Hamburg. Die Grünen wollen, dass Vermummung bei Demonstrationen nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird. Kritik von Sicherheitsexperten.

Die Grünen wollen laut ihrem Programm für die Bürgerschaftswahl 2020, dass eine Vermummung bei Demonstrationen nur noch als Ordnungswidrigkeit und nicht mehr als Straftat verfolgt wird (wir berichteten). Jetzt gibt es Kritik von Sicherheitsexperten. Sie sehen die Grünen als „Steigbügelhalter“ für gewaltorientierte Krawallmacher und kritisieren, Vermummung bei Demonstrationen sei dann in der Praxis nicht mehr zu unterbinden.

„Was zunächst für einige wie eine Vereinfachung bei der Verfolgung solcher Taten klingen mag, hat einen schwerwiegenden Haken“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Innerhalb kürzester Zeit wäre die Frage auf dem Tisch, ob es beispiels­weise verhältnismäßig wäre, eine Demonstration zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit aufzustoppen“, so Lenders.

Vorbereitung für weitere Straftaten

Gerade das konsequente Vorgehen gegen Straftaten bei Demonstrationen habe Hamburg in der Vergangenheit vor viel Schaden bewahrt. „Das würden zwar angesichts der Ausschreitungen um den G-20-Gipfel einige Leute bezweifeln“, sagt Lenders. „Das war aber eine Ausnahmesituation, bei der von Anfang an von aus ganz Europa angereisten gewaltbereiten Teilnehmern die Auseinandersetzung gesucht wurde“, so der Polizeigewerkschafter.

Aus der Vergangenheit wisse man, dass Vermummung eine Vorbereitung für weitere Straftaten sei. Die Argumentation, dass man aus Angst vor Repression nur vermummt an Demonstrationen teilnehmen könne, hält Lenders für „lächerlich“. „Wir haben in Hamburg im Jahr rund 2000 angemeldete Demons­trationen. Nur bei einer Handvoll spielt Vermummung eine Rolle.“

„Pflichtmäßige Ermessensentscheidung"

Die Polizei habe in manchen Jahren gar keine Auflagen bei Demonstrationen angeordnet, in anderen Jahren bis zu siebenmal. Lenders: „Und das hauptsächlich bei Demonstrationen, die vom rechten Spektrum angemeldet wurden.“ Weniger kritisch sieht es Verfassungsrechtler Ulrich Karpen. „Die Polizei muss nicht mehr einschreiten und eventuell festnehmen, kann es aber, wenn ihr ein Einschreiten richtig und notwendig erscheint“, sagt Karpen.

Die Polizei müsse eine „pflichtmäßige Ermessensentscheidung“ treffen. „Sie wird aber weiter in der Regel einschreiten. Schließlich kann man nach dem Gleichheitsgrundsatz nicht einen Vermummten festnehmen und den anderen laufen lassen“, so Karpen. Auch könne der Polizeipräsident eine „restriktive Anwendung“ des Ermessens vorschreiben, also etwa anordnen, dass Vermummte grundsätzlich festzunehmen seien, wenn nicht ein Fall ausnahmsweise ganz harmlos sei. „Ich glaube also, dass sich in der Praxis nicht viel ändern würde“, sagt Karpen.