Hamburg. Der gebürtige Schweizer Straubhaar wirbt für seine Wahlheimat und will bis zu “seinem Lebensende in Hamburg bleiben“.
Es fällt schwer, auf eine geballte Ladung emotionaler Provokation nicht mit gleichem Geschütz zurückzuschlagen. Aber vielleicht sind gerade Gelassenheit und Selbstbewusstsein die souveräne hanseatische Gegenreaktion, um auf aggressive Rundumschläge angemessen zu reagieren. So etwa nach dem Motto: Was kümmert es den Baum, wenn die renommierte „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ ein Pamphlet gegen die Hansestadt druckt.
Überall in mitteleuropäischen Städten läuft vieles gut und manches schlechter, aber Verallgemeinerungen und Allgemeinplätze helfen nie wirklich weiter. Sie verfestigen Vorurteile, schüren Abwehrreflexe und führen zu völlig absurden Gegenschlägen, weil man dann zu oft der Versuchung nicht widerstehen kann, entweder den Provokateur oder dessen Herkunftsstadt schlechtzureden. Was aber nur bedeutet, Unsachlichkeit mit unsachlichen Gegenargumenten erwidern zu wollen.
Baustellen sprechen für Bereitschaft der Stadt
Klüger ist es da doch, schlicht festzustellen, dass vielleicht die Hamburger ihre Stadt zu rosig sehen und Auswärtige vieles deutlich kritischer betrachten. Eine Fehleinschätzung, die übrigens alles andere als typisch hamburgisch ist. Vielmehr zeigt sich genau diese Überschätzung guter und die Unterschätzung schlechter heimischer Standorteigenschaften bei nahezu allen Befragungen in Berlin, München, Köln oder andernorts in ähnlicher Weise. Auch dort sind die Menschen der Meinung, in der lebenswertesten Stadt Deutschlands zu wohnen. Was wiederum eines verdeutlicht: Die meisten Deutschen sind mit der Lebensqualität ihres aktuellen Wohnorts weit zufriedener, als es gewisse Umfragen zum allgemeinen Wohlbefinden widerspiegeln. Sie lieben Berlin, Hamburg, München oder Köln, sind aber gegenüber dem, was sich in Deutschland insgesamt abspielt, viel kritischer.
Sicher, in Hamburg gilt es, vieles besser zu machen, aber das ist in Zürich oder Bern auch nicht anders. Entscheidend ist doch die Bereitschaft, anstehende Probleme der Stadtentwicklung anzupacken und sie baldmöglichst zweckmäßig zu lösen. Da könnte in Hamburg auf dem Weg zu einer Smart City noch vieles rascher und intensiver angepackt werden. Aber immerhin sprechen die unzähligen Baustellen in und um Hamburg herum dafür, dass vieles angepackt wurde. Und weitere kreative Ideen warten in der behördlichen Pipeline auf ihre Umsetzung, dazu gehören auch digitale Technologien, um das Leben in der Stadt attraktiver, die Mobilität intelligenter und das Miteinander einfacher zu machen.
Typische Hamburger wird es weniger geben
Schließlich kann das Pamphlet gegen Hamburg auch als Aufruf zu mehr Toleranz verstanden werden. Was dem einen gefällt oder missfällt, können viele andere ganz anders bewertet haben. Im Zeitalter zunehmender Diversität und erhöhter Land-Stadt-Mobilität wird es den typischen Hamburger, Zürcher oder Berner sowieso immer weniger geben. Ob das eine oder das andere als „lebens-, erstrebens-, oder erhaltenswert“ eingestuft wird, wird sich immer weniger einfach verallgemeinern lassen. Wer hier postuliert zu wissen, was für Städte richtig und falsch, gut oder schlecht, schön oder hässlich sei, wirkt schnell einmal anmaßend oder überheblich.
Da ist und bleibt es hanseatischer, die Meinung und das Urteil anderer zu achten, aber vor allem dafür zu sorgen, dass ein harmonisches Gleichgewicht von Vielfalt und Individualität nicht durch Provokation und Aggression ausgehebelt und beschädigt wird – nicht in Hamburg, aber auch nicht in Zürich, Bern oder anderswo.