Hamburg. Er wollte Philosophie und Theologie studieren. Doch dann kam alles ganz anders. Und auch mit 70 hat er noch große Pläne.
Kunden und Mitarbeiter von Budnikowsky sollten immer damit rechnen, plötzlich neben dem Chef zu stehen – nicht nur in dem Geschäft direkt um die Ecke in St. Georg, wo Cord Wöhlke wohnt. Nein, der Unternehmer besucht bei jeder Gelegenheit die Filialen seines Unternehmens. Und das nicht etwa, um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Für Wöhlke sind die Geschäfte sein zu Hause. Hier fühlt er sich wohl. Genießt es, mal unerkannt, mal erkannt durch die Reihen zu schlendern, nach dem Rechten zu schauen und mit Kunden und Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Und erfährt so auf dem direkten Wege, was gerade gut klappt oder auch nicht. Diesen Kontakt liebt der Firmenchef, der an diesem Sonntag 70 Jahre alt wird. 2020 ist er 50 Jahre bei Budni – Zeit, eine Bilanz zu ziehen.
Dabei ist es Wöhlke eher unangenehm, über sein unternehmerisches Schaffen zu sprechen, er steht nicht gern im Rampenlicht. An einem runden Geburtstag lässt sich das nun nicht ganz vermeiden, auch wenn Wöhlke alles versucht. Es wird keine große Party geben, gefeiert wird klein mit der Familie. Immerhin haben seine Mitarbeiter ihn überzeugt, den runden Geburtstag zum Anlass zu nehmen, eine Benefizveranstaltung für die Budnianer Hilfe zu planen, die Kinder- und Jugendprojekte unterstützt. Unter dem Motto „Benefiz für Bildungsschätze“ soll am 30. September im Altonaer Kaispeicher Geld gesammelt werden für sein Herzensprojekt. „Ein paar Worte zur Begrüßung werde ich wohl sagen müssen. Das reicht dann aber auch“, sagt Wöhlke.
„Bauer bleibt Bauer“
Er hoffe, dass dank der rund 200 geladenen Gäste viel Geld zusammenkommt, um den Verein, den er 1997 mit seiner Frau und engagierten Mitarbeitern gegründet hat, zu unterstützen. Das Ziel: Etwas von dem Glück weiterzugeben, das die beiden gehabt haben: „Nur ein Teil meines Lebenswegs ist bis heute mit meinem Können verbunden. Vieles hängt einfach davon ab, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.“ Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein – das steht auch am Anfang der Karriere von Cord Wöhlke. Ursprünglich hatte der Budni-Chef mit Budni nämlich gar nichts zu tun. Nur durch einen glücklichen Zufall, manche würden es Schicksal nennen, kam er in die Firma.
Aufgewachsen ist Wöhlke nahe Bremen. Sein Vater führte dort das familieneigene Baugeschäft. Seine Mutter kam vom Bauernhof um die Ecke. „Dort habe ich meine ersten Einzelhandelserfahrungen gemacht.“ Mit der Großmutter sei er regelmäßig auf den Wochenmarkt gefahren, um selbst produzierte Waren und die anderer Höfe zu verkaufen. „Damals war Kinderarbeit ja noch nicht verboten“, sagt er und lacht. Schnell habe er gelernt: „Der Erfolg eines solchen Markttages hängt einerseits vom Service ab, andererseits von der Qualität der Waren. Und vom Preis.“ Bis heute fühle er sich der Landwirtschaft eng verbunden. „Bauer bleibt Bauer.“ Den Handwerksbetrieb gibt es übrigens heute noch, sagt Wöhlke nicht ohne Stolz. Sein 111-jähriges Bestehen feiere er in diesem Jahr.
Wechsel in Großstadt war ein Kulturschock
Wöhlke beendete die Schule mit der Mittleren Reife und machte eine Lehre bei der Sparkasse in Bremen. Unbewusst legte er hier den zweiten Grundstein für sein unternehmerisches Handeln einige Jahre später. Denn in diese Zeit fällt auch der erste Kontakt mit Budnikowsky. Wöhlkes Vater heiratete nämlich 1966 in zweiter Ehe Ruth Wöhlke, die Tochter des Firmengründers Iwan Budnikowsky. Und Cord Wöhlke wurde ein Sohn für sie. Bis heute spricht der sympathische Mann mit den kurzen grauen Haaren davon, zwei Mütter gehabt zu haben. Eine bei Bremen und eine eben in Hamburg.
So war es nur naheliegend, dass schon kurze Zeit später die Frage im Raum stand, ob Wöhlke nicht in das Unternehmen einsteigen wolle. „Es wurden Mitarbeiter gebraucht. Und einer von denen war dann ich.“ Wöhlke sagt, er habe den Einstieg als Chance gesehen: „Trotzdem waren die ersten Jahre extrem hart.“ Der Wechsel vom Dorf in die Großstadt sei für ihn mit gerade einmal 20 Jahren ein Kulturschock gewesen. Dazu das fremde Unternehmen. Der junge Mann durchlief alle Abteilungen, „außer Lohnbuchhaltung und Finanzbuchhaltung“. In den 70er-Jahren hatte Budni 150 Mitarbeiter und 25 Filialen.
Er wurde zum Gesicht der Firma Budnikowsky
Wöhlke übernahm Stück für Stück immer mehr Aufgaben. Wurde zum Gesicht der Firma Budnikowsky. An seiner Seite vorerst sein Vater und seine „zweite“ Mutter Ruth Wöhlke, die bis vor Kurzem jede Woche in der Firma nach dem Rechten schaute. Unter der Leitung des Stiefsohns wuchs Budnikowsky kontinuierlich. Heute arbeiten rund 2000 Männer und Frauen für die Firma in mehr als 180 Filialen.
Das Motto von Wöhlke: An erster Stelle stehen die Kunden, dann kommen die Mitarbeiter und an letzter Stelle die Interessen des Unternehmens. Denn Wirtschaft müsse den Menschen dienen – nicht umgekehrt. Nicht nur die Umsätze und die Effizienz zählten. Die Menschlichkeit sei ein ganz wichtiger Bestandteil seiner täglichen Arbeit. Auch in schlechten Zeiten. Und fügt hinzu: „Sicherlich, wir haben auch hin und wieder Fehler gemacht. Aber nie in böser Absicht. Das ist mir ganz wichtig.“ Wöhlke spielt damit auf den harten Wettbewerb in der Branche gegen Konkurrenten wie dm und Rossmann an. Und darauf, dass das Unternehmen noch immer in einer Phase der Umstrukturierung stecke. Ein fairer Umgang mit allen Kollegen sei ihm wichtig. „Ich wollte und will aber bei allen Entscheidungen immer so handeln, dass ich jeden Tag in den Spiegel schauen kann.“
Er will sich für bessere Bildung einsetzen
Schon früh ermunterte Wöhlke seine drei Kinder, in die Firma einzusteigen. „Vielleicht zu früh“, sagt er heute. Allerdings eher unfreiwillig. „Angefangen hat alles mit einer Krebsoperation, als ich etwa 50 Jahre alt war“, so Wöhlke. „Ich wusste nicht, wie es mit mir weitergehen würde, und wollte, dass die Nachfolge gesichert ist.“ Also habe der älteste Sohn Christoph früh Verantwortung übernehmen müssen. „Heute wünsche ich mir, ich hätte allen ein bisschen mehr Zeit gelassen. Das schien damals aber nicht möglich.“
Die Operation ist längst vergessen, Wöhlke topfit. Vielleicht hat er auch deshalb bisher die Nachfolge nicht endgültig geregelt. „Der 70. Geburtstag ist für mich aber der Anlass, jetzt endlich einmal kürzerzutreten“, sagt Wöhlke. Neben Sohn Christoph ist auch Tochter Julia seit rund zehn Jahren mit im Unternehmen. 2012 stiegen beide in die Geschäftsführung auf. Noch arbeiten die drei als gleichberechtigte Partner. Doch zum Ende des Jahres will er endlich aussteigen und in den Beirat des Unternehmens gehen, sagt er.
Bis dahin muss allerdings noch so einiges geregelt werden. „Alle Kinder, auch unser jüngster Sohn Nicolas, sollen die für sie wirklich passende Aufgabe finden. Ihren Talenten entsprechend. Und das muss gut überlegt sein.“ Das sei gar nicht so einfach, sagt Wöhlke. Schließlich dürfe es nicht nur um die Zufriedenheit seiner Kinder gehen, sondern auch um die Zukunft des Unternehmens. „Gleichzeitig Vater und Unternehmer zu sein, das ist nicht immer leicht.“ Aber er sei zuversichtlich, dass sie in den kommenden Monaten den richtigen Platz für jeden finden würden. „Und dann kann ich endlich auch wieder etwas mehr Zeit mit meiner Frau verbringen.“
Weiteres großes Projekt
Gerade plant er allerdings ein weiteres großes Projekt. Auf einem Grundstück neben der Firmenzentrale soll ein Haus mit 45 Wohnungen entstehen, im Sozialwohnungsbau. „Die sind für unsere Mitarbeiter gedacht“, sagt Wöhlke. Denn die steigenden Immobilienpreise machten es dem Unternehmen immer schwerer, gute Leute zu finden.
Er könnte sich auch noch mehr für die Belange der Stadt einsetzen. Dafür hatte er in den vergangenen Jahren einfach viel zu wenig Zeit. „Vielleicht kann ich dann noch mehr meine Möglichkeiten nutzen und die Entwicklungen in dieser Stadt mitgestalten. Mich bemerkbar machen mit meinen Anliegen für eine bessere Bildung beispielsweise“, sagt der Bundesverdienstkreuz-Träger und grinst verschmitzt. Wie genau er das meint, will er noch nicht verraten. „Vielleicht weiß ich es selbst noch nicht so ganz genau.“ Der schwindende Zusammenhalt der Gesellschaft, der beschäftige ihn schon sehr. „Wir müssen dringend etwas tun, damit hier alles nicht noch weiter auseinanderdriftet.“ Dafür wolle er sich gern einsetzen. „Mein Herz schlägt links, das Portemonnaie rechts.“
Vielleicht geht er vom nächsten Jahr an auch wieder zur Uni und holt das nach, was er in jungen Jahren für die Firma aufgeben musste. Wöhlke wollte nämlich Philosophie und Theologie studieren, bevor er Unternehmer wurde. „Heute wäre es aber eher das Fach Politik.“ Sicher ist, beratend will er weiter im Unternehmen tätig sein. „Es hört mit mir bei Budni erst auf, wenn der Stein oben draufliegt“, sagt er schlicht. Und: „Ich bin überzeugt davon, der Tod lauert auf dem Sofa.“ Deshalb sei ein klassisches Rentnerdasein auch nichts für ihn.
Nächste Woche: Volker Wittenburg, Geschäftsführer des Großhamburger Bestattungsinstituts