Hamburg. Die Reform der Steuer führt teilweise zu extremen Ausschlägen – nach oben und unten. Lesen Sie hier die extremsten Beispiele.

Die neuen Berechnungen der Finanzbehörde zu möglichen Auswirkungen der Grundsteuer-Reform haben unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. „Die vorgelegten Zahlen machen nochmals deutlich, dass eine Grundsteuer auf Basis aktueller Immobilienwerte für Hamburg nicht akzeptabel ist“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer mit Blick auf das von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegte Modell. Es basiert auf einer Neubewertung aller Immobilien und hatte bei den mehr als 900 Beispielrechnungen der Finanzbehörde zu den extremsten Ausschlägen geführt. „Dies würde für viele Mieter und Eigentümer in ganz unterschiedlichen Stadtteilen zu deutlichen Mehrbelastungen führen“, so Kleibauer. Es sei daher gut, dass Finanzsenator nicht mehr auf das Scholz-Modell setze.

Wie berichtet, hat Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) vorsichtig Sympathie für das von Niedersachsen angeregte Flächen-Lage-Modell erkennen lassen, da es zu den geringsten Ausschlägen führe und gleichzeitig verständlich und einfach umzusetzen sei. Dressel wirbt daher dieser Tage innerhalb der Finanzministerkonferenz dafür, dass Länder, die die Öffnungsklausel für ein eigenes Grundsteuer-Gesetz nutzen, nicht finanziell benachteiligt.

Bund der Steuerzahler Hamburg unterstützt den niedersächsischen Vorschlag

Auch der Bund der Steuerzahler Hamburg unterstützt den niedersächsischen Vorschlag: Während das Reform-Modell von Scholz „ein Bürokratiemonster sondergleichen“ sei, das zudem die Wohnnebenkosten in Großstädten und deren Umland für viele Mieter und Eigenheimbesitzer deutlich steigen ließe, fielen im Flächen-Lage-Modell die Extreme deutlich geringer aus, sagte Lorenz Palte, Vorsitzender des Steuerzahlerbundes: „Sollte sich die Freie und Hansestadt Hamburg am Ende für das Flächen-Lage-Modell entscheiden, hätte sie die volle Unterstützung des Hamburger Steuerzahlerbundes.“

Für SPD-Haushaltsexperte Jan Quast sind die Berechnungen „ein wichtiger Meilenstein, um über das für Hamburg beste Modell entscheiden zu können“. Welches das ist, ließ er zwar offen, nannte aber drei Prämissen, die eher für das Flächen-Lage Modell sprechen: Die mit der Reform verbundenen Mehrbelastungen für Mieter und Eigentümer sollten „möglichst gering“ bleiben, das Reformmodell müsse zeitgerecht und gut umsetzbar sein, und zusätzliche Belastungen Hamburgs im Länderfinanzausgleich sollen vermieden werden.

FDP lehnt „Wertkomponente“ ab

Kritik kam hingegen von der FDP, die eine „Wertkomponente“ wie den Lage-Faktor im niedersächsischen Modell ablehnt: „Die Grundsteuer stellt eine Basisfinanzierung der Kommunen dar und ist explizit keine Vermögensbesteuerung“, sagte Haushaltsexpertin Jennyfer Dutschke. „Von diesem Grundprinzip will Finanzsenator Dressel nun offenbar doch abweichen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Grundsteuer nicht zu einer verkappten Vermögenssteuer wird, die das Wohnen in bestimmten Lagen deutlich verteuert.“ Beim Flächen-Lage-Modell fürchte sie „unnötige Rechtsstreitigkeiten über die Lagezuordnung einer Immobilie“ sowie „deutlich höhere Belastungen für Mieter in Hamburgs zahlreichen Altbauten“. Die FDP favorisiere daher weiter ein nach Nutzungsart differenziertes, reines Flächenmodell.

Tatsächlich hatten die Berechnungen der Finanzbehörde gezeigt, dass in allen Modellen insbesondere für ältere Einfamilienhäuser, aber auch für vor 1948 erbaute Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser (die Finanzbehörde nennt aus Datenschutzgründen keine exakten Baujahre, sondern nur Zeiträume) von wenigen Ausnahmen abgesehen deutlich mehr Grundsteuer fällig wird. Das liegt daran, dass die für die Steuerermittlung zugrunde gelegten Immobilienwerte völlig veraltet waren – weswegen das Bundesverfassungsgericht eine Reform der Steuer bis Jahresende angeordnet hat – und ihre Wertsteigerung nun erstmals einfließt.

Altes Haus in Blankenese würde das 17-Fache kosten

Einige besonders krasse Fälle: Für ein altes, vermutlich vor 1900 erbautes Einfamilienhaus in Blankenese mit 162 Quadratmeter Wohnfläche und 250 Quadratmeter Grundstück sind derzeit nur 123 Euro Grundsteuer fällig. Nach dem Scholz-Entwurf wären es künftig 2.092 Euro – also das 17-Fache oder gut zwölf Euro mehr pro Quadratmeter. Nach dem Flächen-Lage-Modell (FLM) würde die Steuer dagegen nur auf 636 Euro steigen, immerhin gut das Fünffache.

