Hamburg. Die Parteien schließen das erste Bündnis dieser Art auf Bezirksebene. Der Schwerpunkt ist die Verkehrswende.
Fünf Stunden dauerte die letzte Verhandlungsrunde in einem ehemaligen Café an der Julius-Vosseler-Straße in Lokstedt – dann war das erste grün-schwarze Bündnis auf Bezirksebene unter Dach und Fach. Am 23. September werden die Eimsbütteler Grünen über das Vertragswerk, das noch nicht schriftlich vorliegt, abstimmen, am Tag darauf der CDU-Kreisausschuss. Da die Zustimmung als sicher gilt, dürfte der Wahl der früheren Grünen-Bürgerschaftsabgeordneten Katja Husen zur ersten grünen Bezirksamtsleiterin nichts mehr im Wege stehen. Einen Termin für die Wahl gibt es noch nicht.
„Zwei Stichworte haben uns verbunden: das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit und die Tatsache, dass wir viele Themen sehr pragmatisch angegangen sind“, sagte der Grünen-Kreisvorsitzende und Justizsenator Till Steffen mit Blick auf die CDU. „Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt. Mir ist besonders wichtig, dass wir mit unserer Vereinbarung den Bezirk Eimsbüttel in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln können“, sagte der CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse, der hinzufügte: „Wir kommen mit den Partnern auf der anderen Seite gut längs.“
Nach den Worten Steffens ist der „Dreh- und Angelpunkt“ der Zusammenarbeit die Verkehrswende. „Wir wollen den Straßenraum neu verteilen. Das wird nur möglich, wenn das Auto Platz abgibt“, sagte Steffen. „Wir wollen künftig Fußweg, Radweg und Fahrbahn in dieser Reihenfolge planen. Das Prinzip, wir planen die Fahrbahn und den Rest bekommen die anderen, gilt nicht mehr“, ergänzte Kruse.
Erstes konkretes Projekt
Auf ein erstes konkretes Projekt haben sich Grüne und CDU bereits verständigt: Die Methfesselstraße soll zwischen Luruper Weg und Eidelstedter Weg zugunsten der Fußgänger und Radfahrer und zulasten der Autofahrer umgebaut werden. Bislang sehen die Planungen des Bezirksamtes vor, dass der Radverkehr von den Nebenflächen auf die Straße verlagert und die vorhandenen Radwege zurückgebaut werden sollen. Grün-Schwarz will nun zusätzlich den Autofahrstreifen zwischen Lutterothstraße und Eidelstedter Weg auf drei Meter Breite verringern. Auf beiden Seiten sollen Autos nur noch in Längsrichtung geparkt werden dürfen. Geplant sind ein zusätzlicher Kreisverkehr mit geringeren Kurvenradien und der Verzicht auf Linksabbiegerspuren.
Auf Antrag der Anwohner und Schulen will Grün-Schwarz autofreie Straßen schaffen. Das Bündnis will im jeweiligen Quartier mindestens so viele Bäume nachpflanzen, wie durch Fällungen verloren gehen. CDU und Grüne wollen den Bau von Quartiersgaragen fördern, möglichst unterirdisch. Auf Wunsch der CDU soll ein neuer Technologiepark im Bezirk geschaffen werden, der für Ausgründungen aus dem Forschungsbetrieb der Universität Platz bietet. Um Handwerker im Quartier zu halten, sollen Serviceparkplätze eingerichtet werden, die allerdings zulasten normaler Parkplätze gehen würden.
„Mehr auf Qualität als auf Quantität“
CDU und Grüne wollen bei der Stadtentwicklung nach den Worten Kruses „mehr auf Qualität als auf Quantität“ setzen. So soll in den mittelverdichteten Gebieten im Anschluss an die hochverdichten Kerngebiete des Bezirks die Aufstockung von Gebäuden gefördert werden. Grün-Schwarz will die bauliche Entwicklung wesentlich stärker über neue Bebauungspläne steuern und die Bürgerbeteiligung stärken. „Das bedeutet keinen Abschied vom Wohnungsbauprogramm des Senats. Eimsbüttel hat die Vorgaben im Übrigen in den vergangenen Jahren übererfüllt“, sagte Steffen. Gut 1000 Wohnungen jährlich sollen in Eimsbüttel gebaut werden.
Kritik kam von Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). „Die zum Thema Wohnen getroffenen Aussagen sind beunruhigend und lassen befürchten, dass Grün-Schwarz beim Wohnungsbau auf die Bremse treten wird“, sagte Breitner. „Ich habe die große Sorge, dass die hohen Qualitätsanforderungen, die Grün-Schwarz an den Wohnungsbau stellt, mit Preissteigerungen einhergehen“, sagte der SPD-Bezirksfraktionschef Gabor Gottlieb.
Die politische Bedeutung des ersten schwarz-grünen Bündnisses bewerten die Partner unterschiedlich. „Das bedeutet den Aufbruch der Strukturen der vergangenen Jahre. Auch auf Landesebene gibt es jetzt unterschiedliche Möglichkeiten zwischen SPD, Grünen und CDU“, sagte Kruse. „Ich würde das Bündnis nicht überbewerten. Wir haben in Eimsbüttel eine spezielle Situation, weil die SPD Schwierigkeiten hatte, mit den neuen Mehrheiten umzugehen“, sagte Steffen. Die Grünen kamen auf 37,2 Prozent (plus 14,1), die SPD auf 23,1 Prozent (minus 10,2) und die CDU auf 16,3 Prozent (minus 6,4).