Hamburg . Radfahrer verursachen mehr Unfälle und begehen mehr Verkehrsverstöße. Das belegen Zahlen der Polizei und lösen Debatte aus.

Müssen bald auch Fahrräder mit Nummernschildern gekennzeichnet werden und Radfahrer eine Haftpflichtversicherung vorweisen? Diesen Vorschlag hat jetzt die Hamburger CDU gemacht. Hintergrund sind neue Zahlen zu den von Radfahrern in Hamburg verursachten Unfällen, festgestellten Verstößen gegen Verkehrsregeln und der Fahrerflucht von Radlern nach Unfällen. Laut Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Dennis Thering stieg die Zahl der von Radfahrern verursachten Unfälle von 1799 im Jahr 2017 auf 1852 im vergangenen Jahr. Entsprechend nahm die Zahl der Menschen zu, die dabei verletzt wurden: von 1398 auf 1432 an.

Diese moderaten Anstiege lassen sich vermutlich damit begründen, dass die Stadt wächst, immer mehr Hamburger mit dem Rad fahren und der Sommer 2018 sehr warm und trocken gewesen ist. Weitaus stärker gewachsen sind dagegen die Zahlen der von der Polizei mit Anzeigen geahndeten Verstöße von Radfahrern gegen Verkehrsregeln. So stieg die Zahl der Anzeigen wegen falschen Befahrens von Wegen und Straßen (also auch gegen die Fahrtrichtung) von 870 im Jahr 2017 auf 1482 im vergangenen Jahr – eine Zunahme um rund 70 Prozent.

Polizei registriert deutlich mehr Rotlicht-Sünder

Auch die Zahl der Anzeigen wegen des Überfahrens roter Ampeln wuchs deutlich: von 1472 auf 2362. Mehr als eine Verdopplung gab es bei den angezeigten Fällen von verbotener Nutzung von Handys oder Kopfhörern auf dem Fahrrad. Registrierte die Polizei in diesem Bereich 2017 noch 344 Anzeigen, waren es 2018 bereits 818. Angestiegen, allerdings moderat, ist auch die Zahl der Radfahrer, die sich nach von ihnen verursachten Unfällen widerrechtlich vom Unfallort entfernten. Registrierte die Polizei 2017 noch 248 Fälle von (Rad-)Fahrerflucht, so waren es im vergangenen Jahr 264.

Als häufigste Ursache für von Radfahrern verursachten Unfälle nennt der Senat in seiner Antwort die falsche Benutzung von Straßen und Wegen (also etwa das „Geisterradeln“ auf der falschen Seite), durch das im vergangenen Jahr 495 registrierte Unfälle verursacht wurden. Es folgen Rotlichtverstöße (123 Unfälle), das unachtsame Einfahren in Grundstückseinfahrten oder auf Wege und Straßen (104), die Verletzung der Vorfahrt (66), das Überholen (58) und „Fehlverhalten gegen Fußgänger“ (54).

2018 kontrollierte die Fahrradstaffel der Polizei 223 Radfahrer

Eine Ursache des in einigen Bereichen sehr deutlichen Anstiegs bei den Verkehrsverstößen von Radfahrern könnte neben dem guten Wetter 2018 theoretisch auch die Zunahme der Kon­trollen sein. Denn je mehr kontrolliert wird, desto mehr Verstöße werden natürlich registriert. Allerdings hat es in der Praxis ausweislich der Senatsangaben im vergangenen Jahr gar nicht mehr Kontrollen von Radfahrern gegeben, sondern in der Summe sogar minimal weniger. Zwar stieg die Zahl der Kontrollen durch die Fahrradstaffel der Polizei an: von 208 im Jahr 2017 auf 223 im vergangenen Jahr. Dafür kontrollierten die Kommissariate 2018 seltener, nämlich nur 378-mal statt 395-mal im Jahr 2017.

Obwohl die Stadt und der Radverkehr wachsen, gibt es damit zuletzt kontinuierlich weniger statt mehr Kontrollen. Gab es 2015 noch 667 Kontrollaktionen durch die Polizeikommissariate, so waren es 2016 nur noch 572, im Jahr nur noch 395 und zuletzt 2018 dann 378.

Kontrolldruck auf Radfahrer soll erhöht werden

CDU-Verkehrspolitiker Thering fordert denn auch, den „Kontrolldruck“ auf Fahrradrüpel zu erhöhen. Zugleich bringt Thering erneut eine Kennzeichnungs- und Versicherungspflicht für Radfahrer ins Gespräch. Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von Verstößen und einem „Rekordwert“ bei Fahrerfluchten müsse „auf Bundesebene darüber diskutiert werden, ob und in welchem Rahmen die Einführung einer Kennzeichnungspflicht von Fahrradfahrern und eine damit verbundene Versicherung Sinn machen könnte“, so Thering. Diese könnten „analog zu den Regelungen bei E-Scootern“, also Elektro-Tretrollern, gestaltet werden „und erst bei Kindern ab 14 Jahren gelten.“

Trotz rückläufiger Polizeikontrollen sei die Zahl der Anzeigen im Jahr 2018 um mehr als 93 Prozent gestiegen, sagte der CDU-Verkehrspolitiker. „Die Stadt darf bei Fahrradverstößen nicht länger wegsehen und muss die Kontrollen gegen ,Ramboradler‘ und Rotlichtsünder deutlich ausweiten.“

Senat lehnt Kennzeichnung als „Bürokratiemonster“ ab

Aus der Innenbehörde hieß es, dass die Kontrollzahlen bereits in den ersten Monaten des Jahres 2019 deutlich angestiegen seien. So hatte es laut Senatsantwort auf die CDU-Anfrage bis 30. April dieses Jahres bereits 206 Kontrollaktionen durch Polizeikommissariate gegeben. Rechnet man diese Zahl aufs Jahr hoch, so käme man auf mehr als 600 Kontrollen im Gesamtjahr. Zugleich verwies die Innenbehörde darauf, dass von den 100 angekündigten neuen „Angestellten im Polizeidienst“ derzeit 20 am Ende ihrer Ausbildung seien und ab Juli eingesetzt würden – auch zur Kontrolle des Radverkehrs. Die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Fahrräder lehnt man in der Innenbehörde als „Bürokratiemonster“ ab. Der Aufwand einer solchen Pflicht wäre für Behörden, aber auch für Radfahrer, zu hoch, hieß es.