Hamburg . Im nach dem Altkanzler benannten Forum am Kattrepel werden ab 2020 Erinnerungsstücke wie die bekannte Lotsenmütze gezeigt.
Am Zustand lässt sich erahnen, wie viele Tausend Kilometer durch die Weltpolitik diese abgetragene schwarze Aktentasche im Dienste ihres Herrn zurückgelegt hat – und vor allem, welche Staatsgeheimnisse sie in sich trug. Nicht weniger speckig und benutzt sind die ledergepolsterten Klappsessel und das karge Holzpult aus dem Bundestag in der früheren Hauptstadt Bonn. Viele Jahre war es Helmut Schmidts Stammplatz in der Keimzelle unserer Demokratie. Angeschraubt ist ein Schild mit seinem Namen. Auf der Rückenlehne hinterließ der Altkanzler seine Unterschrift – mit goldfarbenem Stift.
Diese beiden historischen Erinnerungsstücke aus der Schatzkammer deutscher Demokratie sind zwei markante Schaustücke der künftigen Dauerausstellung über das Wirken und Leben Helmut Schmidts. Am 10. November 2020, dem fünften Todestag des Ehrenbürgers, soll es im nach ihm benannten Forum in der Hamburger Innenstadt losgehen – mindestens ein Jahrzehnt lang, bei freiem Eintritt. Aus erster Hand wurden Geschäftsleute aus der Nachbarschaft des Pressehauses am Kattrepel und Anwohner am gestrigen Donnerstagabend informiert. Ein preußischer Hanseat wie Schmidt hätte über den Titel des Beisammenseins geschmunzelt: „After Work Preview“, eine exklusive Präsentation der Pläne, wenn Fofftein ist.
Ein Langenhorner wird Geschäftsführer
Details beschloss das Kuratorium der Schmidt-Stiftung am Dienstag – auch in Anwesenheit von Susanne Schmidt, der Tochter von Hannelore und Helmut Schmidt. Parallel wurde der promovierte Historiker Meik Woyke als neuer hauptamtlicher Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Institution vorgestellt. Der 47-Jährige ist in Langenhorn geboren und gab zwei Bücher in Sachen Schmidt heraus. Eines umfasst 1100 Seiten und dokumentiert Briefwechsel zwischen Helmut Schmidt und seinem Parteifreund, Partner und Rivalen Willy Brandt. Die Stiftung beschäftigt ein Dutzend fester und mehrere freie Mitarbeiter. Sie wird mit jährlich 2,5 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt finanziert.
„Mit Meik Woyke haben wir einen erfahrenen Steuermann an Bord geholt“, sagt der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als Kuratoriumsvorsitzender der Politikergedenkstiftung. „Er bringt eine große Berufserfahrung im Stiftungswesen mit und ist ein exzellenter Kenner des politischen Vermächtnisses von Helmut Schmidt.“ Zuvor arbeitete Woyke zwölf Jahre für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn.
750.000 Euro kostet die Umsetzung
Die ersten Meilensteine seines Wirkens im Stiftungsbüro nahe dem Speersort sind abgesteckt: Die aktuell laufende und bisher von mehr als 10.000 Gästen besuchte Fotoausstellung „100 Jahre in 100 Bildern“ wird wegen des konstanten Andrangs bis 31. Oktober dieses Jahres verlängert – und während des Sommers mit mehreren Spezialangeboten gewürzt. Es gibt drei Anfragen als Wanderausstellung. Anschließend beginnen Umbau und Einrichtung der Dauerausstellung.
Den Zuschlag für die inhaltliche Gestaltung und handfeste Umsetzung, zusammen mit 750.000 Euro kalkuliert, erhielt die Berliner Agentur Duncan McCauley, die sich vor dem Kuratorium gegen vier weitere Bewerber durchsetzte. „Es ist ein glänzendes Konzept“, lobt Steinbrück. „Auch wegen der aktuellen Themen in Deutschland, Europa und der Welt ist Helmut Schmidt aktueller denn je“, sagte Meik Woyke im Stiftungsbüro, „dennoch wollen wir ihn keinesfalls als Überhelden darstellen, in Gips oder gar in Beton gießen.“
Haarnetze für Bundeswehrsoldaten
Angedacht sind Multimedia-Stationen, die auf gut 250 Quadratmetern Ausstellungsfläche über verschiedene Schwerpunkte informieren – und passende Erinnerungsstücke zeigen. So verweist ein altes Haarnetz für langhaarige männliche Bundeswehrsoldaten auf Schmidts Ära als Verteidigungsminister. Eine Geschichtsinsel mit dem lockeren Arbeitstitel „Das Arbeitstier“ zeigt diverse Aktentaschen aus dem Fundus des Staatsmannes. Sehr viel blieb erhalten aus den vergangenen Jahrzehnten inklusive Kanzlerzeit, nur keine von Schmidts legendären Helgoländer Lotsenmützen. Ein neuwertiges Exemplar musste angeschafft werden. Neben politischen Akzenten wird sich die Dauerausstellung auch Bereichen wie Familie und Gesundheit widmen.
„Altkanzler Rauchbier“ und Labskaus
„Vor den Umbaumaßnahmen wollen wir die Sommerpause nutzen, weitere Aufmerksamkeit auf die Stiftung zu lenken“, kündigt Peer Steinbrück an. Erreicht werden soll dies durch ein Zusatzprogramm für Touristen, Familien und Hamburger, die in den Ferien zu Hause bleiben. Unter dem Motto „Schmidtagspause“ steht eine 15-minütige Einführung in die Fotoausstellung und ein Gutschein mit Vergünstigungen für das Traditionsrestaurant „Laufauf“ vis-à-vis der Ausstellung. Dort werden ein in Hamburg gebrautes „Altkanzler Rauchbier“ mit dem Konterfei Schmidts sowie die Leibspeisen des Altkanzlers serviert: Labskaus, Frikadellen mit Kartoffelsalat oder Schnitzel zum Beispiel. Als Herausgeber der „Zeit“ pflegte der Ehrenbürger in der Gastwirtschaft gerne einzukehren.
„Wissen tanken“ heißt die Aktion an jedem zweiten Donnerstag. Dann ist die Ausstellungsfläche bis 20 Uhr geöffnet. Stiftungsmitarbeiter erläutern anhand von Fundstücken aus dem Privathaus der Schmidts in Langenhorn ihren Einsatz als Historiker. Und zweimal monatlich, sonntags um 12 Uhr, steht eine „Spielerische Zeitreise“ für Familien auf dem Programm. Dieses wird abgerundet durch Bildsuchpuzzle, Fragebögen für junge Leute sowie ein zeitgeschichtliches Memoryspiel.
Der Klappsessel und das Pult aus dem Bonner Bundestag sind erst ab November kommenden Jahres zu bestaunen. Die altehrwürdigen Stücke wurden einst von Helmut Schmidts ehemaliger Sekretärin Marianne Duden gesichert und der Parlamentsbuchhandlung übergeben. Und der abgenutzte Aktenkoffer stammt aus dem Archiv des Staatsmanns in Berlin. Als sparsamer Mensch schmiss er nur wenig weg. Das Teil war ja noch gut genug, seine Aufgabe zu erfüllen.