Hamburg. Der Hamburger Extrem-Segler erzählt von seiner Fahrt mit Klima-Aktivistin Greta Thunberg – und nimmt Stellung zu den Vorwürfen.

Es ist früh am Freitagmorgen in der HafenCity. Boris Herrmann sieht müde aus, als er in das Café an der Yokohamastraße am Lohsepark kommt. Die vergangenen Wochen waren anstrengend: Die Tour mit Klima-Aktivistin Greta Thunberg von Europa in die USA auf der „Malizia II“, dazu der Jetlag.

Der Extrem-Segler ist erst Dienstag nach Hamburg zurückgekehrt, hat seitdem unzählige Termine wahrgenommen. Am Wochenende will er zusammen mit Freundin Birte Lorenzen zum ersten Mal ein bisschen ausspannen – beim Kitesurfen. Dann beginnen die Vorbereitungen der nächsten Regatta. Vorher wollte das Abendblatt wissen, wie es denn nun war, mit Greta auf dem Atlantik.

Boris Herrmann und Greta Thunberg – wie es auf dem Atlantik war

Hamburger Abendblatt: Wie geht es Ihnen?

Boris Herrmann: Ich habe immer noch ein bisschen Jetlag. Und hatte bisher auch keine Zeit, mich zu erholen. Ansonsten bin ich erleichtert, dass die Sache gut über die Bühne gegangen ist.

Dabei hatten Sie gesagt, dass Sie weniger aufgeregt waren als vor Regatten.

Herrmann: Das stimmt, ich war eigentlich weniger aufgeregt, aber während der Fahrt angespannter. Vor allem bei fortschreitender Fahrt, als klar wurde, wenn jetzt hier was schiefgeht, dann liegt es nicht an Greta, sondern an mir. Am Anfang dachte man ja, sie ist das schwächste Glied, aber dem war absolut nicht so.

Gibt es ein Highlight von der Fahrt? Und vielleicht auch einen Moment, der eher anstrengend war?

Herrmann: Es gab ganz viele schöne Naturmomente. In einer Vollmondnacht zu segeln beispielsweise. Oder die Delfine. Und dann sich daran zu freuen, wie die Mitsegler alles beobachten. Und wie sich Greta und ihr Vater daran freuen. Mit dem Schiff oder der Technik gab es keine Schwierigkeiten. Und auch mit dem Wetter nicht. Da hatten wir Glück.

Wie hat sich Greta geschlagen?

Herrmann: Sie war absolut zuverlässig. Es hat uns sehr überrascht, wie gut sie sich in den zwei Wochen gemacht hat.

Was haben Sie besprochen?

Herrmann: Man wundert sich immer, wie wenig man auf solch einem Boot spricht. Weil es so viele Eindrücke gibt und der Alltag einen so in Anspruch nimmt. Da ist es gewisserweise auch anstrengend, einfach nur da zu sein. Sich festzuhalten. An Bord rumzuklettern. Insofern ist 90 Prozent der Aufmerksamkeit auf das gerichtet, was gerade passiert. Man ist sehr stark im Moment. Was das Segeln ja auch so schön macht. Nicht jeden Tag, aber vielleicht jeden zweiten Tag flammte ein Gespräch auf. Und das war auch immer interessant.

Hat Greta Gespräche gesucht?

Herrmann: Nein, von sich aus sagt sie nichts. Aber sie war offen für Gespräche.

Haben Sie das Gefühl, die Tour hat Greta verändert?

Herrmann: Mir ist nach ein paar Tagen aufgefallen, dass sie entspannter aussah. Vielleicht war sie vorher auch aufgeregt. Gefragt habe ich sie nicht explizit, sie hat aber am Ende gesagt, dass sie es vermissen wird, das Schiff und das Meer.

Wie haben Sie Greta erlebt?

Herrmann: Extrem zuverlässig und beständig. Stetig, höflich, zuvorkommend. Und relativ unbeeindruckt von der ganzen Sache. Sie war wirklich als Einzige nicht seekrank. Wir alle hatten Tage, an denen es uns nicht so gut ging. Sie nie.

