Hamburg. Der ehemalige Werbefilmer Christian Aeby verkauft auf vier Quadratmetern nur eine Sorte Brot. Was dahintersteckt.

Das Brot als Blickfang funktioniert. Auf der einen Seite vor der Glasfront die Passanten, auf der anderen Christian Aeby , der ihnen zuwinkt und sie hineinbittet in Hamburgs wohl kleinsten Bäckerladen. In dem es nichts gibt außer einer Sorte Brot, in Dünn und in Dick. „bread“ heißt der ungewöhnliche Laden am Eppendorfer Weg. Einfach nur Brot eben.

Schwarze Wände, ein alter Apothekenschreibtisch, eine Waage, ein Messer und Brot. Das ist alles, was hier auf vier Quadratmetern zu finden ist. Deko? Fehlanzeige, auch keine Brötchen, kein Kuchen. Selbst die Kassenlade ist unter dem Tisch versteckt. Puristischer geht es kaum. Christian Aeby verkauft hier seit fünf Tagen sein Schweizer Sauerteigbrot. Ein Produkt? Das kann doch nicht gut gehen, würden Experten aufschreien. Das unternehmerische Risiko ist doch viel zu groß.

„Die Lage funktioniert"

Aber Christian Aeby hat keine Profis gefragt, er hat es einfach gemacht und Mitte August sein Brotgeschäft eröffnet. Bilanz nach wenigen Tagen: „Die Lage funktioniert. Das Ganze ist natürlich etwas verrückt“, sagt er. Allein ist er hier kaum: Ständig kommen Kunden hinein, manche ganz gezielt, weil sie Aebys Brot von den Wochenmärkten am Turmweg, Groß Flottbek und vom Isemarkt bereits kennen, andere, weil sie dieser schlichte Laden neugierig gemacht hat. Der Laden ist so etwas wie ein sozialer Treffpunkt. Da keine Schilder darauf hinweisen, müssen die Menschen hineinkommen und mit Christian Aeby ins Gespräch kommen – ein Brot und zehn Minuten darüber reden, so in etwa sieht eine typische Verkaufsszene aus. Anonym mag es in den Bäckerketten sein, hier geht es viel intimer zu.

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Vom Bürgersteig aus sind lediglich das Brot auf der Fensterbank und Christian Aeby im Schein seiner Deckenlampen zu sehen. Der Schriftzug „bread“ ist klitzeklein am rechten unteren Fensterrand zu sehen. Man muss ihn fast suchen.

Ausschließlich naturbelassene Zutaten

Das alles ist natürlich kein Zufall. Aeby, jahrzehntelang als Werbefilmer erfolgreich weltweit unterwegs, ist Ästhet, der sich bei allem etwas denkt. Selbst die Scheinwerfer hat er nach dem richtigen Farbton ausgesucht, sodass sein Brot perfekt ausgeleuchtet wird.

Jahrzehntelang hat der Baseler nach dem Brot seiner Schweizer Heimat gesucht­. Das ist ein Sauerteigbrot, das „Büürli“, der kleine Bauer, der in der Schweiz ganz traditionell gegessen wird. Aber fündig wurde er nicht, also nahm er es selbst in die Hand. Perfektionist eben: Der Hobbykoch, der auch seine Pasta und seine Fonds selber macht, fing mit dem Brotbacken an. Sein Sauerteigbrot wird in einer Bäckerei in Altona nach seinen Vorgaben im Holzofen, mit ausschließlich naturbelassenen Zutaten und nach ursprünglicher Art gebacken. Viele Jahre hat er nach der optimalen Rezeptur und dem besten Reifeprozess gesucht.

Reifungsprozess dauert drei Tage

Was dieses Brot so besonders macht?, möchte eine Kundin wissen. Ganz einfach: der Reifungsprozess. Er dauert drei Tage. „Das Brot ist so komplex. Bei jeder Witterung und jeder Temperatur ist es wieder anders“, sagt der 61-Jährige, der sich ganz bewusst nur auf dieses eine Brot konzentriert und damit einen Kontrast zur Massenware bietet, bread ist das Gegenteil vom Beliebigen. „Bei 100 Produkten hat man nicht mehr diese Hinwendung und diese Achtsamkeit“, sagt er. Er spricht von seinem Brot wie von einer Liebe. Und das ist es ja auch.

„Ich habe 30 Jahre auf dieses Brot gewartet“, sagt Aeby . Schicke Namen haben seine Brote nicht, sie heißen nur Nummer 1 (lang und dünn) und Nummer 2 (dick). An guten Tagen verkauft er bis zu 200 Stück. Aeby ist überzeugt: „Dieses Brot ist so, wie es gute Schweizer Bäcker backen würden.“ Mehl, Wasser, Salz, Malzextrakt und Acerolakirsche sind die Grundzutaten, die bei 300 Grad im Holzofen gebacken werden.

Hohe Feuchtigkeit in der Krume

Er hat ein ganz besonderes Brot entwickelt: dunkle knusprige Kruste, geschmacksintensive Rauch- und Röstaromen und hohe Feuchtigkeit in der Krume.

Dem Brot zuliebe steht er auf drei Wochenmärkten und nun auch nachmittags im Wechsel mit zwei Mitarbeiterinnen im Geschäft. Auch als Kontrast zu seinem bisherigen Berufsleben. „Irgendwann hat man alles gesehen. Außerdem hat sich die Werbebranche gewandelt. Es gibt wenig Geld und wenig Respekt, alles ist beliebig.“ Nun kann er seinen eigenen hohen Ansprüchen mit dem Brot gerecht werden, in seinem eigenen Takt.

Günstig ist sein Brot nicht gerade: 5 Euro kostet die dicke Variante, 3,40 Euro die dünne. Der Grund: „Keiner nimmt sich sonst die Zeit, die es für dieses Brot braucht“, sagt Aeby . Er will zurück zum Einfachen, zur Relevanz, zur Hingabe und Sorgfalt. „Wenn ich etwas mache, dann richtig.“

bread., Eppendorfer Weg 189, Öffnungszeiten: di–sa 14–18 Uhr