Hamburg. Auch viele Nutzer halten sich nicht an Regeln. Technische Lösungen funktionieren oft nicht. Stadt lädt Unternehmen zum Gespräch.
Auch zwei Monate nach dem Start werden die Regularien für Elektroroller nur teilweise eingehalten. Ein Test des Hamburger Abendblatts hat ergeben, dass gerade die Verbotszonen in der Innenstadt kaum beachtet werden. Die Scooter-Verleiher Tier, Voi, Lime und Circ hatten sich in einer freiwilligen Vereinbarung gegenüber der Verkehrsbehörde verpflichtet, die von der Stadt markierten Zonen frei von Rollern zu halten. Dass das nicht klappt, ist auch der Verkehrsbehörde bekannt. „Hinsichtlich der Parkverbotszonen wissen wir um die bestehende Problematik bei einzelnen Anbietern“, sagt Sprecherin Susanne Meinecke. „Wir stehen mit diesen in Kontakt und weisen auf Umsetzungsschwierigkeiten hin.“
Die Stadt will nun mit einem Computerprogramm gegensteuern, das die Daten der Anbieter analysiert. In der kommenden Woche gibt es zudem ein Treffen mit den Verleihfirmen.
Lage bessert sich nicht
Von Umsetzungsschwierigkeiten bei den Sperrzonen hatte die Verkehrsbehörde schon zwei Wochen nach dem Scooter-Start Mitte Juni gesprochen. Gebessert hat sich die Lage seitdem nicht. Ein kleiner Test an drei verschiedenen Wochentagen zeigt: Die Roller werden dort abgestellt, wo es passt – und das ist dann eben auch mal da, wo es eigentlich nicht erlaubt ist. Zum Beispiel auf dem Gänsemarkt, an der Spitalerstraße, am Ballindamm mit bestem Blick auf die Binnenalster, auf der Reeperbahn vorm Molotow, am Rand des Weges entlang der Außenalster, direkt vor dem alsterseitigen Eingang der Europa Passage, am Adolphsplatz an der Börse oder an der Langen Reihe. Alles Verbotszonen. Nicht nur Kunden stellen dort ihr Gerät ab, sondern sogar die Auflader, die nachts die Roller mit Strom versorgen und dann dort ordentlich aufreihen, wo eine hohe Nutzerrate vermutet wird.
Grund für die Falschparker ist offenbar, dass die Technik des Ausleihens und Abgebens der Roller noch nicht das hält, was man sich von ihr versprochen hat. In der Vereinbarung mit den Verleihfirmen heißt es: „Die Hansestadt Hamburg definiert Flächen (No-Parking-Zones), in denen die Beendigung des Leihvorgangs grundsätzlich nicht erlaubt ist. Nutzerinnen, die einen Leihvorgang dennoch in einem solchen Bereich beenden wollen, werden anbieterseitig durch technische Maßnahmen an der Abmeldung mittels Geo-Fencing gehindert.“ Genau daran hapert es. Bei dem Test war es bei zwei der vier Anbieter problemlos möglich, Roller sogar direkt vorm Haupteingang des Rathauses abzumelden und abzustellen.
GPS-Signale noch ungenau
Bodo von Braunmühl, Sprecher des Scooter-Verleihers Tier, räumt ein, dass das Abstellen in Sperrzonen teilweise möglich ist. „Der technische Grund dafür sind GPS-Signale, die noch nicht metergenau übertragen werden. Von diesem Phänomen sind alle Sharing-Anbieter gleichermaßen betroffen“, sagt er. Die Sender an den Rollern haben offenbar vor allem dann Probleme, wenn der Standort von hohen Häusern umgeben ist – also zum Beispiel an der Spitalerstraße. Falsch geparkte Roller würden aber von Tier zeitnah umgeparkt, sagt Braunmühl. Dabei stehe das Unternehmen in engem Kontakt mit dem Ordnungsamt und der Polizei.
Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirkamts, bestätigt das. Ihre Behörde, sagt sie, habe gar nicht das Personal, um die zusätzliche Aufgabe der Rollerkontrolle zu erfüllen. Einen falsch abgestellten Scooter könne man „auch einfach mal zur Seite stellen“. Immerhin befinde man sich noch in der Einführungsphase und müsse sehen, wie sich das neue Verkehrsmittel entwickle. „Von uns ist noch kein E-Scooter abtransportiert worden“, so Weiland. Es habe auch noch keine Beschwerden gegeben.
Grundsätzlich sind die Bezirksämter berechtigt, E-Tretroller sofort zu entfernen, „wenn sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen“. Schon rein organisatorisch dürfte es allerdings kaum möglich sein, die morgens von den Aufladern in Verbotszonen oder auf belebten Gehwegen postierten Scooter umzustellen.
Keine Konsequenzen für Falschparker
Denn sie sind schnell aufgestellt und schnell wieder verschwunden, sobald sie genutzt werden. Konsequenzen hat ein Aufstellen in den Sperrzonen deshalb in der Regel nicht. Tier-Sprecher Bodo von Braunmühl sagt: „Wenn unser externer Logistikpartner in Einzelfällen dort Scooter abstellt, ist dies natürlich extrem ärgerlich. Wir definieren gerade Prozesse mit unserem Logistikpartner, die solches Falschparken zeitnah verhindern werden.“
Wie viele Falschparker es bei Tier in Hamburg gibt, konnte von Braunmühl nicht sagen. „Falschparker werden von uns nicht dokumentiert. Was wir sagen können, ist, dass wir täglich Roller umparken oder falsch geparkte Roller einsammeln.“
Voi ist nach eigenen Angaben nicht betroffen von den Problemen mit den GPS-Sendern. Voi-Generalmanager Claus Unterkircher sagt: „Sobald sich ein Roller in der Sperrzone befindet, ist es nicht möglich, ihn abzugeben.“ Wenn man ihn trotzdem dort abstelle, deaktiviere sich der Roller automatisch nach vier Minuten. „Da dies gegen unsere Nutzungsbedingungen verstößt, wird dann eine Gebühr in Höhe von 25 Euro fällig, die der Fahrer zu tragen hat“, so Unterkircher. Dennoch gehört es laut Voi auch zu den Aufgaben der „eigenen und externen Hunter-Teams“, Falschparker wegzuschleppen.
Anbieter Lime antwortet spät
Der Anbieter Lime, den wir ebenfalls um Stellungnahme gebeten hatten, ließ sich rund 36 Stunden Zeit für eine Antwort, versendete diese dann abends gegen 23 Uhr und beantwortete die Frage, warum eine Rückgabe in der Sperrzone möglich sei, mit folgendem Satz: „Während unsere örtlichen Operations Teams an der Einsammlung von E-Scootern beteiligt sind, ist unsere Juicer-Community von unschätzbarem Wert für uns und hilft uns dabei, am Ende des Tages die E-Scooter rechtzeitig von den Straßen zu räumen.“ Aha!