Würden Sie so was wieder machen?

Herrmann: Ja. Allerdings ist es natürlich eine hypothetische Frage. Es passte ja auch in unseren Zeitplan. Ich würde nicht das Ziel Vendée Globe dafür ausfallen lassen. Oder hintanstellen.

Wie steht es mit Gretas Rückreise?

Herrmann: Das wird viel gefragt. Aber man muss es jetzt ja noch nicht beantworten oder klären. Es ist ja noch fast ein Jahr hin, bis Greta zurück muss.

Bleiben Sie in Kontakt?

Herrmann: Ja, wir werden in Kontakt bleiben. Vielleicht gibt es irgendwann auch die Chance, dass sie bei unserem Schulprogramm mit uns zusammenarbeitet. Und als wir gestern Abend im Internet posten mussten, dass unsere Yacht aufgrund einer Verletzung abdrehen musste, hat sie schnell hinterher gefragt: I hope every­one is safe.

Sie haben die gesamte Reise aus eigener Tasche gezahlt. Wie steht es jetzt um die Finanzen des Teams Malizia?

Herrmann: Die Aktion hat natürlich ein Loch in unsere Teamkasse gerissen. Aber die Kasse ist sowieso immer etwas löchrig. Wir brauchen für unsere Kampagne dringend einen weiteren großen Sponsor, um noch mehr auf Augenhöhe mit den anderen Teams zu stehen und unser Team langfristig über das Vendée-Globe-Rennen hinaus und in Hinblick auf das The Ocean Race auf feste Füße zu stellen. Also sind wir jetzt mehr denn je auf der Suche nach kleinen oder großen Partnern.

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Lassen Sie uns einmal über die Diskussion reden, die die Reise hervorgerufen hat. Die Diskussion, wie CO2-arm die Überfahrt wirklich war. Wie haben Sie das auf dem Schiff empfunden?

Herrmann: Zuerst einmal, es war eine Diskussion, die nur in Deutschland geführt wurde. Die Medien der anderen Länder hat das nicht interessiert, auch bei unserer Ankunft nicht. Dazu kommt, dass man das an Bord nicht aus erster Hand mitbekommt, sondern aus zweiter Hand. Freunde haben uns geschrieben, schaut mal, das wird über eure Reise gesagt, macht doch mal was. Diese Information haben wir erst einmal ignoriert. Nicht absichtlich. Sondern weil wir so eingespannt waren mit dem Leben an Bord. Und auch, weil man von dort eine andere Perspektive hat und das sichere Vorankommen erst einmal wichtiger ist. Die Dringlichkeit ist dort nicht so gegeben. In entspannteren Momenten habe ich natürlich drüber nachgedacht und ein, zwei Interviews gegeben, in denen ich darauf eingegangen bin.

Was sagen Sie zu der Kritik?

Herrmann: Natürlich regt die Kritik zum Nachdenken an. Das ist ja auch Ziel der Reise, dass Leute darüber schreiben, dass wir aufs Klima achten müssen. Es ist ja eine der zentralen Fragen für die Menschen: Wie geht man um mit dem Widerspruch, mit dem wir derzeit leben? Oder mit Anspruch und Wirklichkeit in der Welt, in der wir leben. Viele Leute fliegen beruflich oder privat. Wissen aber, dass es ein CO2-Budget gibt, das sie damit extrem überschreiten. Wir müssen uns schon ziemlich anstrengen, um in dem Rahmen zu bleiben, der so halbwegs passen würde. Man kann in dieser Gesellschaft nicht CO2-neutral leben, weil wir Teil einer Gesellschaft sind, die insgesamt nicht nachhaltig ist. Auch wenn ich aufs Land ziehe würde, verbrauche ich trotzdem CO2, allein durch die Steuern, die ich in Deutschland zahle. Denn mit dem Steuergeld werden Straßen gebaut, Strom verbraucht oder Ähnliches. Die Deutschen haben oft den Anspruch, man darf nur etwas einfordern, wenn man moralisch integer ist, also selbst perfekt ist. Aber man kann bei dem Thema selbst nicht perfekt sein. Insofern ist es eine wirklich spannende Diskussion. Und unabhängig von der gesellschaftlichen Diskussion gibt es auch noch die rein logische Betrachtung dieser Reise: Wir waren für eine gewisse Zeit eine Allianz von zwei Parteien, die Klimaaktivistin und das Regattateam. Wir haben uns punktuell zusammengetan. Und die Klima-Aktivistin Greta ist CO2-neutral über den Atlantik gefahren. Und alles, was das Regattateam außerhalb dieser Reise macht, dafür kann Greta nicht kritisiert werden. Man kann einen Veganer, der mit dem Taxi fährt, ja auch nicht dafür verantwortlich machen, dass der Taxifahrer am nächsten Tag vielleicht ein Steak isst.

