Hamburg . Aus Wut erstach Marc H. seine Ehefrau. Das Gericht verurteilte ihn wegen heimtückischen Mordes. Nach der Tat aß er einen Burger.

Als die Vorsitzende Richterin das Urteil verkündet, bricht Jubel im Saal aus. Marc H., der blässliche Angeklagte, bleibt ausdruckslos, anders kennt man es auch nicht von ihm. Wie üblich duldet Richterin Jessica Koerner keine lautstarken Gefühlsäußerungen in ihrem Saal. „Ihr Verhalten ist völlig unangemessen, wir sind hier nicht im Theater“, ruft sie. Danach herrscht Ruhe.

Am Donnerstag hat das Landgericht den 50-Jährigen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt – nicht wegen Totschlags, wie ursprünglich angeklagt, sondern wegen eines heimtückischen Mordes. An allen Tagen hatten neben den Hinterbliebenen und Angehörigen auch Frauenrechtlerinnen den Prozess gegen Marc H. begleitet. Er hat seine aus Ghana stammende Ehefrau Juliete H. – Mutter von vier Kindern, davon zwei von ihm – im Dezember des vergangenen Jahres auf denkbar brutale Weise getötet, indem er mit einem Klappmesser rund 50-mal auf sie einstach. Die meisten Stiche versetzte er der 41-Jährigen ins Gesicht und in den Oberkörper.

„Außergewöhnlicher Vernichtungswille“

Richterin Koerner findet in ihrer Urteilsbegründung deutliche Worte für die grausame Tat, der ein „außergewöhnlicher Vernichtungswille“ des Angeklagten innewohnte. Tragisch ist sie auch deshalb, weil Juliete H. vier Kinder hinterlässt, das jüngste ist gerade acht Jahre alt, zwei sind zu Vollwaisen geworden. „Man fragt sich, wie die Kinder das jemals verarbeiten sollen, wie es überhaupt zu einem so schrecklichen Geschehen kommen konnte“, sagt Koerner.

Die Mordtat markiert den grausigen Höhepunkt einer Wut-Kaskade, die sich bei Marc H. über Jahre aufgebaut hat. Bereits seit dem Sommer 2017 lebten er und Juliete H. in Trennung. Dabei hatten sie – gut zehn Jahre nach ihrem Kennenlernen – erst im November 2016 geheiratet. Unverständlicherweise, so Koerner. Denn bereits da knirschte es gewaltig zwischen ihnen.

Affäre begonnen

Zum einen hatte Juliete H. eine Affäre mit einem Mann begonnen, der im familiären Umfeld als „Onkel Steve“ bekannt war. Mit hinein spielte in die Entfremdung der Eheleute aber auch der Umstand, dass sie ihm jahrelang die Existenz ihrer zwei älteren, bei Verwandten in Ghana lebenden Kinder verschwiegen hatte. Und dass sie, wohl ohne sein Wissen, Geld nach Afrika schickte, was den Haushalt finanziell belastete und den Zorn ihres Mannes schürte.

Marc H.s Wut manifestierte sich zunehmend in Tötungsfantasien gegenüber seiner Ehefrau; Gewalttaten kamen hinzu. Verstand sein Sohn die Hausaufgaben nicht, setzte es Prügel. Einmal wollte er seine Stieftochter bei einem Streit um ein Handykabel würgen. Nachdem er dann im September 2017 Juliete H. mit einem Elektroschocker bedroht hatte, flüchtete sie mit den Kindern ins Frauenhaus, während sich Marc H. eine neue Bleibe und psychiatrische Hilfe suchte. Die Wut aber gärte weiter in ihm. Nachdem er gut zwei Wochen vor dem Mord die Affäre zwischen seiner Ehefrau und „Onkel Steve“ aufgedeckt hatte, kehrten die Fantasien zurück, und fast zwanghaft kreisten die Gedanken um die Tötung seiner Frau. Juliete H. ahnte nichts davon – sie hatte den gerichtlich eingeschränkten Zugang zu den beiden gemeinsamen Jungs sogar gelockert, weil sie darauf vertraute, dass Marc H. durch die Therapien „geheilt“ worden war.

Frau ist völlig arglos

Doch Anfang Dezember kann Marc H. den destruktiven Scherkräften nicht mehr standhalten. „Am Morgen des 5. Dezember 2018 beschloss er, die Geschädigte zu töten“, sagt Koerner. Er hat einen Rucksack mit Wechselkleidung bei sich. Und ein Klappmesser mit zehn Zentimeter Klinge. Als die Kinder zur Schule gehen, betritt er die Wohnung seiner Noch-Ehefrau im 15. Obergeschoss eines Wohnhauses an der Eckernförder Straße in Altona-Nord. Juliete H. lässt ihn ein, sie ist völlig arglos – angeblich will er ja nur sein IPad abholen. Eine Warnung ihres ältesten Sohnes, der den sich im Treppenhaus verbergenden Marc H. noch gesehen hat, schlägt sie in den Wind. Juliete H. geht ins Schlafzimmer, um sich fertig zu machen. Möglicherweise, so das Gericht, habe Marc H. seinen Tatplan zunächst aufgegeben, dann aber wieder aufgenommen, als er ihr voller Ungeduld nach 20 Minuten ins Schlafzimmer gefolgt sei.

Nach der Tat isst er einen Burger

Und möglicherweise habe Juliete H. da geäußert, er sei „gar kein richtiger Mann“. Als sie ihn dann an der Schulter streift, greift Marc H. sie an, nutzt dabei ihre Arg- und Wehrlosigkeit aus. Erst versetzt er ihr einen Kinnhaken. Dann sticht er auf sie ein, 40- bis 60-mal. Marc H. wäscht sich, wirft die Tatwaffe weg, isst einen Burger und schaut sich im Kino einen Film an. Die zwei jüngsten Söhne finden ihre Mutter erst am späten Nachmittag – tot in einer Blutlache. Wenig später nimmt die Polizei Marc H. in dessen Wohnung fest.

Zum Tatzeitpunkt, so Koerner, sei Marc H. voll schuldfähig gewesen; weder habe er im Affekt gehandelt, noch sei seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen – dies sei durch das überzeugende Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen belegt. Den Aussagen von Marc H. schenkte das Gericht indes keinen Glauben. So habe er beispielsweise angegeben, er habe das Klappmesser stets mitgeführt, weil er einst am Hauptbahnhof „verfolgt“ worden sei. Dabei handele es sich jedoch um eine „abstruse Erklärung“, so Koerner. Tatsächlich habe der Angeklagte an jenem Wintermorgen eine „gedanklich lange geplante Tat umgesetzt“.