Hamburg. Von rund 420 Kreuzungen liefern die Geräte künftig anonyme Echtzeitdaten des Verkehrs. Auch Radverkehr wird gezählt.

Die Hansestadt wird künftig flächendeckend den Verkehr durch Wärmebildkameras überwachen, um rund um die Uhr ein Bild der aktuellen Verkehrslage zu bekommen und darauf reagieren zu können. Das System geht am heutigen Donnerstag an 115 Kreuzungen an den Start. Bis 2021 sollen an insgesamt 420 Kreuzungen rund 2000 Kameras installiert sein.

Die Kameras erfassen von Ampelmasten aus die Verkehrsteilnehmer in den Kategorien Pkw, Lkw/Busse und Zweiräder. So kann auch die Entwicklung des Radverkehrs gemessen werden. Dabei würden allerdings weder Kennzeichen noch Gesichter gescannt, so dass der Datenschutz voll gewährleistet sei. Das betonte Wirtschafts- und Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos) am Donnerstag bei der Vorstellung der neuen Technik.

Die Daten sollten dabei „die aktuelle Verkehrslenkung und langfristige Verkehrsplanung verbessern“, so der Senator. Sie würden auf der städtischen „Urban Data Platform Hamburg“ des Landesbetriebs Geoinformation und Vermessung (LGV) bereitgestellt, „sodass Bürgerinnen und Bürger, städtische Behörden und Betriebe sowie private Unternehmen für vielseitige Anwendungen Zugriff auf die Daten erhalten“.

Die Hamburg Verkehrsanlagen GmbH (HHVA) werde dazu im Auftrag des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) bis Ende 2020 mehr als 2000 Wärmebildkameras an Ampeln und Laternen installieren: An 420 Kreuzungen werde der motorisierte Verkehr gezählt, an rund 40 Orten der Radverkehr.

Pkw, Lkw und Fahrräder werden erfasst

Die Kameras ermöglichen dabei „eine fahrbahn- und nebenflächenscharfe klassifizierte Verkehrsmengenerfassung in den Kategorien Pkw, Lkw und Fahrräder, was beispielsweise die vorhandenen Lage-Informationen in der Verkehrsleitzentrale der Polizei ergänzt“. Die beiden Projekte werden im Rahmen des 2021 in Hamburg stattfindenden Weltkongresses für intelligente Transportsysteme (ITS) vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur aus dem Sofortprogramm „Saubere Luft“ mit insgesamt bis zu 12,4 Millionen Euro gefördert. Sie sind laut Senat zwei von derzeit rund 60 Projekten, die die Stadt in der Vorbereitung des ITS-Weltkongresses für intelligente Transportsysteme vorantreibe.

Laut Westhagemann kostet die Installation der Wärmebildkameras an Straßen 22 Millionen Euro. Mit weiteren 690.000 Euro schlage die Installation von 40 Kameras an Radwegen zu Buche. Der Bund unterstütze beide Projekte aus dem Programm „Saubere Luft“ mit insgesamt bis zu 12,4 Millionen Euro.

Abschied von der Handzählung

„Langfristig wollen wir uns von den aufwändigen Handzählungen des Verkehrs verabschieden“, sagte Westhagemann. „Für aktuelle Verkehrsflussverbesserungen und langfristige Verkehrsplanungen wollen wir modernste Technik einsetzen. Wenn wir ein flächendeckendes Netz von Datenzählstellen ganzjährig in Echtzeit zur Verfügung haben, können wir als Stadt viel präziser als bislang planen und auf aktuelle Verkehrssituationen schneller reagieren. Zudem können Unternehmen die Verkehrsdaten nutzen, um weitere innovative Services zu entwickeln.“

Weltweit einmalig

Weltweit erstmalig werde in Hamburg „flächendeckend ein qualitativ und quantitativ hochwertiges digitales Abbild des Verkehrs, rund um die Uhr vollautomatisiert zur Verfügung gestellt“, sagte Volker Rech, Technischer Geschäftsführer der Hamburg Verkehrsanlagen GmbH.

Auch der Radverkehr wird im Projekt „Hamburger Radverkehrszählnetz“ laut Senat künftig „permanent mit Wärmebildkameras an Straßenlaternen von 40 Orten in der Stadt den Radverkehr entlang der Velorouten und anderen wichtigen Knotenpunkten der Stadt erfasst“. So soll ein „ein solides Gesamtlagebild über das Jahr“ entstehen, „das auch Schwankungen des Radverkehrs verlässlich aufnimmt“. Der Aufbau des Radverkehrszählnetzes solle mit dem Anbringen der ersten Kameras im Herbst dieses Jahres starten, so der Senat.

Hilfe für Verkehrsplaner

Das System „Automatisierte Verkehrsmengenerfassung“ geht bereits am heutigen 4. Juli in Betrieb. Ziel sei dabei auch „eine Nutzung beispielsweise durch Verkehrsplaner für Verkehrsprognosen und Simulationen von Verkehrsentwicklungen, die Baustellenkoordinierung, die Verkehrsleitzentrale der Polizei, Verkehrsportale, Navigationshersteller und App-Entwickler“.

Für eine Nutzung der Daten bei Lenkung und langfristiger Planung des Verkehrs fehlt Hamburg allerdings noch immer ein sogenanntes Verkehrsmodell – also eine softwarebasierte Simulation aller Verkehrsströme, an der etwa berechnet werden kann, wie sich eine Änderung an einer großen Kreuzung auf den Verkehr in allen anderen Teilen der Stadt auswirkt. Hamburg hat, anders als die meisten anderen Metropolen, noch kein solches Modell. Es soll aber laut Verkehrsbehörde in diesem Jahr eingeführt werden – mit einiger Verspätung.

Von dem nun geplanten Netz von Wärmebildkameras würden die Hamburger „erheblich profitieren“, sagte Christian Pfromm, Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Hamburg. „Verkehr lässt sich mit einer ausreichenden, aktuellen Datengrundlage zielgenauer steuern, die Straßenführung besser planen, und Baustellen lassen sich besser koordinieren. Das ist gut für die Umwelt und die Anwohner. Mit der Wärmebildtechnologie können wir auch unserem Anspruch nach bestmöglichem Schutz personenbezogener Daten gerecht werden. Für uns steht bei der Digitalisierung der Mensch im Mittelpunkt.“

Die Projekte seien eine „Chance, Dinge erstmalig auszuprobieren“, sagte Senator Westhagemann, betonte dabei aber auch, dass das Ganze „ohne Bundesmittel nicht machbar“ gewesen wäre. Auch die Polizei hat künftig Zugriff auf die über das System erfassten Daten.