Hamburg. Vegane Astronautenkost, Eimer statt Toilette, haushohe Wellen – im Podcast spricht der Extrem-Segler über Bedingungen an Bord.
Die erste Begegnung mit Greta Thunberg ist wenige Monate her. „Es war Anfang März hier in Hamburg. Meine Freundin und ich waren bei der großen Fridays-for-Future-Demo, bei der Greta aufgetreten ist“, sagt Boris Herrmann.
Eingepackt in Jacken und Mützen hätten sie gemeinsam mit 10.000 Jugendlichen auf dem Rathausmarkt gestanden und auf die Schwedin gewartet. „Als sie die Bühne betrat, das war einfach unglaublich“, sagt Herrmann. „Irgendwie hatte ihr Auftritt etwas Magisches. Wir waren begeistert.“ Auf dem Nachhauseweg habe seine Freundin Birte dann eher nebenbei gesagt: „Wenn Greta mal irgendwo hin muss, dann kannst du ihr ja anbieten, sie mit dem Segelboot mitzunehmen.“
Greta will emissionsfrei zu UN-Klimakonferenz nach New York
Dass diese verrückte Idee so schnell Wirklichkeit werden sollte, hätte Herrmann, der sich in diesem Jahr eigentlich auf die Vendée Globe, die härteste Einhandregatta der Welt, vorbereiten wollte, nicht für möglich gehalten. Im Juni hatte Greta auf Twitter gefragt, wie sie möglichst emissionsfrei nach New York zur UN-Klimakonferenz kommen könne.
„Das war der Moment, an dem wir mit Hilfe eines Journalisten zum ersten Mal Kontakt zu ihr aufgenommen haben“, sagt der Extremsegler. Greta habe einige Angebote bekommen und alle genau geprüft.
„Wir hatten eine lange Videokonferenz mit Greta und ihrem Umfeld. Ich saß in meinem Boot und habe alles genau gezeigt.“ Das Team am anderen Ende der Leitung hatte einen Fragenkatalog, den sie gemeinsam abgearbeitet hätten: „Da ging es in erster Linie um Sicherheit, die Route, die Bedingungen an Bord. Das lief sehr professionell ab für jemanden, der noch nie auf einem Segelschiff gewesen ist.“
Greta Thunberg geht an Bord der „Malizia II“
Wenig später stand fest: Greta Thunberg geht an Bord der „Malizia II“. „Besonders gereizt hat sie, dass wir wirklich emissionsfrei dank der Solarpaneele und Unterwasserturbinen über den Atlantik kommen können. Das können die wenigsten Schiffe.“
Die haben dafür fast alle mehr Komfort. Die „Malizia II“ ist dagegen vor allem dafür gebaut, schnell über das Meer zu kommen, ohne besondere Rücksicht auf das Wohl der Passagiere zu nehmen. Wer die Bilder von der Rennyacht sieht, kann sich vorstellen, wie hart die Überfahrt in die USA werden kann.
Gischt spritzt, das Schiff schießt über die Wellen, es ist laut. Gemütlich wird das nicht. Auch deshalb könne man nicht sagen, ob es die fünfköpfige Crew, die neben Greta aus ihrem Vater Svante Thunberg, dem Filmemacher Nathan Grossman, Pierre Casiraghi, dem Gründer vom Team Malizia und Sohn von Caroline von Hannover, und Herrmann besteht, wirklich bis nach New York schafft.
