Hamburg. Metalldetektorbogen und mobile Einsatzgruppe: Amtsgerichte reagieren mit Millioneninvestition auf zunehmende Gewaltbereitschaft.

„Aufgrund der festzustellenden zunehmenden Gewaltbereitschaft auch in Einrichtungen der Justiz besteht Handlungsbedarf für die Einrichtung von zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen bzw. eine Optimierung vorhandener Sicherheitsmaßnahmen.“ So steht es ebenso nüchtern wie klar in einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 11. April 2017.

Die Zahlen sind eindeutig: Im vergangenen Jahr meldeten Gerichte und Staatsanwaltschaften 50 Übergriffe in Gerichtssälen, auf den Fluren davor sowie häufig auch im Büro- und Servicebereich – die Hälfte der Vorfälle ereignete sich in einem der sieben Amtsgerichte. Im Jahr zuvor waren es lediglich 26 Taten, 2016 immerhin 35 Übergriffe. Von den 50 Taten des vergangenen Jahres waren 19 Fälle Beleidigungen und Beschimpfungen. In 26 Fällen handelte es sich um Bedrohungen mit Worten und Gesten. In drei Fällen wurde Bediensteten mit einem Gegenstand gedroht, allerdings nicht mit einer Waffe. In zwei Fällen ging es um Sachbeschädigung.

Jederzeit Personenkontrollen möglich

Um die Mitarbeiter und Besucher in Zukunft besser vor Attacken zu schützen, ist eine umfassende sicherheitstechnische Aufrüstung der Gerichte angelaufen. Im Wesentlichen geht es darum, genauer kontrollieren zu können, wer die Gebäude betritt, ohne die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen einzuschränken. So sollen die Gebäude grundsätzlich nur noch über einen Eingang betreten werden können. Dieser Zugang wird so ausgestattet, dass jederzeit Personenkontrollen möglich sind. Überprüft werden die Besucher, wenn zu einem Prozess besonders viele Teilnehmer erwartet werden oder mit Störungen zu rechnen ist.

Im Amtsgericht Altona sind die Umbauten bereits fertiggestellt. Bei Bedarf können Besucher mit einem Metalldetektorbogen wie auf dem Flughafen „durchleuchtet“ werden. Außerdem können kurzfristig Gepäckdurchleuchtungsanlagen installiert werden. Die augenfälligste Veränderung ist eine mit Wachpersonal besetzte Pforte, die jeder Besucher passieren muss. Eine weitere Sicherheitsmaßnahme ist die Trennung der öffentlich zugänglichen Bereiche von den gerichtsinternen Räumen.

1,4 Millionen Euro aus dem Sanierungsfonds

Wie der Standort Altona sind auch die Amtsgerichte Bergedorf und Blankenese bereits umgebaut. Geplant ist, auch die Eingangsbereiche der Amtsgerichte Barmbek, Harburg und Wandsbek sowie das Ziviljustizgebäude und das Haus der Gerichte in St. Georg umzugestalten. Dort sind das Finanz-, das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht sowie das Amtsgericht Hamburg-Mitte untergebracht. Allerdings sind die baulichen Voraussetzungen an den einzelnen Standorten und der erforderliche Aufwand sehr unterschiedlich. Für die Umbauten stehen insgesamt 1,4 Millionen Euro aus dem Sanierungsfonds bereit.

Das Strafjustizgebäude am Sievekingplatz sowie das Gebäude der Staatsanwaltschaften am Gorch-Fock-Wall gelten als umfassend gesichert. Für das Gebäude des Hanseatischen Oberlandesgerichts, der Sozialgerichte sowie weiterer Gebäude der Staatsanwaltschaft sind lediglich Erweiterungen vorhandener Sicherungen vorgesehen.

Private Wachleute als Verstärkung

Ein wichtiger Baustein des Sicherheitskonzepts ist die mobile Einsatzgruppe, die aus zunächst zwölf Justizwachtmeistern besteht und vor einem Jahr ihren Dienst aufgenommen hat. Die Mitarbeiter werden unter anderem bei Gerichtsverhandlungen eingesetzt, bei denen mit einem überdurchschnittlich großen Publikumsandrang gerechnet wird oder es vorab Hinweise auf Störungen gibt. In den übrigen Zeiten soll die mobile Einsatzgruppe stichprobenartig und in unregelmäßigem Turnus Zugangskontrollen in den unterschiedlichen Gerichtsgebäuden durchführen.

Im ersten Quartal 2019 haben die Beamten 2395 Personen kontrolliert und dabei 258 Gegenstände einbehalten. Darunter waren Taschenmesser, Pfefferspray und zwei verbotene Waffen. Insgesamt wurden fast 150 Einsätze absolviert. Die jährlichen Personalkosten belaufen sich auf mehr als eine Dreiviertel Million Euro. Zusätzlich werden verstärkt private Wachleute am Zugang zu den Gerichtsgebäuden eingesetzt. Hierfür sind 1,1 Millionen Euro vorgesehen.

Justizsenator erkennt erste Wirksamkeit

„Gerichte sollen Orte sein, die Sicherheit ausstrahlen. In der Praxis werden dort aber auch häufig existenzielle Fragen für Menschen entschieden. Dabei können Emotionen überkochen. Mit den Sicherheitsmaßnahmen, die wir ergreifen, wollen wir darauf vorbereitet sein“, sagt Justizsenator Till Steffen (Grüne).

Dass es im vergangenen Jahr keine Fälle von körperlicher Gewalt in Gerichtsgebäuden gegeben hat, sieht Steffen als Beleg für die Wirksamkeit schon gestarteter Maßnahmen an. „Wir wissen aber auch, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der Gerichte im Alltag zunehmend mit Beschimpfungen und verbalen Drohungen auseinandersetzen müssen“, sagt Steffen. Die Justizbehörde biete Schulungen und Trainings an, um solche brenzligen Situationen zu meistern.