Hamburg. Der pensionierte Hamburger Richter Wolfgang Backen hat ein Buch über seine Prozesse verfasst. Wozu Menschen fähig sind.
Er hat Hass erlebt. Habgier, Brutalität, Kaltblütigkeit. Aber auch menschliche Dramen. Er hat Menschen erlebt, die aus Mordlust töten, und solche, die Eifersucht antrieb. Aber auch jemanden, der aus Verzweiflung einen geliebten Partner umbrachte und sich selber das Leben nehmen wollte. Wolfgang Backen hat in den 37 Jahren, die er als Richter tätig war, immer wieder vor Augen geführt bekommen, wie schnell jemand zum Mörder werden kann und wie schnell andere zum Opfer. Er weiß wie kaum ein anderer: „Das Leben ist zerbrechlich.“
So lautet auch der Titel des Buches, in dem der vor drei Jahren in Pension gegangene Jurist rückblickend über 16 Fälle aus seinem Berufsleben geschrieben hat. „Der Mensch kann zu Unvorstellbarem fähig sein, wenn er Gelegenheit dazu bekommt und entsprechende Anlagen hat“, heißt es im Vorwort. Und: „Dies ist kein Kriminalroman. Die hier zusammengetragenen Fälle haben sich alle so – wie hier beschrieben – abgespielt.“
Tumult im Saal
Da ist zum Beispiel der Fall der getöteten Morsal. Die 16-Jährige war von ihrem älteren Bruder erstochen worden, weil der in Afghanistan geborene Mann nicht ertragen wollte, dass Morsal so leben wollte wie deutsche Jugendliche. Er war der Meinung, sie habe die Ehre der Familie beschmutzt und damit ihr Recht auf Leben verwirkt. 2009 verurteilte Backens Kammer den Angeklagten zu lebenslang wegen Mordes.
Nach der Urteilsverkündung war ein Tumult im Saal ausgebrochen, weil die Familie des Angeklagten nicht ertragen mochte, dass er für lange Zeit ins Gefängnis musste. „An den Tod der Tochter und Schwester dachte die Familie offenbar nicht mehr. Er war ihr egal, wenn nicht sogar erwünscht“, schreibt Backen dazu.
Der Jurist schreibt unter anderem über einen Achtjährigen, der miterleben musste, wie sein Vater seine Mutter erschoss. Backen schildert den Prozess gegen eine Frau, die den Vater ihres Verlobten tötete und dessen Leichnam zersägte. Und er stellt einen Fall dar, den er als junger Richter verhandelte: Das Verfahren gegen einen Mann, der 1971 wegen Mordes an einer Sechsjährigen verurteilt worden war und 16 Jahre in Santa Fu saß, wurde 1987 neu aufgenommen.
Mann hatte ein Alibi
Der Mann hatte ein Alibi, was aber im ersten Prozess nicht berücksichtigt worden war. Dass er immer wieder beteuerte, unschuldig zu sein, hatte ihm nichts genutzt. Man glaubte einem ersten, dann aber zurückgezogenen Geständnis. „Bis dahin konnte ich mir nicht vorstellen“, schreibt Backen, „dass jemand einen Mord gesteht, den er nicht begangen hat, und dafür einen großen Teil seines Lebens im Gefängnis verbringt.“
Wolfgang Backen: „Das Leben ist zerbrechlich“, als Paperback über Amazon (9,90 Euro) oder als eBook z. B. bei Thalia (für 6,99 Euro)