Kampf gegen die Seekrankheit
„Es gibt eine Menge Unwägbarkeiten, die wir jetzt an Land nicht abschätzen können“, sagt Herrmann, und beginnt zu erzählen, was in den geplanten 14 Tagen alles auf die Mannschaft zukommen kann. „Der Nordatlantik ist rau, wir haben im Zweifel große, unangenehme Wellen.“ Dazu kommen starke Winde und vor allem der Kampf gegen die Seekrankheit. „Selbst ich werde hin und wieder seekrank.“
Es gebe nur ganz wenige Menschen auf der Welt, die nicht darunter leiden. Dass Greta dazugehört, für die der erste Segeltörn gleich einer der extremsten ist? Unwahrscheinlich. „Dann ist es wichtig, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Im Zweifel mit ärztlicher Betreuung von Land aus.“
Statt einer Toilette gibt es einen Eimer an Bord
Die Bedingungen an Bord: Statt einer Toilette gibt es einen Eimer. In den zwei sogenannten Rohrkojen sollen Greta und ihr Vater schlafen, „wir schlafen dieses Mal auf dem Boden“, sagt Herrmann. Gegessen wird sogenannte Astronautennahrung, wie Greta will sich Herrmann erstmals komplett vegan ernähren. Zubereitet wird alles auf einem kleinen Gaskocher.
Während der Skipper genug damit zu tun hat, die Passagiere heil auf die anderen Seite der Welt zu bringen, kann Greta an Bord wenig machen: „Sie hat gesagt, dass sie viel lesen will, schreiben, filmen. Und sicherlich wird sie auch die eine oder andere Botschaft von Bord verschicken.“
"Greta und ich sind keine Plaudertaschen"
Und ja, natürlich wird es Gespräche geben: „Wobei ich genauso wie Greta nicht so eine Plaudertausche bin. Ich habe gern meine Ruhe“, sagt Boris Herrmann. Er ist überzeugt, dass ihr starker Wille die 16-Jährige so manche schwere Stunde überstehen lassen wird. Aber er gibt auch offen zu: „Ich hätte in ihrem Alter nicht den Mut gehabt, das zu tun, was sie jetzt tut.“
Er selbst werde zusammen mit seinem Freund und Co-Skipper Casiraghi dafür sorgen, dass Greta sicher und heil in die USA kommt. Im Zweifel eine Route wählen, die nicht zu stürmisch ist. Den einen oder anderen Umweg fahren, damit die Bedingungen komfortabler bleiben.
„Greta soll sich wohlfühlen, und dafür werden die ersten ein, zwei Tage entscheidend sein.“ Mittwochnachmittag soll es los gehen. Die Wetteraussichten für den Start? „Noch sind sie nicht optimal“, sagt Boris Herrmann. Zu viel Wind sei für den kommenden Mittwoch vorausgesagt, wenn der Hamburger Extrem-Segler das Abenteuer wagt. „Wir zögern den Start aber im Zweifel so lange hinaus, bis wir die besten Bedingungen für die Fahrt haben.“
Boris Herrmann versucht die Erwartungen zu dämpfen
Und so ist Herrmann auch noch recht entspannt beim Interview in der Hamburger Hafencity. "Aufgeregt, nein aufgeregt sei er nicht", sagt er. „Wenn ich zu einer Regatta starte, dann bin ich angespannt. Dann stehe ich aber auch unter einem hohen Leistungsdruck. Muss für mein Team ein gutes Ergebnis abliefern und dabei möglichst wenig am Schiff kaputt machen.“
Jetzt will er „den Druck rausnehmen aus diesem Projekt. Die Erwartungen dämpfen. Möglichst locker rangehen. Ich bin überzeugt davon, dass wir dann am meisten erreichen werden.“ Die Kosten für die Reise übernimmt übrigens sein Team, auch „wenn das ein ziemliches Loch in unsere Kasse reißt“. Sponsoren, wie sonst im Segelsport, gibt es nicht, „das passt weder zur Greta noch zu dieser Mission“.
Wenn Boris Herrmann seine Passagiere in New York abgesetzt hat, will er so schnell wie möglich das Training für die Vendée Globe aufnehmen, bei der er 2020 als erster Deutscher allein in etwa drei Monaten die Welt umsegeln will. Und was, wenn Greta ihn dann fragt, ob er sie wieder zurück nach Europa bringen kann? „Ich denke, dass es bis dahin genug Schiffe geben wird, die das auch ohne Emissionen tun können.“