Hamburg. Stadtplaner suchen auf Fachkongress nach Ideen für wichtige Magistralen. Es gibt auch öffentliche Veranstaltungen.

Ob Kieler Straße oder Grindelallee, Steindamm oder Amsinckstraße – viel Staat ist mit den Hamburger Ein- und Ausfallstraßen nicht zu machen. Zwar gibt es Abschnitte, die sind lebendig und urban, aber vielerorts überwiegt eine uneinheitliche Architektur aus Wohn- und Bürohäusern, zwischen denen sich Discounter, Nagelstudios und Imbisse ducken. Die Aufenthaltsqualität ist oft gering. Hier kommt man her, wenn man schnell etwas einkaufen oder in Bus und Bahn steigen will.

Das soll sich mit dem internationalen Bauforum ändern. Auf dem Fachkongress mit Workshopcharakter, der vom 19. bis 24. August in den Deichtorhallen stattfindet, beschäftigt sich führende Büros der internationalen Stadtplanungs- und Architekturszene mit der Weiterentwicklung von sieben Hamburger Magistralen. Wie werden sie langfristig zu attraktiven, städtischen Lebensadern? Gesucht werden innovative und unkonventionelle Ideen für den langfristigen Umgang mit den Hauptverkehrsstraßen, daher sind unter den 14 Teams (jeweils zwei für eine Magistrale) auch Querdenker, Sozialwissenschaftler und Kulturschaffende.

Rund 135.000 Hamburger wohnen in 100 Meter Umkreis der für das Bauforum ausgewählten Magistralen. „Hier kann und muss sich Stadt weiterentwickeln“, sagt Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und räumt ein: „In den vergangenen Jahrzehnten haben wir Planer uns zu wenig mit diesen Räumen in ihrer Gesamtheit befasst. Es fehlt ein Drehbuch, mit dem man sie in die Stadt zurückholen kann.“

Potenziale an den Magistralen entdecken

Erste Ideen dafür sollen nun auf dem Bauforum erarbeitet werden. Konkret betrifft es die Straßenverläufe Stresemannstraße und Wedeler Landstraße, Kieler Straße und Pinneberger Chaussee, Grindelallee und Langenhorner Chaussee, Steindamm und Meiendorfer Straße, Amsinckstraße und Holtenklinker Straße, Buxtehude Straße und Cuxhavener Straße sowie den Ring 2. Dass im Fokus nicht nur die Straßenränder stehen sollen, sondern auch die Gebiete dahinter, hatte Höing einmal am Beispiel Eiffestraße erläutert: Hier finde man – in zweiter oder dritter Reihe hinter Waschstraßen, Fastfood-Filialen und Gewerbebetrieben – Kanäle mit noch unerschlossenen Ufern, Schrebergärten und Architekturperlen aus der Vorkriegszeit. Hotelneubauten zur Innenstadt hin zeigen, dass man der Eiffestraße an dieser Stelle sogar Aufenthaltsqualität zutraut.

Die eingeladenen Teams sollen ähnliche Potenziale entlang der sieben Magistralen entdecken und zukunftsweisende Lösungen für ihren gesamten Korridor entwickeln. Ihre konkrete Aufgabenstellung lautet: Wie können die Magistralen zu lebenswerten öffentlichen Räumen, Wohn- und Arbeitsorten für alle werden, ohne ihre Verbindungs- und Verteilungsfunktion einzuschränken? Welche Aufgaben können sie in einer wachsenden Stadt übernehmen? Und wie lässt sich ihre unmittelbare Umgebung strategisch, klimagerecht und auf höchstem Qualitätsniveau entwickeln?

Auf ausdrücklichen Wunsch des Oberbaudirektors werden sich auch Büros mit den Planungen beschäftigen, die zu den „jungen Wilden“ gehören: etwa COBE, eines der angesagtesten und einflussreichsten Architekturbüros Dänemarks, oder BUDCUD aus Polen. Auch KCAP aus den Niederlanden ist dabei, sie gelten als international wichtige Städtebauer. Nationale Expertise kommt unter anderem von BeL Sozietät für Architektur aus Köln, die in Hamburg bereits den Wettbewerb für die Esso Häuser gewannen, und von Urban Catalyst aus Berlin. Zu den lokalen und aufstrebenden Büros zählen die Architekturbüros eins:eins, LA’KET, COIDO oder etwa Kawahara Krause. Aber auch viele bekannte Hamburger Büros nehmen teil: André Poitiers, Hadi Teherani, Spengler Wiescholek oder das Büro Blauraum.