Der Hamburger Segler Boris Herrmann in der HafenCity. Er war noch müde, aber glücklich über den Ausgang der Reise mit Greta Thunberg.
Der Hamburger Segler Boris Herrmann in der HafenCity. Er war noch müde, aber glücklich über den Ausgang der Reise mit Greta Thunberg. © Sebastian Becht

Haben Sie die Diskussion persönlich als Angriff empfunden?

Herrmann: Im ersten Moment schon, aber das ging schnell weg. Wenn man es als Angriff empfindet, wird es schnell langweilig. Wenn man daraus eine konstruktive Kritik für sich selbst macht und schaut, was stecken da für Fragen drin, dann ist es etwas anderes. Es entstehen interessante Gespräche und es wird das Thema auf das Eigentliche, den Klimaschutz, zurückgelenkt. Und weniger, ob Greta einen Eimer als Klo hatte während der Fahrt. Ich finde es ja grundsätzlich gut, wenn Journalisten anfangen, darüber zu schreiben, dass zu viel Fliegen ein Pro­blem sein kann.

Wie geht es mit Ihnen jetzt weiter?

Herrmann: Am 20. September starte ich von Frankreich aus zu einer Regatta. Danach kommt Training. Und Ende Oktober eine Wettfahrt nach Brasilien, eine große Qualifikationsregatta für die Vendée Globe. Mit den 30 Schiffen, die kommendes Jahr bei der Weltumseglung dabei sein wollen. Im Winter wird die „Malizia II“ vier Monate in die Werft gehen und instandgesetzt. Im Mai und Juni kommenden Jahres gibt es noch mal zwei Einhandrennen von Frankreich nach New York und zurück, auch Qualifikation für die Vendée Globe. Qualifiziert bin ich eigentlich schon, aber von 48 Bewerbern kommen nur die 30 besten mit. Derzeit stehen wir in der Qualifikation an Platz zwei, also sehr gut.

Sie sind Schirmherr der Hamburger Klimawoche. Was erwarten Sie davon?

Das AbendblattMagazin zum Thema: 100 Seiten, 7 Euro (Treuepreis 5 Euro), erhältlich in der AbendblattGeschäftsstelle und unter abendblatt.de/fridays
Das AbendblattMagazin zum Thema: 100 Seiten, 7 Euro (Treuepreis 5 Euro), erhältlich in der AbendblattGeschäftsstelle und unter abendblatt.de/fridays © tt

Herrmann: Wir sind mit der Meeresstiftung, die das organisiert, schon lange im engen Austausch. Frank Schweikert hat uns beispielsweise bei unserer Schulkampagne beraten. Da ist die Klimawoche und die Schirmherrschaft nur eine logische Fortsetzung unserer Arbeit. Klimawandel und Meeresschutz sind eigentlich ein Thema, denn 90 Prozent davon passiert im Ozean. Und so bin ich extrem stolz, dass Hamburg die größte Klimawoche Europas hat. Und von der Politik unterstützt wird, das ist nicht immer so gewesen. So wird ein tolles Forum geschaffen. Es kann nichts Besseres geben, um Werbung für das Thema Klimaschutz machen.