Die größte Steigerung pro Quadratmeter unter den vor 1948 erbauten Einfamilienhäusern wäre für eine Immobilie in Eimsbüttel fällig: Das 120-Quadratmeter-Haus mit 472 Quadratmetern Grundstück kostet aktuell 194 Euro Grundsteuer. Künftig wären es nach dem Scholz-Modell 1.964 Euro – also das Zehnfache oder 14,75 Euro mehr pro Quadratmeter. Im Flächen-Lage-Modell würde es trotz des höchsten Lage-Faktors 2 dagegen „nur“ 568 Euro kosten. Die Finanzbehörde hat zunächst mit den Lage-Faktoren 1, 1,5 und 2 gerechnet – theoretisch wäre auch eine größere Differenzierung denkbar.

Ähnlich würde es den Besitzern eines Einfamilienhauses in Eppendorf ergehen: Für das vor 1948 erbaute Haus mit 111 Quadratmeter Wohnfläche und 494 Quadratmeter Grundstück würde die Grundsteuer von jetzt 181 Euro auf 1.519 Euro nach dem Scholz-Modell steigen – das wäre mehr als das Achtfache oder eine Steigerung um zwölf Euro pro Quadratmeter. Nach dem Flächen-Lage-Modell (FLM) wäre „nur“ rund das Dreifache fällig: 545 Euro.

Für eine Haus in Rotherbaum wäre 27,78 Euro mehr fällig – pro Quadratmeter

In der Kategorie B (Baujahr 1949 bis 1978) werden die Ausschläge bereits geringer. Dennoch ragen zwei Beispiele aus Rotherbaum heraus: Bei den Häusern mit jeweils 210 Quadratmetern Wohnfläche und gut 1300 Quadratmetern Grundstück würde die Grundsteuer von derzeit jeweils 1.438 Euro nach dem Scholz-Modell in einem Fall auf 4.334 Euro steigen, im anderen sogar auf 5.833 – das entspräche einer Steigerung von 20,64 und 27,78 Euro pro Quadratmeter. Im FL-Modell würde die Grundsteuer für diese beiden Immobilien dagegen nur auf 1.163 und 1.157 Euro steigen.

Bei Eigentumswohnungen sind die Ausschläge in allen neuen Steuer-Modellen deutlich geringer. Hier ragen nur wenige Beispiele heraus, etwa die 59-Quadratmeter-Wohnung in Marmstorf, (Baujahr: 1949 bis 1978), für die statt bislang 198 Euro im Scholz-Model künftig 739 Euro fällig wären – 12,43 Euro mehr pro Quadratmeter. Nach dem FL-Modell würde die Steuer hingegen auf 166 Euro sinken – wobei sich auch der niedrige Lage-Faktor 1,0 auswirkt.

Extrem profitieren würden die Besitzer einer ab 2001 erbauten 457-Quadratmeter-Eigentumswohnung in Hohenfelde: Ihre Grundsteuer würde von jetzt 7.241 Euro nach dem Scholz-Modell auf 2.252 Euro sinken – eine Ersparnis von fast 5000 Euro im Jahr oder knapp elf Euro pro Quadratmeter. Im Flächen-Lage-Model würde sie sogar nur noch 1.736 Euro kosten, also gut 5.500 Euro weniger.

Mal Steigerung auf das 21-Fache – mal Ersparnis von 22.000 Euro

Auch bei den Mehrfamilienhäusern gibt es nur wenige extreme Ausschläge nach oben und unten, die wiederum vor allem ältere Immobilien betreffen. So würde für ein zwischen 1949 und 1978 erbautes Mehrfamilienhaus in Wohldorf-Ohlstedt mit insgesamt 388 Quadratmeter Wohnfläche statt bislang 435 Euro) im Scholz-Modell 9160 Euro fällig werden – das wäre das 21-Fache oder 22,49 Euro mehr pro Quadratmeter. Nach dem Flächen-Lage-Modell wäre die Steigerung auch enorm, aber nicht ganz so krass: 5959 Euro wäre mehr als das 13-Fache.

Dass es auch umgekehrt geht, zeigt ein großes und relativ neues Mehrfamilienhaus in der Altstadt mit insgesamt 5.127 Quadratmeter Wohnfläche: Statt bislang 39.158 Euro würde die Grundsteuer nach dem Scholz-Modell künftig nur noch 16.839 Euro betragen – also mehr als 22.000 Euro weniger. Nach dem FL-Modell wären 18.099 Euro fällig, was immer noch eine Ersparnis von mehr als 20.000 Euro wäre.

Insgesamt deuten die Berechnungen der Finanzbehörde darauf hin, dass die Unterschiede bei der Grundsteuer in allen Modellen geringer werden. Wer also bislang überdurchschnittlich viel gezahlt hat, darf auf eine Entlastung hoffen, wer nur sehr niedrige Beträge entrichtet hat, muss mit einer Erhöhung rechnen. Das dürfte vor allem in der letzten Gruppe auf Kritik stoßen – entspricht aber der Intention des Bundesverfassungsgerichts.