Bauforen auch für HafenCity und „Perlenkette“

Das Bauforum wurde 1984 vom damaligen Oberbaudirektor Egbert Kossak ins Leben gerufen und findet bereits zum siebten Mal statt. Eine Veranstaltung diesen Formats ging bislang den meisten städtebaulichen Großprojekt voraus: der “Perlenkette” am Elbufer, der HafenCity oder dem „Sprung über die Elbe“.

Die Magistralen, die jetzt betrachtet werden,, haben sich aus den alten, strahlenförmig stadtein und -auswärts führenden Handelswegen entwickelt, die im Zuge einer autogerechten Stadt in den 60er-Jahren für den Verkehr ausgebaut wurden. Beim Bauforum soll es jedoch nicht darum gehen, diese Hauptverkehrsachsen zurückzubauen. „Es geht auch darum, über ihre Rolle neu nachzudenken. In einer längeren zeitlichen Perspektive gedacht, kann diese Frage künftig mit diskutiert werden“, so Höing.

Die Magistralen sollten wieder zu Orten werden, an denen das Leben pulsiert und die Aufenthaltsqualität hoch ist. Ein Miteinander von Verkehr und Wohnen müsse sich dabei überhaupt nicht ausschließen. Dank der heutigen technischen Möglichkeiten könne mittlerweile auch dort Wohnraum geschaffen werden, wo es früher ausgeschlossen war.

Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt nennt die Entwicklungsmöglichkeiten entlang der sieben Magistralen ein “Jahrhundertprojekt”. Dessen Gestaltung könne nur „mit der gemeinsamen Expertise von Stadt- und Landschaftsplanern, Architekten und interessierter Öffentlichkeit gelingen”. Daher gibt es zwischen der Auftaktveranstaltung (Di., 20.8., 19 Uhr) mit Bürgermeister Peter Tschentscher sowie den renommierten Stadtplanern Jeff Speck (USA) und Paola Viganò (Frankreich) und der Abschlusspräsentation (Sa., 24. 8., ab 10 Uhr) eine Reihe kostenloser, öffentlicher Veranstaltungen.

Das Programm des Bauforums

An drei Nachmittagen werden in den Deichtorhallen sogenannte Afternoon-Talks veranstaltet. Am Mittwoch geht es um die Wahrnehmung der Magistralen in der Öffentlichkeit (Presse-Talk, 15 Uhr) und um die Bedeutung von Städtebau, Verkehr und Freiraum auf die Entwicklung der Magistralen (Politik-Talk mit Behördenvertretern, 17 Uhr). Am Donnerstag berichten beteiligte Planer im Team-Talk über die Bedeutung von magistralen im Ausland (15 Uhr), danach gibt es eine Runde mit Planungschefs aus München und Hannover sowie Oberbaudirektor Höing (17 Uhr). Am Freitag, 23. August, stellen Professoren, Studierende und Doktoranden im Universitäten-Talk (15 bis 18 Uhr) verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten für Magistralen vor.

Außerhalb der Deichtorhallen können sich Interessierte auf unterschiedliche Magistralen-Safaris begeben (Anmeldung unter info@urbanattitude.de erforderlich). Die Erkundung der Magistrale 2 (Kieler Straße/ Pinneberger Chaussee) etwa wird zu einem nächtlichen Performance-Spaziergang (So., 18.8., und Mi., 21.8., Treffpunkt jeweils Kieler Straße 101, Rewe-Parkplatz, 20.30 Uhr). Die Magistrale 5 (Amsinckstraße/ Holtenklinker Straße) wird mit dem Bus abgefahren (So., 18.8. und Do., 22. 8., Start jeweils 14 Uhr, U1 Messberg, Ausgang zum Deichtorcenter).

Bei einer Podiumsdiskussion schildern Experten wie Kees Christiaanse, Philine Gaffron und Henrik Falk ihre Beobachtungen zum Thema Stadt, Raum und Mobilität (Do., 19 Uhr). An zwei Abenden werden Filme zum Thema vorgeführt (Do., 21 Uhr; Fr., 20 Uhr) Am Freitag gibt außerdem die Hamburger Band Palais Schaumburg vor den Deichtorhallen ein Konzert (21.30 Uhr)

Detaillierte Informationen und das gesamte Programm finden Sie im Bauforum-Magazin, das ab dem 5. August in Bezirksämtern, Bücherhallen, Museen, Hochschulen und anderen Kultur- und Bildungseinrichtungen ausliegt. Online ist es dann unter www.hamburg.de/bauforum abrufbar.