Hamburg. Abendblatt-Aktion „Seid nett zueinander“: Corinna Senf von St. Nikolai ist das eine Herzensangelegenheit.

Es sind die kleinen Gesten, die oft große Wirkung haben. Wem auf dem Neuen Friedhof Harburg plötzlich ein menschliches Bedürfnis ereilt, der befindet sich in höchster Not. Wäre da nicht das nahe gelegene Pastorat der Familie Senf. Wer an der Haustür klingelt, findet dort meist Einlass und kann das Gäste-WC benutzen.

Corinna Senf, Pastorin an der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern, erzählt von den offenen, gastfreundlichen Türen der Pfarrhäuser. Seit das evangelische Pastorat durch die Reformation Martin Luthers entstand, ist es ein Ort der Begegnung, der Herzensbildung und des „Nettseins“ gegenüber allen, die Rat und Hilfe suchen. Zur beruflichen Professionalität des Pastoren-Ehepaares Burkhard und Corinna Senf gehört es, anderen gegenüber freundlich und nett zu sein.

Während ihr Mann in Eißendorf als Pastor arbeitet, ist die 44-jährige Corinna Senf im Hamburger Stadtteil Harvestehude als Referentin des Hauptpastors Martin Vetter tätig. „Nettigkeit und Freundlichkeit sind zu Recht die Grunderwartung der Menschen an unsere Berufsgruppe“, sagt die Mutter von drei Kindern.

Abendblatt-Aktion regt zu Debatte ein

Seit Anfang August debattiert die Stadt über die Abendblatt-Aktion „Seid nett zueinander“. Ob in Arztpraxen, Betrieben, Geschäften und öffentlichen Institutionen – vielerorts liegen die Aufkleber und Flyer jener Initiative aus, die mit modernen Mitteln ein Nachkriegsmotto des Abendblatt-Erfinders Axel C. Springer zu neuem Leben erweckt.

Corinna Senf hat mit ihrer Hausärztin über die Abendblatt-Aktion gesprochen – und warum es bei Ärzten und Pastoren gleichermaßen wichtig ist, dass sie Freundlichkeit und Nettsein ausstrahlen. Schnell waren sich die Medizinerin und die Theologin darin einig, dass es der Freundlichkeit bedarf, um Vertrauen bei den Menschen, Patienten wie Gläubigen, zu schaffen. Sowohl Ärzte als auch Seelsorger seien auf das Fundament des Vertrauens angewiesen.

Corinna Senf sitzt in ihrem Büro in der Nähe der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern vor dem Computer, auf dem Bildschirm ein Foto ihrer drei Kinder. Sie lächelt. Es ist kein antrainiertes Lächeln, sondern authentische Freundlichkeit und Offenheit, die von Herzen kommt. „Freundlichkeit und Nettsein sind der Arm der Liebe“, sagt sie, und diese prosaischen Worte könnten glatt aus einem Gedicht stammen. „Damit drücken wir unsere Wertschätzung aus. Der Engländer würde sagen: You are welcome.“

Kernkompetenzen des Christentums

Freundlichkeit und Nächstenliebe seien im Übrigen die Kernkompetenz des Christentums. Schließlich habe Jesus Christus das Doppelgebot der Liebe verkündet und gelebt: dass die Liebe zu Gott und zu den Nächsten gleichermaßen wichtig ist. So fasste er alle Gebote zusammen.

Lernt man das „Seid nett zueinander“ in der theologischen, kirchlichen Ausbildung? Corinna Senf, die in Tübingen und Hamburg Theologie studiert und als Pastorin in Fischbek gearbeitet hat, sagt, dass jeder Mensch guten Willens ein gewisses Maß an Freundlichkeit in sich trägt. Gerade in der Vikariatsausbildung werde darauf geachtet, wenn die Pastoren-Anwärter tagelang im Talar die Feier des Gottesdienstes üben. Bitte lächeln! Aber immer an den passenden Stellen!

Gerade die Gottesdienste brauchen eine besondere Willkommenskultur, sagt sie. „Wenn Kirchenmitglieder die sonntäglichen Feiern besuchen, gehört es dazu, jeden einzelnen Besucher mit Handschlag zu begrüßen und zu verabschieden.“ Mit gelebter Nächstenliebe sei die Kirche ein lebendiger Ort der Menschenfreundlichkeit Gottes.

Pastoren üben auch Kritik

Allerdings hat das Nettsein im Berufsalltag von Gottes Bodenpersonal auch manchmal Grenzen. Zum Beispiel dann, wenn Handwerker nicht auftragsgemäß gearbeitet haben und daher deutliche Kritik geübt werden muss. Oder wenn der Pastor einem Mitarbeitenden kündigen muss. Dann sollte, bei allem Respekt gegenüber dem Betroffenen, eine negative Entscheidung in die Tat umgesetzt werden. Ein fröhliches Lächeln wäre da fehl am Platze.

Das Logo der Aktion
Das Logo der Aktion "Seid nett zueinander" vom Abendblatt. © HA

Selbst einer so freundlich-zugewandten Pastorin wie Corinna Senf ist es schon mal passiert, dass sie gar nicht nett war. Zu diesem Eindruck kam offenbar jenes Hochzeitspaar, das ausgerechnet am 3. Oktober, dem Feiertag der Deutschen Einheit, von ihr getraut werden wollte. Nach mehreren Arbeitssonntagen hatte Corinna Senf diesen Tag fest als „frei“ für die Familie notiert. Und deshalb das Begehren des Paares ablehnt. Nettsein, sagt sie, gehöre zwar zum Berufsbild, aber die Selbstsorge sei manchmal auch wichtig.

Den ganzen August werden alle Ressorts des Abendblatts berichten, wo es hakt im Miteinander – aber auch positive Beispiele beschreiben. Und wir sind neugierig auf Ihre Einschätzungen. Schildern Sie uns Ihre Erfahrungen, liebe Leserinnen und Leser, und schicken Sie diese per Post an das Hamburger Abendblatt, Lokalredaktion, 20445 Hamburg. Oder senden Sie eine E-Mail an lokales@abendblatt.de. Beides gern mit dem Stichwort „Seid nett zueinander“ versehen.

Viele große Unternehmen beteiligen sich als Partner an der Aktion „Seid nett zueinander“. Bei Asklepios, Rewe, Commerzbank, Auto Wichert, nh Hotels, der Hamburg Messe, der Sparda-Bank, der Schanzenbäckerei und in der Abendblatt-Geschäftsstelle gibt es die Sticker.