Hamburg . Eine möblierte Wohnung wird auf einer Internetplattform für knapp 4000 Euro angeboten. Was Vermieterin und Mieterverein sagen.
Die Mieten in Hamburg erreichen immer drastischere Dimensionen. Auf einer Internetplattform präsentierte ein Vermieter jetzt eine Wohnung für 3950 Euro Monatsmiete. Nicht etwa mit Elb- oder Alsterblick, sondern "im Herzen Eimsbüttels", wie es im Exposé heißt. Die knapp 4000 Euro verlangt der Eigentümer für 100 Quadratmeter, das entspricht einer unglaublichen Miete von 40 Euro pro Quadratmeter.
"In einer attraktiven Lage in Eimsbüttel sind gut 13 Euro angemessen", vergleicht Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, den Preis mit dem ortsüblichen Wert. Die geforderten 40 Euro würden den Rahmen damit erheblich sprengen, auch wenn es hier um eine möblierte Wohnung geht, bei der im Mietpreis die Heizkosten schon inbegriffen sind.
Verdacht auf Mietwucher
Chychla rechnet vor: Für eine Möblierung, die geschätzt 30.000 Euro wert ist, sei ein Zuschlag von drei Euro angemessen, für die Heizung laut Heizkostenspiegel noch einmal 3,20 Euro pro Quadratmeter im Monat. Noch immer verlangt der Eigentümer mit dem geforderten Preis also rund doppelt so viel wie rechtlich zulässig, sagt der Mietexperte. "Hier besteht nicht nur der Verdacht, dass die Mietpreisbremse nicht eingehalten wird, sondern auch ein Fall von Mietwucher vorliegt", beklagt Chychla. Auch bei sehr guter Ausstattung sei allenfalls eine Summe von 25 Euro gerechtfertigt – und nicht die geforderten 40 Euro.
Die Bilder auf der Internetseite zeigen ein Wohnzimmer mit Holzdielen, Schlafmöglichkeiten für fünf Personen, eher zweckmäßige als Designer-Ausstattung. Eine rote Fassade ziert den Altbau von 1900 in einer belebten Straße, Adresse unbekannt. Kurz nach dem Anruf des Abendblattes bei der Vermieterin wurde die Annonce gelöscht.
Behörden sollen eingreifen
Wer auch immer mit dem Objekt in dem beliebten Viertel ein gutes Geschäft wittert – die Vermutung, dass bei möblierten Wohnungen die Mietpreisbremse nicht gilt, sei falsch, betont Chychla. Schließlich könne man den Wert der Möblierung herausrechnen, sodass sich eine Vergleichbarkeit mit "nackten" Wohnungen ergibt.
Die Anbieterin der Wohnung sagt auf Abendblatt-Anfrage, der Preis verstehe sich als Komplett-Paket, die Immobilie sei gedacht für das "Wohnen auf Zeit". Üblicherweise interessierten sich Gäste aus dem Ausland für die Anzeige, etwa Menschen, die hier für eine Weile arbeiteten, sagt die Hamburgerin.
Das Vier-Zimmer-Angebot in Eimsbüttel werde durch den hohen Preis dem normalen Markt entzogen, kritisiert dagegen der Mieterverein die Annonce. Vorstellbar sei ein Interessent etwa aus dem Nahen Osten, der sich in Hamburg einer Schönheitsoperation unterziehe, spekuliert Chychla. "Aber auch wenn sich ein Millionär die Kosten einfach aus dem Ärmel schütteln kann, das Recht gilt in jedem Fall." Die Behörden müssten sich solcher Fälle annehmen, damit Eigentümer das soziale Mietrecht in Hamburg nicht einfach umgehen. Eine Stellungnahme vom Bezirk Eimsbüttel war dazu am Dienstag nicht zu bekommen.
Extrembeispiele in allen Preisklassen
Der Mieterverein beobachtet Angebote mit unangemessenen Preisen vor allem im höherwertigen Segment und im Billigsektor. Betroffen sind damit nicht nur Familien, die in Hamburg nur schwer eine Bleibe finden. Sondern auch Menschen etwa aus Bulgarien, die hier "in Sechs-Bett-Zimmern für Mondpreise ausgebeutet" werden, wenn sie beispielsweise in Deutschland auf dem Bau arbeiten.
Nicht nur in Einzelfällen steigen die Mieten in Hamburg extrem, auch im Durchschnitt werden die Wohnungen deutlich teurer. Der Zuwachs der Mieten erreicht 2019 mit 5,8 Prozent ein beängstigendes Ausmaß, ergab die traditionelle Wohnungsmarkt-Untersuchung der Schüler des Gymnasiums Ohmoor. Bei der Untersuchung konnten die Schüler erstmals auf das gesamte Wohnungsangebot des Immobilienportals Immowelt.de für den Monat März der Jahre 2018 und 2019 zurückgreifen.
Mietkosten steigen weiterhin schnell
Während im Vorjahr noch Neuvertragsmieten von 12,51 Euro pro Quadratmeter verlangt wurden, waren es im März 2019 bereits 13,24 Euro pro Quadratmeter. Die Mieten für die in Hamburg angebotenen Wohnungen sind danach innerhalb eines Jahres mehr als dreimal so schnell gestiegen wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten (1,3 Prozent, Quelle: Statistisches Bundesamt).
Und die Situation scheint sich nicht deutlich zu entspannen, moniert der Mieterverein: Obwohl zwischen 2011 und 2018 in Hamburg rund 56.000 Wohnungen gebaut wurden, fehlen aufgrund des Zuzugs von gut 130.000 Personen nach wie vor mehr als 30.000 bezahlbare Wohnungen. Der von den Schülern ermittelte durchschnittliche Mietpreis bei Neuanmietung von 13,24 Euro pro Quadratmeter liegt fast 60 Prozent über dem Durchschnittswert des aktuellen Hamburger Mietenspiegels von 8,44 Euro. Der Mieterverein sieht hier einen Beweis dafür, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert.