Hamburg. Alle Straßensperrungen wurden nach Abschluss der Demos aufgehoben, auch die U-Bahn verkehrt wieder regulär.
Eine von Rechtsextremisten organisierte Demonstration am Sonntag sorgte bereits vor Beginn für Verzögerungen: Wie die Polizei Hamburg mitteilt, waren seit 11 Uhr Straßen rund um den Versammlungsort am Rödingsmarkt gesperrt – unter anderem die Ludwig-Erhard-Straße. Die U-Bahn-Haltestelle Rödingsmarkt wurde während des rechten Aufzugs nicht angefahren. Kurz vor 15 Uhr wurden alle Sperrungen wieder aufgehoben.
Innensenator Andy Grote (SPD) twitterte nach Abschluss der Demonstration, der "Neustart der rechtsextremistischen Merkel-muss-weg-Demo" sei "mit gerade mal 68 Teilnehmern klar gescheitert" und äußerte die Hoffnung, dass keine weiteren Kundgebungen folgen würden.
68 Demonstranten – darunter viele klar Rechtsextreme
Die Gegendemonstration des Hamburger Bündnis gegen Rechts, die bereits am späten Vormittag begonnen hatte, kam laut Polizei auf knapp 800 Teilnehmer – der Veranstalter hatte mit 300-500 Demonstranten gerechnet. Bei "Deutscher Michel, wach endlich auf" waren nach Angaben der Polizei hingegen lediglich 68 Menschen, die sich unter dem U-Bahn-Viadukt am Rödingsmarkt versammelten.
Darunter der AfD-Lokalpolitiker Johannes Salomon aus Mecklenburg-Vorpommern und verschiedene weitere überregionale Zuläufer, unter anderem aus Nordrhein-Westfalen: Ein Banner der als rechtsextrem geltenden Organisation "Mönchengladbach steht auf" wird gezeigt, einer der Teilnehmer trägt ein T-Shirt der neonazistischen US-Gang "Aryan Circle".
Stationäre Kundgebung statt rechtem Demozug
Nach Abendblatt-Informationen wollten die Teilnehmer ihren geplanten Zug nur antreten, falls ihre Zahl auf mindestens 100 Menschen anwachsen würde. Gegen 13.30 Uhr teilten die Organisatoren der Polizei mit, dass statt des geplanten Umzugs eine stationäre Kundgebung stattfinden wird.
An der Ludwig-Erhard-Straße waren mehrere Wasserwerfer der Polizei stationiert, Zusammenstöße mit den Gegendemonstranten gab es keine. Die Polizei setzt auf Deeskalation, indem sie die einander provozierenden Gruppen nicht nur räumlich voneinander trennte, sondern zusätzlich Einsatzfahrzeuge zwischen ihnen postierte.
Hinter der "Deutscher Michel"-Demonstration steht die Personengruppe, die früher unter dem Namen "Merkel muss weg" firmierte und sich nach kontinuierlich sinkenden Teilnehmerzahlen Ende 2018 in "Deutscher Michel, wach endlich auf" umbenannte. Wie Marco Haase, Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes, dem Abendblatt bestätigte, handelt es sich bei beiden Gruppierungen um denselben, "von uns beobachteten rechtsextremistischen Personenkreis".
Veranstalter der Demo sind Rechtsextreme
Teils versuchen die Veranstalter, sich durch die Einladung von AfD-Politikern und anderen im rechten Spektrum aktiven Rednern (so sprachen bei vergangenen Veranstaltungen unter anderem der damalige stellvertretende Landesvorsitzende der AfD in Mecklenburg-Vorpommern, Dennis Augustin und der Publizist Matthias Matussek) einen bürgerlichen Anstrich zu geben. Doch die Stadt habe diese Maskerade durchschaut, sagt Haase: "Ganz Hamburg weiß, dass die Veranstalter Rechtsextreme sind." Wer dort mitmarschiere, mache mit ihnen gemeinsame Sache.
Die Veranstalter um den ehemaligen Türsteher und privaten Personenschützer Thomas G., der nach Abendblatt-Informationen nahezu von Anfang an der Hauptverantwortliche für die "Merkel muss weg"-Demos war, rechneten im Vorfeld für den 29. September laut Polizei mit 200 bis 300 Teilnehmern. Auch in der jüngeren Vergangenheit waren die Teilnehmerzahlen deutlich darunter geblieben, zum Teil kamen weniger als 100 Menschen: Das größte Ungleichgewicht gab es im vergangenen September, als 173 rechten rund 10.000 Gegendemonstranten gegenüberstanden.
Auch evangelische Kirchen rufen zu Gegendemonstration auf
Verschiedene Organisationen haben bereits kurz nach Bekanntwerden des Termins zur Teilnahme an der Gegenkundgebung aufgerufen: Am Freitag baten auch die Pröbste des Kirchenkreises Hamburg-Ost um Teilnahme: Mit der Vereinnahmung der St.-Michaelis-Kirche als Symbol hätten die Rechtsextremen "eine weitere Grenze überschritten", sagte St.-Nikolai-Hauptpastor und Probst Martin Vetter dem Evangelischen Pressedienst. „Deshalb müssen wir auf die Straße gehen, um sichtbar und eindeutig Position zu beziehen“, so Vetter weiter.
Die Gegendemonstration des Hamburger Bündnis gegen Rechts hat um 11.30 Uhr mit einem Umzug begonnen. Seit 12.30 und noch bis 14.30 ist die Abschlusskundgebung in der Nähe des Michels geplant.
Die Polizei ist mit einem größeren Aufgebot vor Ort, um die Demonstranten beider Seiten voneinander getrennt zu halten.
Pegida München will erneut zur Roten Flora
Auch der Anmelder der zweiten Demonstration ist kein Unbekannter in Hamburg: Heinz M. hatte bereits im Frühjahr versucht, gegen die Rote Flora zu demonstrieren. Der Bayer, Chef des Münchener Ablegers der rassistischen Pegida-Bewegung, der laut "Süddeutscher Zeitung" den Behörden als rechtsextremer Gefährder gilt, hatte bereits im Frühjahr versucht, gegen die Rote Flora zu demonstrieren – genau vor dem besetzten linken Zentrum.
Laut Polizei soll er für den 12. Oktober eine Kundgebung angemeldet haben, am Schulterblatt 82, erneut genau gegenüber der Roten Flora. Der Versammlungsort werde derzeit "geprüft", heißt es von der Polizei. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Heinz M. seine Kundgebung erneut wird verlegen müssen.