Hamburg. Merkel muss weg“ heißt nun „Michel, wach endlich auf“ – die rechtsextremen Organisatoren sind dieselben.

„Hier werden knallharte Lügen verbreitet“, ruft Michael Stürzenberger. Der Bayer, dem der Verfassungsschutz des Freistaates seit Jahren wegen seiner Islamfeindlichkeit ein eigenes Kapitel widmet, ist einer von drei Rednern bei der ersten rechten Demonstration in Hamburg seit fünf Monaten. Nachdem die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingeschätzten Organisatoren Anfang vergangenen Jahres zunächst jede Woche zu einer Kundgebung aufgerufen hatten, war der Rhythmus schnell langsamer geworden. Nach dem letzten Aufzug Anfang November herrschte lange Zeit Stille. Dann gab man sich einen neuen Namen: Statt „Merkel muss weg“ firmiert das undurchsichtige Bündnis aus AfD-nahen und noch rechteren Menschen nun unter dem Namen „Michel, wach endlich auf“.

Zur Demonstration am Sonntag hinter dem Bahnhof Dammtor kommen nach Angaben der Polizei in der Spitze 130 Menschen – deutlich weniger als erwartet. Auf der anderen Seite des Polizeikordons protestieren 750 linke Gegendemonstranten. Zu der Kundgebung „Gemeinsam solidarisch gegen rechte Hetze“ hatte das Hamburger Bündnis gegen Rechts aufgerufen. Von St. Georg aus ziehen die Demonstranten über Mönckebergstraße, Rathausmarkt und Gänsemarkt zum Dammtor. Die Sicherheitskräfte sind mit einem Großaufgebot vor Ort, um die beiden Lager zu trennen. Zwei Wasserwerfer und ein Räumpanzer stehen auf dem Bahnhofsvorplatz bereit.

AfD-Politiker fordert sofortige Abschiebung aller Syrer

Stürzenberger, der bereits im November bei „Merkel muss weg“ aufgetreten war, behauptet: „Die „Islamisierung ist eine Tatsache!“ Seine Botschaft verkürzt drastisch: Der Islam ist keine vielgestaltige Weltreligion, sondern ein monolithischer, dem Westen feindselig gesonnener Block. Beweise dafür braucht er keine, ihm reichen wild zusammen gewürfelte Zitate aus mehr oder minder vertrauenserweckenden Quellen.

Die anderen Redner sind Lokalpolitiker der AfD in Rostock: Steffen Reinicke und Johannes Salomon. Reinicke spricht zum Auftakt von „der Bewegung“, die – dem Augenschein zum Trotz – immer mehr Zulauf erhalte und schilt die Medien, die angeblich nie die Wahrheit berichteten. Nicht nur über die „Gören“ von „Fridays for Future“, die dem „CO2-Wahnsinn“ Vorschub leisten würden. Sondern auch über den Krieg in Syrien, der längst beendet sei, weswegen alle von dort Geflüchteten sofort abgeschoben werden müssten. Er will ihnen „einen Tag“ geben, um ihre Sachen zu packen. „Abschieben, abschieben“ quittiert das Publikum. Plakate werden in die Höhe gereckt, die Aufschriften wie „Sturz der Blutraute“ tragen.

Bulliger Glatzkopf baut sich vor Pressefotografen auf

Nach einer knappen Stunde voller „Widerstand“, „Lügenpresse“ und „Abschieben“ ist um kurz vor 14 Uhr der Sonderzug da, der die „Michel“-Demonstranten abholt, um ein Zusammentreffen mit der Gegenseite zu vermeiden, zu der auch einige gewaltbereite Linke zählen. Die Demo soll beendet werden, doch Reinicke schreitet empört ein: Bevor nicht die Nationalhymne gesungen worden sei, würde er nicht zulassen, dass „die Polizei uns raustreibt“. Man stimmt gemeinsam die Hymne an und macht sich auf den Weg zum Gleis.

Im Bahnhof fällt einer der – wie Reinicke betont hatte – „gewaltfreien, demokratischen und friedlichen“ Demonstranten aus der Rolle: Der bullige Glatzkopf baut sich Zentimeter vor einem Pressefotografen auf, der ihn gerade abgelichtet hat, und schimpft. Kurz vorher hatte der rechte Blogger Henryk Stöckel, der die Veranstaltung per Live­stream ins Internet verteilt hatte, noch Beifall dafür erhalten, alles zu filmen.

Dank der massiven Polizeipräsenz bleiben Zusammenstöße zwischen Rechten und Linken aus: Ein Versuch der Gegendemonstranten, den Bahnhof zu blockieren, um die Anreise der Rechten zu verhindern, wird schnell unterbunden, ebenso wie der einer weiteren Kleingruppe, zu der Kundgebung durchzudringen.