzbistum reich und nicht arm ist“, sagte Block.

Das Erzbistum wies die Vorwürfe der Bilanz-Trickserei und Manipulation zurück. „Die in der Bilanz gewählten Verfahren sind sehr transparent und werden durch mehrere Instanzen kon­trolliert. Sie orientieren sich an den wirtschaftlichen Realitäten, internen Rechnungsregeln und an der geltenden Gesetzgebung“, sagte Bistumssprecher Manfred Nielen dem Abendblatt.

Konkret geht es zunächst darum, dass aus Sicht des Block-Gutachters die Pensionsrückstellungen mit 544,8 Millionen Euro um fast 100 Millionen Euro zu hoch angesetzt seien und auch der vom Erzbistum bestellte Wirtschaftsprüfer dies moniert habe. Bistumssprecher Manfred Nielen verweist darauf, dass die Festlegung der Rückstellungen nicht nach den Regeln des Handelsgesetzbuchs (HGB), wie für Unternehmen üblich, erfolge. „Das Erzbistum Hamburg bilanziert abweichend vom HGB aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Kalkulation vieler deutscher Bistümer“, sagte Nielen. Die auf das vorhandene Vermögen zu erzielenden Renditen würden niedriger angesetzt als in Unternehmen der freien Wirtschaft, was deutlich höhere Rückstellungen zur Folge habe.

Gutachter: Erzbistum mit Cashflow von 95 Millionen Euro

Die Adventsrunde kritisiert auch die in der Bilanz enthaltene Schwankungsreserve für Einnahmeausfälle aus der Kirchensteuer mit 52,6 Millionen Euro für 2017 als zu hoch. Laut Nielen sollen allerdings etwa 40 Millionen Euro der Reserve auf Anraten des Wirtschaftsprüfers tatsächlich aufgelöst werden. Der von Eugen Block beauftragte Gutachter weist darauf hin, dass dem Erzbistum 2017 ein sogenannter Cashflow von 95 Millionen Euro zur Verfügung gestanden habe, der für Investitionen hätte genutzt werden können. „Das Erzbistum verfügt auch in der Überschuldungssituation über ausreichend liquide Mittel, um handlungsfähig zu sein. Allerdings ist der enorme Investitionsstau beim Gebäudebestand, vor allem Schulen, Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser, von über 200 Millionen Euro bilanziell gar nicht erfasst“, sagte Nielen.

Schließlich verfüge das Erzbistum laut dem Block-Gutachter über erhebliche Vermögenswerte wie etwa Wertpapiere in Höhe von 327 Millionen Euro. Außerdem seien nicht alle im Besitz der Kirche befindlichen Immobilien aufgeführt worden. Bei den erfassten Grundstücken und Gebäuden seien nur die Buchwerte zugrunde gelegt worden – insgesamt 146 Millionen Euro. Die Adventsrunde geht davon aus, dass das Immobilienvermögen des Erzbistums, zu dem das Marienkrankenhaus in Hohenfelde gehört, insgesamt bei deutlich über einer halben Milliarde Euro liegt.

Adventsrunde geht mit Erzbistum hart ins Gericht

Die Adventsrunde geht mit der Bilanz des Erzbistums hart ins Gericht. „Jede Möglichkeit wird zum Pleiterechnen genutzt, ein Zahlenwerk voller Misstrauen und Weltuntergangsstimmung“, heißt es in dem Brief an den Erzbischof. Block hatte Heße das Schreiben in dessen Amtssitz am Mariendom (St. Georg) zusammen mit weiteren Mitgliedern der Adventsrunde übergeben – eine Antwort oder Reaktion steht noch aus.

Doch die engagierten Katholiken lassen nicht locker. „Es muss innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine Erklärung des Erzbistums kommen, dass die Schließung der Schulen zurückgenommen wird. Und wir verlangen die Offenlegung der Finanzen innerhalb von vier Wochen“, sagte Block, für den die Aus­einandersetzung der Auftakt zu einer aus seiner Sicht nötigen Reform aller deutschen Bistümer ist. „Das Erzbistum muss sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung klar werden und die Schließung der Schulen rückgängig machen. Sonst werden wir mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, dagegen vorgehen“, sagte Alexandra von Rehlingen.

„In Harburg dürfen unter keinen Umständen Schulen geschlossen werden, gerade weil dort das Durchschnittseinkommen erheblich geringer ist als in gut situierten Stadtteilen und die Schulen eine bemerkenswerte Integrationsarbeit leisten“, sagte Wöhlke, der dem Erzbistum vorwarf, dass ihm jede Zukunftsorientierung fehle. „In das Bistum Osnabrück sind in den vergangenen Jahren fünf Schulen übernommen worden. Wie passt das zusammen?“, fragte die Architektin Dagmar von Kügelgen, die 2018 die Demonstrationen die Schulschließungen organisiert hatte.