Hamburg. Führung erhebt Extremismusvorwürfe gegen zwei neue Abgeordnete – und prüft Parteiordnungsverfahren.

Das ist eine extrem harte Landung für die Grünen nach ihrem Höhenflug bei den Bezirksversammlungswahlen: Nachdem sie in vier der sieben Hamburger Bezirke stärkste Fraktion geworden ist, sogar in der traditionellen SPD-Hochburg Hamburg-Mitte, startet die Partei mit einem Eklat in die neue Wahlperiode. Von den 16 in Mitte gewählten Grünen-Abgeordneten haben sich jetzt lediglich zehn als neue Fraktion konstituiert. Die anderen sechs wollen sich der Fraktion ihrer Partei in der Bezirksversammlung Mitte offenbar vorerst nicht anschließen.

Hintergrund sind nach Abendblatt-Informationen schwere Vorwürfe gegen zwei der frisch gewählten grünen Bezirks-Abgeordneten. Einem wirft die Parteiführung vor, bei Facebook für eine vom Verfassungsschutz beobachtete islamistische Organisationen geworben zu haben. Dabei könnte es möglicherweise auch um Spendenaufrufe für Terror-Gruppen gehen. Der andere betroffene Abgeordnete soll sich bei Veranstaltungen so radikal geäußert haben, dass erhebliche Zweifel daran bestünden, dass er immer auf der Grundlage der Verfassung agiere, heißt es. Die Partei prüft nun Parteiordnungsverfahren gegen beide, will aber zunächst das persönliche Gespräch suchen.

„Wir geben keinen Rabatt aufs Grundgesetz"

Im Zuge der Diskussion solidarisierten sich vier Abgeordnete mit den beiden und blieben der konstituierenden Sitzung der Fraktion fern. Damit ist die Grünen-Fraktion nun zunächst von 16 auf zehn Abgeordnete zusammengeschrumpft und damit deutlich schwächer als die SPD, die 14 Abgeordnete stellt. Ob sich die anderen sechs für die Grünen gewählten Abgeordneten als eigene Fraktion konstituieren oder wie es sonst weitergeht, scheint derzeit noch unklar.

„Wenn so gewichtige Vorwürfe im Raum stehen, müssen wir dem als Landesvorstand selbstverständlich nachgehen“, sagte die Hamburger Grünen-Chefin Anna Gallina dem Abendblatt. „Wir zeigen immer klare Kante gegen Rechts und geben auch sonst niemandem einen Rabatt aufs Grundgesetz.“ Bevor jedoch ein „formales Verfahren“ eingeleitet werde, suche die Parteiführung zunächst das persönliche Gespräch, so Gallina. „Bisher konnte das kurzfristig aus nachvollziehbaren terminlichen Gründen der betroffenen Personen nicht stattfinden. Wir sind natürlich bemüht das zeitnah hinzubekommen.“

Sollte die Parteiführung ein formales Ordnungsverfahren einleiten, könnte sie auf abgestufte Sanktionsmöglichkeiten zurückgreifen. So kann sie eine formale Verwarnung aussprechen, ein Mitglied eines Parteiamtes entheben oder ihm für zwei Jahre die Übernahme von Ämtern untersagen. Härteste Sanktion ist die Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens. Zuständig wäre das Landesschiedsgericht der Grünen.

Fraktionschef Muja schreibt an Mitglieder

"Die Vorwürfe sind schwerwiegend, weil Zweifel aufgekommen sind, ob sich die beschuldigten Personen in vollem Umfang zu unserem Grundgesetz und unseren Grundwerten bekennen", schreibt der neuen Grünen-Fraktionschef Mitte, Manuel Muja, in einer aktuellen Mail an die Grünen-Mitglieder des Bezirks, die dem Abendblatt vorliegt. "Eine Mehrheit der neuen Bezirksabgeordneten war sich vor diesem Hintergrund einig, sich als Fraktion zunächst ohne die beiden in Rede stehenden Personen konstituieren zu wollen. Man stelle sich vor, dass sich die Vorwürfe weiter erhärten. Wir wollen dann nicht in der Situation sein, trotz Kenntnis dieser Vorwürfe, eine Zusammenarbeit eingegangen zu sein. Aus unserer Perspektive müssen die Vorwürfe zunächst vollständig ausgeräumt sein, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen."

Danach habe sich "eine Minderheit der neu gewählten Abgeordneten mit den beiden betroffenen Personen" solidarisiert und klar gemacht, dass sie sich nicht mit der neuen Grünen-Fraktion konstituieren wolle, so Muja weiter. "Ich bedauere diese Dynamik sehr und hätte mir nach diesem starken Wahlergebnis gewünscht, dass wir geschlossen für unsere Themen und Ziele in Hamburg-Mitte kämpfen würden", so der Grünen-Fraktionschef. "Aus meiner Sicht ist jedoch dringend nötig, dass zunächst die im Raum stehenden Vorwürfe in einem offiziellen, transparenten und fairen Verfahren nachgegangen werden, bevor eine Zusammenarbeit möglich ist. Für mich ist es unverständlich, dass Teile der gewählten Abgeordneten zu einer anderen Einschätzung gekommen sind, weil sie damit deutlich machen, dass diese schwerwiegenden Vorwürfe Ihnen offensichtlich nicht wichtig genug sind, um sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu überprüfen."

Gezielte Unterwanderungsversuche?

Mittlerweile ist in der Auseinandersetzung auch von gezielten Unterwanderungsversuchen durch Extremisten über die vergangenen Monate die Rede. Diese sollen bereits länger in Mitte ein Thema gewesen sein. Vonseiten der Fraktionsminderheit soll der Fraktions- und Parteiführung im Gegenzug Rassismus unterstellt worden sein, so dass den Grünen in Mitte nun eine offene Schlammschlacht drohen könnte. Auch könnte sich die Frage stellen, ob die Parteiführung, zumindest auf Bezirksebene nicht schon im Laufe des Aufstellungsverfahrens vor den Wahlen hätte Kenntnis von Problemen haben können.

Die Grünen waren bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen in Altona, Eimsbüttel, Nord und Mitte jeweils stärkste Fraktion geworden. In Mitte errangen die Grünen dabei 16 Mandate, die SPD stellt dort in der neuen Bezirksversammlung nur noch 14 Abgeordnete, die Linke kam auf acht, die CDU auf sechs, die AfD auf vier und die FDP auf drei Mandate.