Hamburg. Vermieterin verlangte für ein winziges Zimmer 445 Euro. Ausnutzen einer Zwangslage konnte nicht belegt werden.

Ein kleines Zimmer, das gerade mal Platz für ein Bett, Tisch und Stuhl bietet. Keine Stellfläche, um auch nur einen Schrank unterzubringen. Kein vernünftiges Fenster, kein Badezimmer, nur eine Toilette: Es war alles andere als eine Luxuswohnung, die Zahra H. zu vermieten hatte. Gleichwohl kassierte die 70-Jährige für die kleine, neben einer Gaststätte gelegenen Bleibe in Jenfeld offenbar kräftig ab. Zu heftig?

Die 445 Euro Miete, die sie für die Wohnung berechnete, haben Zahra H. jetzt als Angeklagte vor das Amtsgericht gebracht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Wucher vor. Mit dem Geld, das sie für den kleinen Souterrain-Raum verlangte, habe sie mehr als 100 Prozent über dem Mietenspiegel gelegen. So soll sie gewerbsmäßig die Zwangslage anderer ausgenutzt haben, die sonst keine andere Wohnung gefunden hätten und obdachlos geworden wären. Die Leistung habe sich im krassen Missverhältnis zu dem erhobenen Mietzins bewegt, so die Anklage weiter. Außer einer Mieterin, der Zarah M. besagte 445 Euro berechnete, hatte anschließend auch ein Mann die Wohnung bezogen. Von ihm verlangte die Angeklagte den Ermittlungen zufolge 400 Euro monatlich.

Nach der Besichtigung durch das Job-Center kam es zur Anzeige

Zahra H., eine verhärmt wirkende, zierliche Frau mit dicken Brillengläsern, behauptet, zu der Wohnung habe ein weiteres, großes Zimmer gehört. „Ich habe da selbst auch mal geschlafen“, verteidigt sich die Frau. Und im Übrigen habe ihre erste Mieterin Marion M. da praktisch nicht gewohnt. „Sie hat da nur ihre Müllsäcke mit ihren Klamotten hingeworfen“, behauptet die 70-Jährige. „Meist hat sie sowieso bei irgendwelchen Männern übernachtet.“ Die Höhe der Miete sei angemessen gewesen, meint die Angeklagte. „Ich war beim Amt. Alles korrekt!“

Gemeint ist das Job-Center, das für die beiden arbeitslosen Mieter von Zahra H. die Wohnkosten übernahm. Über Monate wurde von staatlicher Seite anstandslos gezahlt, auch nachdem die erste Mieterin Geld für eine Erstausstattung beantragt hatte und die Wohnung daraufhin in Augenschein genommen wurde. Beim zweiten Mieter gab es eine weitere Besichtigung vom Job-Center. Nun kam es zur Anzeige gegen Zahra H.

Vermieterin musste als Auflage 2000 Euro zahlen

„Ich war froh, dass ich überhaupt ein Dach über dem Kopf hatte“, sagt eine 48-Jährige, die etwa elf Monate in der Bleibe gelebt hatte. „Aber wohlgefühlt habe ich mich dort nicht“, betont die arbeitslose Frau. Vorher hatte sie eine 40-Quadratmeterwohnung mit Vollbad für 250 Euro Warmmiete. In ihrer neuen Bleibe habe sie sich „gerade einmal um die eigene Achse drehen“ können, erzählt die Zeugin. „Es gab auch kein Fenster, nur eine vergitterte Klappe, keine Küche, nur im Flur zwei Kochplatten.“ Zu dem größeren Raum, von dem die Angeklagte sprach, habe sie keinerlei Zugang gehabt. „Der war immer verschlossen.“

Über die vergleichsweise hohe Miete habe sie sich allerdings keinerlei Gedanken gemacht. „Die hat ja das Amt bezahlt.“ Man könne das ja auch so sehen, argumentiert der Verteidiger, dass beide, die Angeklagte und die Zeugin, „als Sozialschmarotzer am Sozialsystem tätig waren“. Die 48-Jährige hätte doch auch sagen können: „Die Miete für so eine Bruchbude ist mir zu hoch.“ Letztlich sei es doch so, dass seine Mandantin keine Zwangslage der Mieterin ausgenutzt habe, weil diese sich ja nicht selber um eine Zahlung gekümmert hat.

Eine Rechtsgespräch zwischen den Juristen kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass ein Wucher schwierig nachzuweisen sei, wenn dem Mieter die Höhe der Zahlungen letztlich egal sind. Das rechtlich dafür erforderliche „Ausnutzen einer Zwangslage“ könne wohl nicht belegt werden. Schließlich wird das Verfahren gegen die 70-Jährige eingestellt, als Auflage muss sie 2000 Euro zahlen. Für Zahra H. ist der Ausgang des Prozesses wohl eine Erleichterung. Mit einem Lächeln stimmt sie zu.