Hamburg. Hamburgs Bürgermeister lässt sich von autonomer Tesla-Limousine durch die Innenstadt kutschieren. Die neue Technik beeindruckt.
Der Bürgermeister kommt schnell die Stufen im Innenhof herunter, das kleine Abenteuer wartet schon. Eine Tesla-Limousine, auf dem Dach ein Metallgestell und Kameras in alle Richtungen, ein rotierender Zylinder vorn über der Windschutzscheibe. „Autonomes Fahren ist etwas, über das alle reden“, sagt Peter Tschentscher (SPD). Dann beginnt der Praxistest.
Gemeinsam mit Professor Rasmus Rettig von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) begibt sich Tschentscher mit dem Auto auf die Teststrecke, die im Frühjahr eingerichtet wurde und im kommenden Jahr auf rund neun Kilometer Länge ausgebaut werden soll. Sie führt unter anderem über Rödingsmarkt, St. Pauli und rund um die Messehallen durch die Innenstadt.
Hamburg als Vorreiter der E-Mobilität?
„Ein anspruchsvoller Verkehrsraum“, wie Tschentscher am Freitagmittag konstatiert. Der Senat erhofft sich von dem Projekt eine Vorreiterrolle der Hansestadt bei der Zukunftsmobilität. Der Bürgermeister sieht das Potenzial, mithilfe autonom fahrender Fahrzeuge „den gesamten Verkehrsfluss intelligenter steuern“ zu können.
Tschentscher lenkt den Wagen noch manuell durch die Pforte auf den Großen Burstah, bevor die Technik übernimmt. Die autonomen Fahrzeuge kommunizieren über den Mobilfunkstandard LTE untereinander und bislang mit sechs Ampeln auf der Teststrecke. Im Jahr 2020 sollen es insgesamt 37 Ampeln auf dem städtischen Pilotabschnitt sein. Damit das Auto selbstständig lenken und abbiegen kann, füllt ein Computersystem den gesamten Kofferraum der Testfahrzeuge.
Testfahrt mit Tesla: "Etwas gespenstisch"
Nach etwa 15 Minuten ist die Testfahrt beendet. Sein Eindruck? „Etwas gespenstisch“, sagt Tschentscher zuerst. „Das Fahrzeug kann auch genau und mit dem richtigen Tempo Kurven fahren. Ich bin beeindruckt, wie gut die Systeme bereits funktionieren.“ Dennoch sei die Technik noch längst nicht so weit, dass man sich auf dem Fahrersitz einfach entspannt zurücklehnen könne. „Man muss noch sehr achtsam sein.“ Aus Sicherheitsgründen sitzen bei den wissenschaftlichen Fahrten auf der Teststrecke jeweils professionelle Fahrer am Steuer.
Auch Grüne und Opposition loben die neue Technologie
Der Senat erhofft sich einen besonderen Nutzen davon, dass die Teststrecke mitten durch die Innenstadt führt. Zu den Nutzern gehört der Volkswagen-Kinzern, der autonomes Fahren zuvor nur auf dem Wolfsburger Werksgelände getestet hatte. Der Schritt in den realen Stadtverkehr sei eine Herausforderung, weil dort heikle Situationen zu berücksichtigen seien: mit Radfahrern, Fußgängern, schnellen Spurwechseln, Ampeln. Auch die HAW ist im Rahmen ihres „Urban Mobility Lab“ an der Erprobung verschiedener Sensorik beteiligt.
Peter Tschentscher betont nach seiner Testfahrt, dass Hamburg die Chance habe, bei der Entwicklung der Autos beteiligt zu sein, die langfristig die manuell gesteuerten Fahrzeuge vollständig ersetzen könnten. „Es ist wichtig, nicht zu viel nur im Labor herumzuexperimentieren, sondern die Technik zur Anwendung zu bringen“, sagte Tschentscher. Bei seiner jüngsten Asienreise besuchte der Bürgermeister auch Tokio, wo es ebenfalls einen Testbereich für autonomes und vernetztes Fahren gibt. Diese biete jedoch nicht dieselben Echtbedingungen wie in Hamburg, heißt es.
Hamburg: Zahl der Privatautos könnte drastisch sinken
Der Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) hatte bereits bei der Vorstellung der Teststrecke angekündigt, dass Hamburg zu einer Modellstadt für intelligente Mobilität werden solle. Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen hatte gemeinsam mit anderen Landtagsfraktionen der Partei eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) in Auftrag gegeben. Demnach könnten die autonom fahrenden Autos ein wichtiger Bestandteil der avisierten „Verkehrswende“ sein.
Würde man den Verkehr von Bussen, Bahnen und Fahrrädern mit Fahrzeugen ergänzen, die wie die derzeit getesteten Fahrzeuge auf bestimmten Strecken autonom fahren können, ließe sich die Zahl der privat genutzten Autos laut der WZB-Studie auf 40 bis 50 Stück pro 1000 Einwohner reduzieren. Wenn die neuen Fahrzeuge langfristig sogar überall in der Stadt autonom unterwegs sein könnten, sei der Effekt potenziell noch größer.
Der Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sprach davon, dass die neue Technologie so genutzt werden könnte, „dass wir am Ende eine andere Stadt haben“. Frühestens allerdings soll es vollständig und überall selbstfahrende Autos vom Jahr 2040 an auf Hamburgs Straßen geben.
Das Projekt kostet rund 22 Millionen Euro
Der Erste Bürgermeister sagte am Freitag, man solle sich nicht zu viel darum sorgen, wann die Technologie flächendeckend eingesetzt werden könne. „Entscheidend ist, dass man die ersten Schritte auf dem Weg macht.“ Das Projekt soll knapp 22 Millionen Euro kosten. Davon übernehmen das Bundesverkehrsministerium und die Stadt jeweils etwa die Hälfte. Auch die Opposition hatte das Vorhaben gelobt. Autonome Fahrzeuge könnten das Fahren attraktiver, umweltfreundlicher und sicherer gestalten, sagte der FDP-Abgeordnete Ewald Aukes.